zum Hauptinhalt
Hat eine merkwürdige SMS an einen PNN-Redakteur geschickt: Matthias Klipp, Beigeordneter für Bauen in Potsdam.

© Manfred Thomas

Disziplinarstrafe für Potsdams Ex-Baubeigeordneten: Klipps mittelschwere Dienstvergehen

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) verhängt Disziplinarstrafe gegen Ex-Baubeigeordneten Matthias Klipp. Der kann noch bis Mitte Mai dagegen klagen.

Stand:

Ein Hungerlohn ist das nicht, der Einschnitt jedoch spürbar. Jedenfalls, wenn Matthias Klipp (Grüne), der frühere, über eine Hausbau-Affäre gestürzte Baubeigeordnete der Landeshauptstadt Potsdam, bis Mitte Mai keinen Widerspruch einlegt. Es geht um die Disziplinarstrafe, die Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gegen Klipp verhängt hat. Dessen Ruhegehalt, das der Grüne-Politiker bis September 2017 bezieht, soll nach PNN-Informationen ein Jahr lang um zehn Prozent gekürzt werden.

Was heißt das konkret, wie schmerzhaft sind die Abzüge für Klipp, der Potsdam über Jahre geprägt, sich durchgesetzt, sich aber auch mit seiner Art viele Feinde gemacht hat? Da hilft ein Blick in die Besoldungstabelle. Klipp war Beigeordneter ohne Stellvertreterfunktion in einer Stadt mit mehr als 150 000 Einwohnern, also in Besoldungsstufe B4. Nach der aktuellen Soldtabelle würde Klipp, wäre er noch im Amt, ein Grundgehalt von 7581,55 Euro brutto beziehen, zuzüglich Zuschläge für Kinder und weil er verheiratet ist.

Klipp drohen Abzüge seines Ruhegehalts von rund 600 Euro: Er kommt immer auf fast 5120 Euro brutto monatlich

Sein Ruhegehalt – er wurde erst beurlaubt, dann abgewählt – bis zum endgültigen Ausscheiden als Wahlbeamter, beläuft sich auf 75 Prozent der Grundbezüge. Das wären also derzeit knapp unter 5700 Euro brutto. Nach Abzug der Disziplinarstrafe blieben brutto immer noch fast 5120 Euro übrig. Aber ab 1. Juli steigt das Grundgehalt in der Besoldungsgruppe B4 auf 7740,76 Euro. Dann gibt es bei dem gekürzten Ruhegehalt noch einmal 100 Euro oben drauf, Kinder- und Familienzuschlag noch gar nicht eingerechnet.

Angesichts der Vorwürfe gegen Klipp mögen die Einschnitte manchem gering erscheinen. Konkret werden ihm mehrere mittelschwere Dienstvergehen und Verstöße gegen zentrale Pflichten von Beamten vorgehalten, etwa gegen die Treuepflicht, die Verschwiegenheitspflicht, die uneigennützige Amtsführung, die Wohlverhaltens- und Wahrheitspflicht. Und in vielen Fällen kommt Vorsatz hinzu, sich über diese Pflichten hinwegzusetzen.

Eigennützig: Klipp beeinflusste seine Mitarbeiter zugunsten seines Hausbaus

Für die Disziplinarmaßnahme wird übrigens weitaus mehr angeführt als Klipps Hausbau-Affäre. Klipp hatte – wie berichtet – sein Haus größer gebaut, als vom Bebauungsplan vorgesehen. Zu Fall brachte ihn aber etwas anderes: Dass er nämlich 2014 bei Mitarbeitern des von ihm geleiteten Fachbereichs per E-Mail und wochenends per Telefon versuchte, Einfluss zu nehmen, damit das Genehmigungsverfahren für seinen Hausbau schneller vorangeht. Beamte, auch Wahlbeamte wie Klipp einer war, sind aber im besonderen Maße zu einer uneigennützigen Amtsführung verpflichtet. Auch gilt für sie eine Wohlverhaltenspflicht, sie müssen sich gegenüber Kollegen im besonderen Maß redlich und ehrlich verhalten. Diese Pflichten hat Klipp, so das Ergebnis der von Jakobs verhängten Disziplinarmaßnahme, als Beamter mit der Einflussnahme bei seinen Untergebenen verletzt. Das Gleiche gilt für Auskünfte, die er über die Baupläne seiner Nachbarn verlangte.

Hinzu kommt eine Reihe weiterer Verstöße gegen die Dienstpflichten: Dazu zählt auch der Versuch, gegen die Berichterstattung der „Bild“-Zeitung über seine Hausbau-Affäre mit einer eidesstattlichen Versicherung und einstweiligen Verfügungen vor Gericht vorzugehen. Dabei hatte Klipp allerdings falsche Angaben gemacht, etwa, wann er über den Status nicht anrechenbarer Flächen für seine Hausgröße erfuhr – oder die Behauptung, sich nicht für Ausnahmen von den Vorgaben des Bebauungsplanes eingesetzt zu haben. Auch danach verstrickte sich Klipp immer weiter in Widersprüche und verstieß weiter gegen seine Pflichten. Etwa als er gegenüber Jakobs und den Stadtverordneten falsche Angaben über seine versuchte Einflussnahme im Genehmigungsverfahren für seinen Hausbau machte.

Zahlreiche Dienstverstöße, Widersprüche und Ausplaudern von Interna - die Liste mit Vergehen und Vorwürfen ist lang

Im Zuge des Disziplinarverfahrens sind Klipp noch weitere Dienstrechtsverstöße nachgewiesen worden. Etwa, dass er gegenüber Journalisten als Vorsitzender Interna aus dem Aufsichtsrat des städtischen Entwicklungsträgers Bornstedter Feld ausplauderte – und dies später sogar bestritt. Damals ging es um die Beratertätigkeit von Luftschiffhafenchef Andreas Klemund für einen Investor im Entwicklungsgebiet. Klipp hatte damals die Führung der Pro Potsdam kritisiert, die einen Prüfer auf den Fall Klemund ansetzte. Klipp fand den Umgang der Pro Potsdam mit den Vorwürfen gegen Klemund zu lasch.

Hinzu kommt ein weiterer Fall beim Entwicklungsträger. Dieser soll für die Stadt Potsdam als Treuhänder die Grundstücke im Bornstedter Feld an Investoren verkaufen, die dann dort Wohnhäuser bauen sollen. Klipp soll im November 2014 direkt in ein laufendes Bieterverfahren eingegriffen und einem von zwei konkurrierenden Investoren in einem vertraulichen Gespräch am Entwicklungsträger vorbei den Zuschlag für ein 1,4 Hektar großes Baugrundstück am Volkspark eigenmächtig erteilt haben, angeblich, damit der Stadt kein Schaden entsteht. In dem Gespräch handelte Klipp ein nachträgliches Gebot mit dem Bieter aus.

Kaum verwunderlich ist es, dass einer der größten Konflikte in der Stadtpolitik – der Streit um das Engagement von Springer-Vorstand Mathias Döpfner – auch in Klipps Disziplinarverfahren ein Rolle spielt. Aber nur am Rande, im Vergleich zu den anderen Verstößen wird dieser Vorgang als Fahrlässigkeit eingestuft: Es ging um einen Extra-Zaun, den die Stadt vor der Villa Schliefen aufstellte. Offiziell ging es um Sicherungsmaßnahmen, Stadtverordnete raunten sich aber auch zu, der Zaun sei eigens für Protest-Plakate von Anwohnern aufgestellt worden. Jedenfalls sollte Klipp den Zaun auf Weisung von Jakobs wieder abreißen lassen, sträubte sich aber und informierte Jakobs über den Fortgang auch noch falsch.

Jakobs hat vermutlich Disziplinarmaßnahme mit Klipp abgestimmt, um einen langen Rechtsstreit zu vermeiden

Insgesamt hat Oberbürgermeister Jakobs bei der Disziplinarstrafe eine pragmatische Lösung gesucht, mit der auch Klipp klarkommen dürfte. Jakobs Kalkül: Eine Klage Klipps vor dem Verwaltungsgericht und langwierige Verfahren vermeiden. Es ist davon auszugehen, dass die Disziplinarmaßnahme zuvor mit Klipp abgestimmt worden ist, rein rechtlich darf er finanziell nicht überfordert werden. Ohnehin wäre bei einer Klage erst in ein paar Jahren mit einer abschließenden Entscheidung zu rechnen. Daran hat wohl niemand Interesse, nicht Klipp, der einen beruflichen Neubeginn suchen muss. Und nicht Jakobs. Er kann mit der moderaten Kürzung des Ruhegehalts die Ära Klipp abschließen. Und auch der Neustart für den Nachfolger im Amt des Baubeigeordneten wird nicht in Mitleidenschaft gezogen durch personelle Altlasten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })