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Landeshauptstadt: Kirchtürme als Lebensraum

Manfred Miethke zu Erfolgen, Defiziten und Aufgaben des Artenschutzes in Potsdam

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Die Einrichtung großer Naturreservate im Kongo, in Indonesien und Brasilien, die Eindämmung der Biospritprodukton auf Agrarflächen, die Ausweisung von Meeresschutzgebieten - das sind globale Ergebnisse des Bonner Weltnaturschutzgipfels zum Artenschutz. Was aber kann regional, so auch in Potsdam, gegen den Rückgang der Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen getan werden? Dazu befragten die PNN den erfahrenen Naturschützer Manfred Miethke, der vor allem auf dem Gebiet der Ornithologie tätig ist.

Ist auch die Landeshauptstadt mit ihrer Umgebung vom schnellen Rückgang der Arten betroffen?

Anzeichen gibt es, wenn ich beispielsweise an die Rauchschwalben, den Hausrotschwanz, den Mittelspecht oder auch die Sperlinge denke. Dagegen sind wir nach wie vor eine Stadt der Nachtigallen. Insgesamt hat Potsdam den großen Vorteil, dass die Lebensräume für Tiere und Pflanzen von den Grünanlagen der Innenstadt über die Parke und Kleingärten bis in die Außenbereiche mit Pirschheide, Katharinenholz, Parforceheide, den Havelseen, den Wäldern der Ravensberge unter anderem vernetzt, also miteinander verbunden sind. Diesen Vorzug, den beispielsweise Hamburg, München oder Leipzig nicht besitzen, müssen wir unbedingt bewahren.

Potsdam wächst aber sehr schnell, und da werden durch Bebauung diese Zusammenhänge in Frage gestellt.

So pessimistisch sehe ich das nicht. Mit den Architekten und Bauherren pflegen wir nach anfänglichen Schwierigkeiten eine gute Zusammenarbeit. Die im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde von mir und anderen Sachverständigen erarbeiteten Gutachten werden berücksichtigt, beispielsweise was künstliche Nisthilfen als Ausgleich für durch Sanierungen verloren gehende Möglichkeiten für Höhlen- und Spaltenbrüter betrifft. Dadurch konnten unter anderem Mauerseglerkolonien und trotz der Bauarbeiten die Mehlschwalbenkolonie unter der Humboldtbrücke erhalten werden.

Beklagt wird der Rückgang der so genannten Gartenvögel ...

Ja, da sehe ich eine große Aufgabe für den Naturschutzbund Deutschland und die anderen Verbände. In den Potsdamer Welterbeparks, wo 17 dieser Arten erfasst wurden, bringen wir Nistkästen an und betreuen sie. Auch die Universität Potsdam trägt, so durch ein Monitoringprogramm für den Trauerschnäpper, zu diesen Bemühungen wesentlich bei.

Wenn man Felder und Wälder um Potsdam durchwandert, hört man relativ wenig Vogelstimmen.

Da mögen Sie recht haben. Während in den Biosphärenreservaten Schutzmaßnahnmen die Artenvielfalt stabilisieren, ist das in der Agrarglandschaft noch nicht immer so. Das muss aber nicht sein, wenn Sie beispielsweise an das Feuchtgebiet Golmer Luch mit seinen baumbepflanzten Gräben und noch reichen Schilfbeständen denken. Hier hat die Forstwirtschaft erste Maßnahmen zur Renaturierung eingeleitet.

Aller Artenschutz muss aber scheitern, wenn ihn nicht engagierte Naturschützer in die Hand nehmen. Doch dafür finden sich ja kaum noch junge Leute ...

Dem widerspreche ich. So haben wir Älteren in der seit 1954 bestehenden NABU-Fachgruppe Ornithologie mit dem Leiter Manfred Pohl und Jochen Mädlow jüngere Mitstreiter, die nicht nur unsere Arbeit auf eine exaktere wissenschaftliche Grundlage gestellt, sondern auch konkrete Maßnahmen eingeleitet haben, denken sie beispielsweise an die Zählung in der „Stunde der Gartenvögel“. Zudem arbeiten im NABU-Kreisverband „Potsdam-Havelland“ andere aktive Fachgruppen wie die für den Fledermaus- und den Amphibienschutz unter Karl-Heinz Lehmann, die jährlich Zäune für den Schutz der Erdkröten stellt. Zum Dank verpflichtet sind wir unter anderem der Diakoniewerkstatt Hermannswerder für den Bau von Nistkästen und den Pfarrern, heute meist Frauen, von Potsdamer Kirchgemeinden.

Wieso Pfarrer?

In Golm, Langerwisch, Saarmund, Bornim, Alt Töplitz, nun auch in Nattwerder beteiligen sie sich an der Aktion „Kirchtürme als Lebensraum“. Dafür wurden Nistkästen für Schleiereulen und Turmfalken angebracht und einige von den Vögeln bereits angenommen.

Welche Aufgaben wollen Sie als nächste in Angriff nehmen?

Für besonders wichtig halte ich die regelmäßige Bestandserfassung der Arten. Dabei haben wir jetzt längere Zeit im Osthavelland und der Prignitz mitgeholfen und so dazu beigetragen, dass für 90 Prozent des Landes Brandenburg die Angaben vorliegen. Dies muss aber auch in Potsdam wieder intensiviert werden, um verlässliche Kenntnisse über die Entwicklung der Bestände zu erhalten. Bei einigen Tieren sind die Grundlagen dafür nicht schlecht. So besitzen wir für die Mandarinenente Unterlagen seit 1980, weltweit die längste Erfassung.

Die Fragen stellte Erhart Hohenstein

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