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Landeshauptstadt: Klinikclown statt Weihnachtsmann

Die meisten Patienten der Kinderstation dürfen heute nach Hause. Wer bleiben muss, wird gut umsorgt

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Innenstadt - Das „Star Wars“-Buch, das Bennett liest, lenkt nur minimal ab von der Wirklichkeit. In der Skihalle in Senftenberg ist der Neunjährige am Freitag gestürzt und hat sich das Bein gebrochen, kam sofort ins Bergmann-Klinikum nach Potsdam und wurde operiert. Zu blöd das alles, jetzt so kurz vor Weihnachten, findet er. Aber er hat vielleicht Glück: „Ich muss noch ein bisschen laufen üben mit den Gehhilfen. Wenn das dann klappt, komm ich Mittwoch früh nach Hause.“ Auch sein Nachbar in dem Herrenzimmer, der 14-jährige Titus, wird dann wohl entlassen. „Bin heute früh plötzlich zusammengeklappt, aber es geht mir schon viel besser“, sagt er.

Das sind die Lieblingspatienten der Schwestern und Ärzte auf der Kinderstation. „Alles, was irgendwie kann, geht noch vor den Feiertagen nach Hause“, sagt „Schwester Heidi“, Heidi Krüger, stellvertretende Pflegedirektorin vom KlinikumWestbrandenburg in Potsdam. Die Chancen dafür, dass es nur ein kleiner Trupp ist, der dennoch stationär behandelt werden muss, stehen gut: „Kinder werden akut und schnell krank, aber oft auch schnell wieder gesund, schneller als Erwachsene“, sagt sie. Und sie werden in die elterliche Pflege entlassen. Erwachsene hätten es da nicht so bequem.

Am Montag sind von den 42 Betten noch 30 belegt, Tendenz immerhin abnehmend. Auch die meisten Kinder mit chronischen Krankheiten, die viel Zeit in der Klinik verbringen, werden zu den Feiertagen entlassen. „Die Therapieintervalle kann man ja so timen“, sagt Heidi Krüger. Vier Kinder sind jedoch auf der Intensivstation und werden wohl – ebenso wie die derzeit 14 Frühchen und wer sonst noch so ganz überraschend von der Geburtsstation dazukommt – ihr Weihnachtsfest auf Station verbringen.

Die 14 Monate alte Hailey wird nicht zu den Weihnachtsgästen der Kinderklinik gehören. Montagnachmittag sitzt sie beinchenbaumelnd im Flur und wartet, dass es losgeht nach Hause, die Angina ist vorerst ausgestanden. Die vier Tage im Krankenhaus haben ihre Mutter Katja Stiege freilich brutal aus den Weihnachtsvorbereitungen für die Familie gerissen. „Ich hinke sehr hinterher“, sagt sie lachend.

Weihnachtsvorbereitungen werden allerdings auch im Krankenhaus getroffen. Denn es gibt immer Kinder, die hier besser aufgehoben sind oder ganz plötzlich nach einem Unfall oder akuten Beschwerden eingeliefert werden. Das kann ein problematischer Blinddarm sein oder ein Sturz beim Spielen oder Toben. Dazu braucht es nicht mal Schnee oder Glatteis. „Ein Hochbett reicht auch“, sagt Heidi Krüger inmitten von Kartons und bunten Tüten. Das Büro von Pflegedienstleitung und Oberärztin sieht derzeit eher aus wie ein Spielzeugladen oder das Lager vom Weihnachtsmann. In der vergangenen Woche haben die Schwestern Geschenke für die Station eingekauft, querbeet, was Kinder erfreut: Holzeisenbahnen und Kaufladen, Malzeug und Bilderbücher, Puppen, Puppenwagen und Puppenkleidung und sogar einen Puppendoktorkoffer. Wer über die Feiertage hier ist, hat das Privileg, das Spielzeug einweihen zu dürfen. „Bei 3500 Patienten im Jahr müssen wir immer wieder was erneuern und ersetzen“, sagt Heidi Krüger. Azubi und FSJ-ler haben in der vergangenen Woche im Spielzimmer aussortiert und alles grundgereinigt. Am Montag werden noch die letzten Bauklötze und Legosteine gewaschen. Das Geld für das neue Spielzeug stammt aus dem Klinikbudget. Was sie noch gebrauchen könnten, so die Krankenschwester, sind neue Möbel für das Spielzimmer. Über Spenden dafür würden sie sich sehr freuen.

Zu Weihnachten gibt es aber nicht nur neues Spielgerät. Die Station ist geschmückt, mit Weihnachtsbaum und frischem Grün. Gern dürfen Eltern die Patientenzimmer nach ihren Vorlieben dekorieren, mit LED-Kerzen oder Lichterketten, die dann allerdings der Haus-Elektriker zuvor technisch prüfen und abnehmen muss. Auch die strengen Regeln, was mitgebrachte Lebensmittel betrifft, werden dann etwas gelockert. „Aus hygienischen Gründen dürfen sonst nur industriell gefertigte und verpackte Lebensmittel verzehrt werden, also Kekse aus der Packung“, sagt die Schwester. In diesen Wochen sind ausnahmsweise auch selbstgebackene Plätzchen aus dem elterlichen Ofen erlaubt.

Für ein wenig Ablenkung soll ein neuer Fernseher mit DVD-Gerät sorgen, der im Gemeinschaftsraum aufgestellt wird. „Die kleinen Bildschirme an den Betten taugen doch nichts“, sagt Heidi Krüger. „Jetzt können wir auch mal zusammen einen Film schauen, ohne Fernsehwerbung.“ Ein Weihnachtsmann wird wohl nicht zu den Kindern kommen – aber die Klinikclowns haben sich angemeldet, und eine ehrenamtliche Vorleserin. „Dann haben die Eltern auch mal eine Pause“, sagt Heidi Krüger. „Auch für sie ist das ja anstrengend.“

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