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Landeshauptstadt: Kleine Firmen machen großes Kino

Rund 120 Firmen sitzen in der Medienstadt. Sie gelten als innovativ, haben aber oft nur zehn Mitarbeiter

Von Matthias Matern

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Babelsberg - Das Rohmaterial wirkt erstaunlich blass – zumindest im Vergleich: Erst wenn Daniel Stübner an einem der vielen Regel an seinem großen Mischpult dreht, strahlen die Büsche im Hintergrund plötzlich in so sattem Grün und wie man es von der Leinwand kennt, ist die Weste des Schauspielers so knallig türkis wie in Hollywood. „Im Prinzip funktioniert das wie bei Photoshop“, erläutert Stübner, den Blick die ganze Zeit starr auf den großen Flachbildschirm geheftet, der hinter dem digitalen Tuschkasten steht. Dann und wann steht er auf und verlässt sein kleines Studio, um seinen Augen ein wenig Abwechslung zu gönnen. „Mit Pausen acht bis zehn Stunden schafft man schon. Dann wird man langsam betriebsblind“, erzählt der 41-Jährige. Stübner ist Colorist und einer von zehn Mitarbeitern der Postproduction-Firma Rotor Film Babelsberg. Das vor drei Jahren gegründete Unternehmen hat seinen Sitz in der Medienstadt, direkt neben den Studios Babelsberg und gegenüber der Ufa.

Auch wenn das Unternehmen von Holger Lehmann und Martin Frühmorgen gemessen an der Zahl der Beschäftigten noch zu den Kleinen gehört, mischt es längst bei den Großen mit. Unter anderem im Abspann bekannter Kinofilme wie „Spiderman“ oder „Halt auf freier Strecke“ von Andreas Dresen ist das Logo der Rotor Film zu sehen. Angefangen haben die beiden Absolventen der heutigen Film-Universität „Konrad Wolf“ mit ihrer Firma noch in Berlin, dann aber schnell gemerkt, dass ihnen Potsdam mehr zu bieten hat. „In Berlin ist man nur einer von vielen. Hier ist die ganze Szene offen, wir tauschen uns aus“, beschreibt Lehmann. Neben der Farbbearbeitung, dem sogenannten Grading, gehört auch die Tonoptimierung und das Einfügen von künstlichen Effekten zum Leistungsportfolio der Rotor Film. „Die Nähe zu anderen Firmen ist für uns außerordentlich wichtig. Früher haben sich Technologien vielleicht zehn Jahre gehalten. Heute müssen sich Unternehmen alle vier Jahre Gedanken über Neuerungen machen. Entsprechend ist es für uns wichtig zu sehen, was benötigt wird“, sagt Lehmann.

Allerdings kurbelt Rotor Film die Innovationsspirale selbst kräftig mit an. Gerade investiert das Unternehmen 2,3 Millionen Euro in zwei neue Synchronstudios, treibt zudem maßgeblich die Entwicklung des neuen Soundsystems „Dolby Atmos“ voran und arbeitet dabei eng mit dem Berliner Zoo-Palast zusammen. Außerdem verfolgen Lehmann und Frühmorgen ihre Vision, die gesamte Filmproduktion per Cloud-Computing abzuwickeln, die riesigen Datenmengen also nicht mehr per Datenträger von einer am Prozess beteiligen Firma zur nächsten zu übermitteln, sondern für alle erreichbar in einem Rechenzentrum zu speichern.

Wie bei Rotor Film wird auch an anderen Stellen in der Medienstadt über neuen Ideen gebrütet. Inwischen haben sich neben den Großen der Branche am Standort knapp 120 kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Film- und TV-Bereich niedergelassen. Was hier passiert, hat nach Einschätzung von Brandenburgs Wirtschaftsminister, Ralf Christoffers (Linke), Bedeutung für das ganze Land. „Zum Beispiel für den gesamten Prozess der Digitalisierung“. Mit ihrer Innovationskraft seien die vielen Firmen in der Medienstadt durchaus technologische Vorreiter, so Christoffers.

Der Nährboden dafür ist nicht in erster Linie das große Geld der Investoren oder der Glanz der weltweit bekannten Filmstudios, sondern – wenn man den jungen Firmenchefs glauben darf – das offene, bescheidene Selbstverständnis der hiesigen Branche. „Ich war sehr, sehr positiv überrascht, als ich hier herkam, wie durchlässig die Szene ist. Das kannte ich so aus München gar nicht“, bestätigt auch Stephan Schindler, Chef der Babelsberger Firma Wonderlamp. Das Unternehmen entwickelt ein Programm, dass die Herstellung von Animationsfilmen revolutionieren soll. „Wir wollen die Technologie zu den Kreativen bringen, Computeranimationen ohne Spezialwissen und Experten ermöglichen“, sagt Schindler. Im ersten Quartal 2015 will Wonderlamp das einfach zu bedienende „Ich-mach-mir-einen-Comicfilm“-Programm auf den Markt bringen. Bislang hat die Firma laut eigenen Angaben schon 3,5 Millionen Euro in das komplexe Produkt gesteckt. Derzeit werden Investoren für weitere 2,4 Millionen Euro gesucht.

Mit einer großen Konferenz wollen die Firmen der Medienstadt sich auch international als Ideenschmiede innovativer Filmtechnologien etablieren. Am 19. und 20. November findet in Babelsberg zum zweiten Mal die Konferenz „Changing the Picture“ statt. Eingeladen sind Gäste und Referenten aus den USA, Kanada, Frankreich, England und der Schweiz.

Letztendlich aber hilft alle Technik nichts, wenn die Idee nicht stimmt, weiß auch Colorist Stübner. „Wenn mich ein Film fesselt, kann ich ihn mir entspannt angucken. Wenn nicht, fange ich an, mir über die Postproduktion Gedanken zu machen“, räumt er ein.

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