zum Hauptinhalt
Führung durch den Ort des Schreckens. Nach einer konfliktreichen Feierstunde besichtigten ehemalige Häftlinge des Potsdamer KGB-Gefängnis das Haus in der Leistikowstraße, das heute Gedenkstätte ist und 2011 eine neue Dauerausstellung erhalten soll.

© M. Thomas

Von Kay Grimmer: KGB-Gedenkstätten-Streit geht weiter

Offene Kritik von Zeitzeugen bei Jubiläumsveranstaltung / Neue Schau soll im Frühsommer 2011 kommen

Stand:

Nauener Vorstadt - Die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße erhält zur Erarbeitung der neuen Dauerausstellung weitere 140 000 Euro von Bund und Land, kündigte Brandenburgs Kulturstaatssekretär Martin Gorholt gestern an. Mit den bereits zugesicherten 700 000 Euro kann die Gedenkstätte, ein früheres Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Spionageabwehr, für die im kommenden Jahr startende neue Dauerschau rund 840 000 Euro einsetzen. Die Einrichtung soll im Mai oder Juni 2011 eröffnet werden, sagte Gorholt auf der Jubiläumsveranstaltung zum zehnten Jahrestag der regelmäßigen Öffnung der Gedenkstätte.

Während der Feierstunde trat der Konflikt zwischen Zeitzeugen aus dem Verein „Gedenk- und Begegnungsstätte ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam“ und der Brandenburgischen Gedenkstätten-Stiftung erneut offen zutage. Gorholt wurde direkt mit Vorwürfen ehemaliger Häftlinge konfrontiert, die sich bei der neuen Konzeption für das Haus außen vor gelassen fühlen, der neuen Gedenkstättenleitung Blockadehaltung vorwerfen. „Unter dem Vorwand, wissenschaftliche Forschungsarbeit zu leisten, wird das gesamte Gedenkstättenleben verhindert“, kritisierte Zeitzeuge Bodo Platt und bemängelte das derzeitige Interimskonzept. Das sieht lediglich an Wochenenden Führungen durch das Haus vor. Die Gedenkstättenleiterin Ines Reich hatte zuvor auf aufwändige Recherchen für die neue Schau verwiesen, die längere Öffnungszeiten derzeit nicht zulassen würden.

Erneut wurde massiv Kritik geübt, dass die einst von den Zeitzeugen und dem Verein Memorial Deutschland erarbeitete Ausstellung „Von Potsdam nach Workuta“ keine Würdigung in der Gedenkstätte erhalte. Platt sprach sogar davon, die frühere Arbeit werde „hintertrieben“. Auch die Umgestaltung des Hauses fiel negativ auf: „Die Gedenkstätte ist tot, wenn man nur die lichtdurchfluteten Zellen sieht“, so Bodo Platt. Zu KGB-Zeiten gab es Verdunkelungen vor den Zellenfenstern, um mit Licht oder durch Lichtentzug zu foltern. Ohne die Verdunkelungen würde der Standort „verharmlost und entschärft“. Das auch in der Stiftungssatzung erklärte Ziel, neben der Forschungsarbeit der Opfer zu gedenken, werde derzeit nicht erfüllt, so Zeitzeuge Platt.

Gorholt reagierte – ungeplant und direkt – auf die Vorwürfe. Er sprang für die Gedenkstättenleiterin Ines Reich ein, die sich zur Feierstunde aus persönlichen Gründen entschuldigt hatte, die Teilnehmer allerdings zum Nachmittag zu Führungen durch die Gedenkstätte eingeladen hatte. Gorholt machte deutlich, dass auch mit den Zeitzeugen über das neue Gedenkstättenkonzept gesprochen wurde, gab jedoch zu, dass es „unterschiedliche Ansichten“ gab. Er verteidigte den Ansatz einer neuen Dauerausstellung, „die breit versucht, zu erforschen, was im KGB-Gefängnis passiert ist“. Die Schau solle bei allen Zielgruppen Interesse hervorrufen, Geschichte und Emotionen vermitteln, so der Staatssekretär. Er appellierte an die Zeitzeugen, Kooperations- und Kompromissbereitschaft zu zeigen statt auf Konfrontationskurs zu gehen. Dass zum Jubiläum kein Vertreter des Evangelisch- Kirchlichen-Hilfsvereins (EKHV) anwesend gewesen sei, habe laut Gorholt auch daran gelegen, dass diese sich durch den Zeitzeugen-Verein und Memorial „nicht richtig behandelt“ gefühlt hätten. Der EKHV ist Eigentümer des Hauses und hatte nach der Wende dem Zeitzeugen-Verein und Memorial den Standort für die Gedenkarbeit überlassen. Das Gebäude in der Leistikowstraße 1, im ehemaligen russischen „Militärstädtchen“, diente vom 13. August 1945 bis in die 80er Jahre als Untersuchungsgefängnis. Bis Mitte der 1950er Jahre wurden etwa 800 bis 1200 Menschen in den Zellen zum Teil monatelang eingesperrt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })