Landeshauptstadt: Kiddy Citnys Herzköpfe weiß übermalt
Städtischer Denkmalschutz stellte „Ursprungszustand wieder her“. Mauerkünstler kritisiert „morgendliche Nebelaktion“
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Babelsberg - Die Potsdamer Herzköpfe gibt es nicht mehr: Eine vom städtischen Denkmalschutzamt beauftragte Firma übertünchte das im September auf die Rückseite der Mauergedenkstätte Griebnitzsee gemalte Bild des Berliner Mauerkünstlers Kiddy Citny am Dienstag mit weißer Farbe. „Der Ursprungszustand wurde wiederhergestellt“, erklärte dazu Stadtsprecher Jan Brunzlow gegenüber den PNN. Die sechs noch existenten Teile der Berliner Mauer nahe der Stubenrauchstraße stehen seit 2009 unter Denkmalschutz. „Denkmale sind in ihrem Zustand zu belassen“, so der Sprecher. Niemand dürfe sie ungenehmigt bemalen, das gelte für Schmierereien wie für Kunstwerke. „Wir unterscheiden da nicht“, so der Sprecher. Es gebe ohnehin keine feste Definition für Kunst. Die Landeshauptstadt habe das Engagement des Künstlers für einen freien Uferweg grundsätzlich begrüßt. Jedoch sei der gewählte Ort der falsche. Das Denkmal solle authentisch die Vergangenheit widerspiegeln. An dieser Stelle der Mauer habe es keine bunte Bemalung auf westlicher Seite gegeben, da sie in Potsdam auch von Berliner Seite aus nicht zugänglich gewesen sei.
Der Berliner Mauerkünstler Kiddy Citny, der von den PNN von der Übermalung seiner Babelsberger Herzköpfe erfuhr – „Ich höre das zum ersten Mal“ –, reagierte empört: „Ich bin schockiert über die kunstzerstörerische Handlungsweise der Stadt.“ Es handele sich um eine „morgendliche Nebelaktion“, über die er nicht informiert worden sei.
Kiddy Citny hatte die westliche Seite der Babelsberger Mauerreste im September diesen Jahres mit Herzköpfen bemalt. Der 55-Jährige ist kein Unbekannter, er machte sich mit der Bemalung der Berliner Mauer Mitte der 1980er Jahre mit kronentragenden Herzköpfen einen Namen. Nach dem Mauerfall 1989 wurden die von ihm bemalten Mauersegmente teuer gehandelt. Ein Werk gelangte ins New Yorker Museum of Modern Art.
In Potsdam führte die Übermalung der Herzköpfe Kiddy Citnys zu unterschiedlichen Reaktionen: Manfred Kruczek vom Forum-Verein zur kritischen Aufarbeitung von DDR-Geschichte verurteilte die Übermalung scharf. „Die Entscheidung den Denkmalpflegern zu überlassen, die die Denkmalwürdigkeit der Mauerreste über Jahre in Abrede stellten, ist stillos“, sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler, der sich mit dem Forum-Verein jahrelang für einen Denkmalstatus der Mauerreste eingesetzt hat: „Vielleicht hätten die Verantwortlichen der Stadt einmal in zehn Jahren unser Opfergedenken am Griebnitzsee besuchen sollen.“ Auch der Verein Griebnitzsee für alle e.V. kritisierte die Übermalung. „Zur Berliner Seite ist die halloweenweiße Mauer nichts als Geschichtsklittung.“ Vereinsmitglied Christiane Raffauf erklärte: „Das war eine überraschende Hast. Die Stadt hat mitten in der Diskussion reagiert, ohne dass sie denkmalpflegerisch gehandelt hat.“
Der Bürgerrechtler und Künstler Bob Bahra hatte dagegen stets die Wiederherstellung des Ursprungszustandes gefordert. Die Mauer, die zwischen 1961 und 1989 Deutschland teilte, sei „nicht bunt, sondern weiß und für die Ostdeutschen tödlich“ gewesen. „Na bitte!“, so Bahras erste Reaktion am Dienstag. Allen Seiten sei geholfen: Kiddy Citny habe „die Aufmerksamkeit, die er wollte“ und die lange Jahre ein Schattendasein führende Gedenkstätte am Griebnitzsee stehe nun im Fokus der Aufmerksamkeit.
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