
© Manfred Thomas
Hausbau-Affäre des Baubeigeordneten Klipp in Potsdam: Klipp hofft wieder - vergebens
Die Staatsanwaltschaft Berlin stellt die Ermittlungen gegen den suspendierten Beigeordneten Klipp zwar ein. Doch es gibt begründete Zweifel an der Entscheidung. Stadtspitze hält Falschaussage für erwiesen - und Oberbürgermeister Jakobs bleibt dabei: Klipp soll abgewählt werden. Die Mehrheit dafür steht.
Stand:
Potsdam - Für Matthias Klipp mag es nach der Affäre um sein zu groß gebautes Privathaus eine Genugtuung gewesen sein. Jedenfalls informierte der Grünen-Politiker vor wenigen Tagen den Kreisverband seiner Partei, dass die Staatsanwaltschaft Berlin die Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts auf falsche eidesstattliche Versicherung eingestellt hat. Womöglich glaubte der seit Ende August beurlaubte Baubeigeordnete, im Ringen um seine politische Zukunft in Potsdam einen neuen Trumpf in der Hand zu haben. Gegenüber seinen Parteikollegen pochte er nach PNN-Informationen nun auf die Unschuldsvermutung und forderte neue Gespräche.
Doch Klipps Freude scheint verfrüht, die Hoffnung, seine Abwahl verhindern zu können, wohl vergebens. Denn politisch hat das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Berlin keinen Einfluss auf das von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) betriebene Abwahlverfahren. Im Gegenteil: Das Rathaus bekräftigte am Freitag, dass die Abwahl Klipps notwendig sei. Und juristisch ist die Sache weit weniger klar, als die vorläufige Entscheidung der Staatsanwaltschaft vermuten lässt.
Klipps Vorteil bei größerem Hausbau: 30 000 Euro
Wie berichtet hat Klipp 2014 sein Haus neun Quadratmeter zu groß gebaut und dabei nach Erkenntnissen der Stadtverwaltung für die Baugenehmigung Einfluss auf die Mitarbeiter der ihm unterstehenden Baubehörde genommen. Über Monate wehrte sich Klipp gegen die Berichterstattung über die Hausbau-Affäre. Mithilfe einer eidesstattlichen Versicherung vom 23. Juni erwirkte er vor dem Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen den Springer-Konzern. Demnach durften dessen Blätter Bild und B.Z. fortan nicht mehr Überschriften wie diese bringen: „Hat Potsdams Stadt-Bauchef sein Amt missbraucht?“
Der Springer-Konzern stellte am 17. Juli Strafanzeige gegen Klipp wegen des Verdachts auf falsche eidesstattliche Versicherung. Es ging zunächst um Klipps Angaben zur Berechnung der erlaubten Hausgröße nach dem Bebauungsplan, die – wie berichtet – falsch sind. Klipp hatte behauptet, sein Haus sei fünf Quadratmeter größer als laut Bebauungsplan erlaubt. Tatsächlich sind es – amtlich festgestellt – neun Quadratmeter, laut Potsdamer Grundstücksmarktbericht entspricht das einem Gegenwert von über 30 000 Euro.
Staatsanwaltschaft hat den Potsdamer Prüfbericht nicht berücksichtigt
Für die Staatsanwaltschaft Berlin spielte das keine Rolle, sie stellte am 15. September fest, es bestehe kein hinreichender Tatverdacht gegen Klipp. Ein Behördensprecher sagte: „Beweisthema war die Versicherung des Beschuldigten, dass er an der Baugenehmigung für das Privathaus stadtseitig nicht mitgewirkt hat und dass weder er noch seine Frau sich für die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans persönlich eingesetzt hat.“
Das Rathaus und der Springer-Konzern reagierten irritiert. Die Einstellung der Ermittlungen sei angesichts der Faktenlage nicht nachvollziehbar, hieß es. Springer will Beschwerde einlegen, wie den PNN bestätigt wurde. Denn die Staatsanwaltschaft hat den Prüfbericht des Rathauses in der Klipp-Affäre, der nun den Abwahlantrag zur Folge hat und Jakobs zu einem Disziplinarverfahren gegen Klipp veranlasste, offenbar nicht berücksichtigt.
Die zentrale Frage: Hat Klipp sein Amt missbraucht?
