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Landeshauptstadt: Klein-Genf in der Havelbucht

Die 1976 geplante Fontäne in der Havelbucht hat immer noch eine Chance

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Manch eine städtebauliche Idee verschwindet für immer im Archiv der Verwaltung. Manche wird aber immer wieder aus der Schublade geholt. So geht es mit der Wasserfontäne in der Neustädter Havelbucht. Im Jahre 1976 fertigte Olga Liebert, die noch heute in der Potsdamer Bauverwaltung tätig ist, detaillierte Zeichnungen zur Gestaltung des damals entstehenden neuen Wohngebietes an. Das Highlight: ein Geysir, dessen Säule mit der Höhe der heute umstrittenen Hochhäuser der Wohnanlage konkurriert.

Aus der Idee wurde nichts, obwohl die DDR-Planer sonst alles umsetzten: neben den Wohnhäusern, die Infrastruktur mit Gaststätten und anderen Versorgungseinrichtungen. Selbst die Reste des geschleiften Neustädter Tores klaubten sie zusammen und errichteten neben der sozialistischen „Kunst am Bau“ einen Obelisken aus den beiden Torpfeilern des historischen Stadttores.

Der tiefere Grund, warum die Planung zur Fontäne damals auf der Strecke blieb, war die stinkende Brühe des Havelwassers. Die Bucht fungierte als Vorfluter für die Abwasserbehandlung, war gleichsam eine Kloake. „Heute wäre die Fontäne wieder möglich, denn die Wasserqualität ist besser geworden“, sagt der Architekt Dieter Ahting, der Anfang der achtziger Jahre beim Aufbau der Neustädter Havelbucht mitgewirkt hat. Außerdem würden die Wasserspiele zu einer weiteren Verbesserung der Wasserqualität durch die Sauerstoffanreicherung beitragen.

Der ehemalige Potsdamer Stadtplaner Richard Röhrbein zog vergangenen Sonnabend in einem Vortrag vor den Mitgliedern des Landesbundes der Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB) gar den Vergleich mit der Schweizer Kantonshauptstadt Genf und deren berühmter Fontäne im Genfersee. „So etwas käme dem Tourismus und der wirtschaftlichen Attraktivität des Standorts sehr zugute“, meint er. In der Tat spielt die Genfer Fontäne in der dortigen Tourismuswerbung eine herausragende Rolle. „Fünf gute Gründe für einen Besucht in Genf“ nennt eine Werbeanzeige und gleich nach dem UNO-Sitz folgt auf Platz zwei die „berühmte Wasserfontäne im Genfersee (Jet d’eau)“.

Allerdings: Die Genfer Fontäne steigt zu einer Höhe auf, die fast die des Berliner Funkturms erreicht und bei starkem Wind sieht es aus, als würde die ganze Stadt im Regen stehen. In Potsdam müssten bescheidenere Vorbilder herhalten, etwa die Fontäne in der mecklenburg-vorpommerschen Landeshauptstadt Schwerin. Das „Landeshauptdorf“, wie die Schweriner wegen des Verlustes des Großstadtstatus ihre Stadt spöttisch bezeichnen, hat noch aus der DDR eine Fontäne im Pfaffenteich. Sie verschönert das Panorama des alten Fischteiches mit dem Dom am anderen Ufer. Mit der „Fontäne als Bestandteil der Stadtkulisse“ wirbt auch Schwerin um Touristen.

„Das soll auch in Potsdam so sein“, sagten sich die Wohnungsunternehmen, die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft 1956, die Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ und die kommunale Gemeinnützige Wohn- und Baugesellschaft (Gewoba), die an der Neustädter Havelbucht erhebliche Bestände haben beziehungsweise hatten. Sie griffen die Geysir-Idee in Vorbereitung auf die Bundesgartenschau 2001 auf. Nach der Aufsehen erregenden Farbgestaltung sollten die Wasserspiele die Wohnanlage in dieser attraktiven Lage vollenden. In der zur Farbgestaltung herausgebrachten Broschüre gibt es sogar zwei Abbildungen davon. Doch die Havelbucht-Fontäne blieb Vision und das in diesem Zusammenhang angekündigte „Wasserkonzept“ nur eine Idee. „Die Attraktivität einer solchen Anlage könnte für die Anwohner und die Besucher eine erhebliche Bereicherung und einen Imagewirkung für die Bucht und für Potsdam darstellen“, heißt es zwar in der Broschüre, doch ernsthaft verfolgt haben weder die Unternehmen noch die Verwaltung das Projekt. Und das, obwohl Oberbürgermeister Jann Jakobs laut Aussage von Röhrbein es vor zwei Jahren zu „seiner Sache“ gemacht habe. Im Geschäftsbereich der Beigeordneten für Stadtentwicklung und Bauen Elke von Kuick-Frenz läge die Kompetenz, eine solche Idee umzusetzen. „Schön und gut“, sagt die Beigeordnete auf der BDB-Versammlung, „aber was kostet es und wer soll es bezahlen?“ Ein wenig lustlos klingt ihre Aussage zu der so schönen Sache. Bis heute hat die Verwaltung nicht einmal einen Kostenvoranschlag eingeholt. Das Interesse an der weiteren Entwicklung der Neustädter Havelbucht ist zudem sichtlich abgeflaut, nachdem das Vorhaben zum Ersatzbau für die Ufergaststätte stagniert und das Café „Seerose“ in einen Dornröschenschlaf gefallen ist. „Warten auf bessere Zeiten“, scheinen diese Zustände zu signalisieren. Wenn diese kämen, hätte vielleicht auch der Havelbucht-Geysir wieder eine Chance.

Günter Schenke

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