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PNN Autorin Steffi Pyanoe.

© Sebastian Gabsch PNN

PYAnissimo: Knoblauch für alle

Wo ist Griechenland hier in Potsdam, wenn nicht in der Handvoll Restaurants, die Athos, Syrtaki oder Paros heißen?

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Punkt 12 Uhr machen sie auf, wenige Minuten später sitzen die ersten Gäste auf der Terrasse. Die Nummern 899 bis 926 sind die Mittagskarte. „Pommes dazu?“, fragt die Chefin, die selbst bedient. „Das sind die Klassiker, auch in Griechenland.“ Da hat sie es doch gesagt, das Wort, das sie eigentlich nur noch nervt. Über Griechenland will sie nicht reden. Nicht einfach mal so mit den Gästen zwischen Gyros und Grillplatte und schon gar nicht mit jemandem von der Presse. Ständig bekommen sie Anrufe. Gern dürfen wir essen, aber ohne politisches Statement. „Das Restaurant ist unsere Existenz. Wenn das kaputtgeht, weil irgendjemand irgendetwas missversteht ...“, sagt sie und winkt ab. Nein, bitte, wirklich nicht. „Wenn Sie wissen wollen, was die Griechen denken, dann fahren sie nach Griechenland.“

Wo aber ist Griechenland hier in Potsdam, wenn nicht in der Handvoll Restaurants, die Athos, Syrtaki oder Paros heißen? Sie weiß es auch nicht. Es gebe nicht viele Griechen in Potsdam. Und wer und was sind denn überhaupt die Griechen? „Wir fühlen uns mehr als Deutsche“, sagt ein anderer Restaurantinhaber am Telefon. Und wiegelt ab. „In einer Woche ist alles vorbei.“ Das kann alles heißen, fällt einem hinterher auf.

Wer in Potsdam Griechenland sucht, landet unweigerlich bei der Baukunst. Die Stadt mit den vielen architektonischen Perlen kann so einiges vorweisen, was auf die Antike zurückgeht. Jede Menge klassizistischer Bauwerke und Landmarken in Schlossparks und Stadtbild. Aber was ist explizit griechisch? Die Praktikantin der Schlösserstiftung ist etwas ratlos. Spontan nennt sie die Kleine Neugierde, ein Tempelchen im Park Glienicke, direkt an der Straße. „Das ist griechischer Baustil“, sagt sie. Aber das Häuschen werde gerade restauriert und sei nicht zu sehen. Als Potsdamer fällt einem dann noch der Ruinenberg ein, Säulen und Mauerreste, die sich Friedrich der Große 1748 dekorativ vor die Haustür setzen ließ. Vielleicht damit er sich so wie im Süden fühlte. Und weil es damals als ausgesprochen schick galt, sich mit exotischem Plunder zu umgeben.

Im Vorgarten des griechischen Restaurants sitzt man unter deutschen Linden zwischen weißen Baumarktskulpturen, liebliche Frauengestalten in antiken Gewändern, bestimmt alles Göttinnen. Die gehören an diesen Ort wie die blau-weißen Stuhlkissen und Markisen. „Seit 17 Jahren sind wir hier, haben alles überstanden, Straßenarbeiten und was weiß ich“, sagt die Bedienung. Und es klingt so, als sei sie fest entschlossen, jedem wie auch immer gearteten Ausgang der Griechenlandkrise zu trotzen.

Dann kommt der Anisschnaps, und man erinnert sich an Witze, die gerade kursieren: „Jahrelang dachten wir, der Ouzo beim Griechen sei umsonst ...“ Jedenfalls taucht er nach wie vor nicht auf der Restaurantrechnung auf. Es ist voll geworden, hier sitzen Geschäftsleute, ein älteres Paar, eine kleine Familie, Touristen. Am Nachbartisch spricht man Englisch. Das Mittagessen ist günstig, deutlich unter zehn Euro. Ob da viel Knoblauch dran ist, will jemand wissen. Die Frage amüsiert die Chefin. „Das ist doch gesund“, sagt sie. Bei ihr esse jeder Knoblauch, ob er will oder nicht. Sie lächelt plötzlich. „Wir sitzen alle in einem Boot.“

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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