In dem Bericht wurde Klipp Einflussnahme auf die ihm unterstehende Baubehörde nachgewiesen. Das war auch für die Staatsanwaltschaft die zentrale Frage, wie sie in ihrer Einstellungsverfügung erklärte: Ob Klipp Einfluss genommen, also sein Amt missbraucht hat.
Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Berlin konnte am Freitag nicht mehr klären, ob der Prüfbericht aus Potsdam in den Ermittlungen eine Rolle spielte. In der Einstellungsverfügung wird er nicht erwähnt. Bei der Stadt Potsdam hat sich die Staatsanwaltschaft nicht gemeldet, um den Bericht anzufordern, wie es aus dem Rathaus auf Anfrage hieß. Ebenso interessierte die Ermittler offenbar nicht, dass Klipp einen Teil seiner Klagen gegen Springer zurückgezogen hat.
Rathaus hält daran fest: Klipp soll Stellung zu eigenem Vorteil genutzt haben
Die Stadtspitze hält jedenfalls daran fest, dass der 54-Jährige im November abgewählt werden soll. Die eingestellten Ermittlungen hätten keinen Einfluss auf den Abwahlantrag. Rathaussprecher Jan Brunzlow sagte, frühere Aussagen des Oberbürgermeisters blieben gültig.
Jakobs hatte am 9. September vor den Stadtverordneten erklärt, es bestehe der „dringende Verdacht“, dass Klipp „seine dienstliche Stellung zu seinem eigenen Vorteil ausgenutzt hat“ – und dass seine Aussagen zum Bau seines Privathauses „in Teilen unrichtig sind“. Dies sei nicht vereinbar mit der Ausübung des Amtes. „Ein Beigeordneter kann in seinen privaten Angelegenheiten nicht mit seiner eigenen Verwaltung und damit seinen eigenen Bediensteten über Genehmigungsverfahren verhandeln“, so Jakobs.
Klipp forderte in E-Mail "pragmatische Lösung" von seinen Mitarbeitern
Tatsächlich hat sich Klipp aktiv eingesetzt, das belegen von den internen Prüfern gefundene private E-Mails an seine Mitarbeiter. Darin schrieb Klipp beispielsweise, dass er bei seinem Hausbau eine „pragmatische Lösung“ erwarte. Klipp selbst war für die PNN am Wochenende nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Das Rathaus verbreitete am Freitag eine scharf formulierte Erklärung zu den eingestellten Ermittlungen. Ausschlaggebend sei, dass Klipp „mehrmals gegenüber der Öffentlichkeit, den Gremien der Stadtverordnetenversammlung und gegenüber dem Oberbürgermeister nicht wahrheitsgemäß informiert hat“. Klipp habe etwa nach Bekanntwerden der Vorwürfe beispielsweise „stets behauptet, sein Architekt habe alle Verhandlungen mit der Bauverwaltung allein geführt“. Doch im Rahmen der internen Untersuchung sei aufgedeckt worden, „dass er sehr wohl sein persönliches Bauvorhaben mit seinen Mitarbeitern intensiv besprochen hat“.
Weiter teilte die Stadt mit: Die „nachweislich falschen Behauptungen“ gegenüber den Stadtverordneten, dem Oberbürgermeister und der Öffentlichkeit hätten das Vertrauensverhältnis teils irreparabel beschädigt. Zudem soll Klipp früher als behauptet über die Probleme bei der Berechnung der erlaubten Hausgröße nach dem Bebauungsplan gewusst haben.
Die Mehrheit für die Abwahl steht - die Linke macht mit
Auch mehrere Stadtpolitiker - etwa von SPD und CDU - sagten den PNN , an ihrer Position, für eine Abwahl von Klipp zu stimmen, ändere sich nichts. Auch für die Linke, deren Zustimmung für die bei der Abwahl erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist, ist die Lage eindeutig Bauausschusschef Ralf Jäkel sagte den PNN: "Da muss ich nicht lange überlegen und werde zustimmen." Und Linke-Kreischef Sascha Krämer erklärte, Klipp "hat unser Vertrauen verspielt."
Über den Abwahlantrag sollen die Stadtverordneten entscheiden. Klipps Amtszeit endet eigentlich erst im Sommer 2017. Seit September 2009 ist er Baudezernent. Zuletzt war er immer mehr in die Kritik geraten, nicht nur wegen seines Hausbaus, sondern unter anderem auch wegen seines rüden Politikstils.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: