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Nach den Missbrauchsvorwürfen in Potsdam: „Klima der Offenheit“ gegen Gewalt

Psychologe: Transparenz im Umgang mit Missbrauchsvorwurf wwie and er Potsdamer Elite-Sportschule sind wichtig. In Brandenburg gibt es ein Landesprogramm gegen „Bullying“

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Schlagzeilen über Schüler, die andere Schüler gequält haben sollen; Fernsehteams, die in der Hofpause versuchen, Jugendliche zu interviewen; viele offene Fragen: An der Sport-Eliteschule „Friedrich Ludwig Jahn“ ist seit dieser Woche nichts mehr wie es war – seit bekannt geworden ist, dass die Staatsanwaltschaft gegen zwei Elftklässler wegen des Verdachts ermittelt, dass sie zwei 13 und 14 Jahre alte Schüler im Wohnheim der Schule sexuell genötigt haben sollen. Ein Schüler soll sogar mit einem Besenstiel penetriert worden sein. Mitarbeiter des Internats und Trainer der Schüler sollen von der Tat erfahren, sie aber zunächst nicht weiter gemeldet haben. Zugleich hat ein anderer Schüler geschildert, dass er über längere Zeit Opfer gewalttätiger Mobbing-Attacken war. Schwere Vorwürfe. Wie soll in einer Schule mit so einer Ausnahmesituation umgegangen werden?

Eine Antwort darauf gibt Günter Esser, Professor für klinische Psychologie und psychologische Psychotherapie an der Universität Potsdam: „In solchen Fällen ist maximale Offenheit das Gebot der Stunde.“ Er nennt dafür mehrere Gründe. Für die Opfer müsse sicher sein, dass die mutmaßlichen Täter ihnen nicht noch einmal wehtun könnten. Mit der Offenheit könne die Schule klare Grenzen ziehen und zeigen, „dass so etwas nicht geht“. Auch aus anderer Hinsicht rät Professor Esser zu einem Klima, das Gespräche über das Geschehen möglich macht: Damit die mutmaßlichen Opfer, wenn sie denn wollen, über ihre Situation sprechen können. „Allerdings sollten sie dazu nicht von außen gedrängt werden.“ Manche Jugendliche, die Gewalt und Nötigung erlebt haben, hätten auch den Wunsch, darüber zunächst nicht zu reden, „es erst einmal sacken zu lassen“. Daher müssten die Jugendlichen für sich entscheiden dürfen, wann der richtige Zeitpunkt zum Sprechen sei – und dies müsse dann auch möglich sein. „Darum ist ein Klima der Offenheit wichtig“, sagt Professor Esser. Ein transparenter Umgang mit dem Thema könne auch ein erster Schritt sein, den mit den Vorwürfen verbundenen Schaden für den Ruf der Schule wiederherzustellen.

Von offizieller Seite heißt es, die verlangte Offenheit werde praktiziert: Der Vorfall soll in allen Klassen thematisiert werden. Für Schüler und explizit für mögliche weitere Opfer soll es zudem ein Angebot geben, sich beraten zu lassen, sagte Stephan Breiding, Sprecher des brandenburgischen Bildungsministerium.

Um gar nicht erst solche Extremsituationen entstehen zu lassen, bietet das Land Brandenburg in Zusammenarbeit mit der Polizei ein so genanntes Anti-Bullying-Programm an – wie andere Bundesländer auch. Unter dem Begriff Bullying, eine Art Extrem-Mobbing, wird das gezielte, systematische und auch wiederholte Schikanieren körperlich oder psychisch Stärkerer gegenüber Schwächeren verstanden – auch wegen eines solchen Vorwurfs steht die Potsdamer Sportschule in den Schlagzeilen.

Dagegen sollen etwa ein Kummerkasten für Schüler helfen, bessere Pausenaufsicht und auch mehr Lehrerfortbildung – allesamt Bausteine des Landesprogramms gegen Bullying. Auf Klassenebene sollen Regeln und Sanktionen schon vor möglicher Gewalt klare Grenzen ziehen, ebenso wird auf friedliche Streitschlichtung gesetzt. Auch Formen des Täter-Opfer-Ausgleichs und die gezielte Unterstützung von Opfern gehören zu Punkten des Programms. „Wir veranstalten dazu beispielsweise Schulstunden, in den über die Folgen von Straftaten informiert wird“, sagte Polizeisprecherin Ingrid Schwarz. So gilt für Jugendliche unter 17 Jahren, die eine Straftat begehen, das Jugendgerichtsgesetz – dieses sieht je nach Schwere der Tat eine gewissen Anzahl Sozialstunden, Auflagen wie die Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung und als härteste Sanktion eine Freiheitsstrafe in einer Jugendhaftanstalt vor.

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