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Vorfahrer. Greg Lemond gewann dreimal die Tour de France – jetzt will er helfen, den Radsport zu retten.

© AP

Sport: Koalition der Willigen

Radsport-Initiative „Change Cycling Now“ macht Ernst im Kampf gegen Doping und Weltverband

Stand:

„Wenn wir den Radsport jetzt nicht ändern, dann ändern wir ihn nie. Jetzt haben wir die große Chance dazu.“ Mit diesen dramatischen Worten leitete Greg Lemond die Präsentation einer „Charta der Willigen“ ein, die die Initiative „Change Cycling Now“ Sonntag und Montag im Londoner Hilton erarbeitet hatte. Die Charta beinhaltet vier zentrale Forderungen für den Profiradsport: die Einrichtung einer unabhängigen Wahrheitskommission. Die Bestellung einer unabhängigen Untersuchungskommission zur Arbeit des Radsport-Weltverbands UCI. Die Organisation unabhängiger Dopingkontrollen. Und einen Kulturwandel innerhalb der UCI.

„Change Cycling Now“ setzt sich für eine „alternative Ausrichtung des Radsports“ ein und wirft dem Weltverband UCI gravierende Mängel bei der Organisation dieses Sports besonders in Hinblick auf die Antidopingpolitik vor. Die Reihen der UCI-Gegner sind prominent besetzt. Neben dem dreifachen Tour-de- France-Sieger Greg Lemond gehören dazu der Trainingswissenschaftler Antoine Vayer, der Rennstallchef Jonathan Vaughters und der Entwickler des Tests auf das Blutdopingmittel Epo, Michael Ashenden. Hinzu kommen kritische Radsportjournalisten, auch der Dopingkronzeuge Jörg Jaksche war Teilnehmer der Konferenz in London.

Einige der Forderungen von „Change Cycling Now“ sind schon länger im Umlauf. Der Rennorganisator ASO schlug nach der Fuentes-Affäre von der UCI unabhängige Dopingkontrollen vor. Doch dann verlegte er sich wieder ganz aufs Geldverdienen mit der Tour de France und bemühte sich, das Thema Doping gemeinsam mit der UCI totzuschweigen.

Im November bestellte die UCI eine Kommission, die die Geldgeschenke des siebenmaligen Toursiegers Lance Armstrong an den Verband untersuchen sollte. Es gibt den Verdacht, dass es sich um Gegenleistungen für eine großzügige Interpretation positiver Dopingtests handelte. Trotzdem bezweifelte der ehemalige Radprofi Jaksche, dass in der UCI ein Umdenken stattgefunden hat. „Die machen doch weiter wie bisher“, sagte er. „Der Bericht ist doch schon geschrieben.“

Ähnlich sah es Jaimie Fuller. Er kritisierte, dass die Kommission nicht von einer unabhängigen Instanz in ihre Aufgaben eingewiesen wurde und dass wesentliche Anschuldigungen gar nicht untersucht werden sollen. Der Radsportsponsor ging nach den Enthüllungen im Doping-Verfahren gegen Armstrong zum Frontalangriff auf die UCI über und gründete „Change Cycling Now“. Fuller fordert den Rücktritt von UCI-Präsident Pat McQuaid, „um dem Radsport Glaubwürdigkeit zurückzugeben“. Er strengte eine zwei Millionen Euro schwere Schadenersatzklage gegen McQuaid an und warf dem Iren zudem Einschüchterung von Sponsoren und Sportlern vor. „Wir brauchen eine Person, der die ganze Welt traut“, sagte Fuller.

Für einen Neuanfang an der UCI-Spitze wurde Greg Lemond in Stellung gebracht. „Wenn man mich fragt, dann mache ich das für einen Übergang“, sagte der US-Amerikaner. „Es gibt aber Leute, die geeigneter sind dafür. Es sollte jemand machen, der nicht aus dem Radsport kommt.“ Lemond schlug Michael Ashenden als langfristige Lösung vor. Der australische Wissenschaftler schält sich tatsächlich als eine Führungsfigur heraus und hielt in London eine staatstragende Rede. „Der Radsport braucht ein neues Fundament, eine neue Führung und eine gründliche Aufarbeitung“, erklärte er. „Unser Ziel ist es, dass der Radsport der erste Sport ist, bei dem Athleten gemeinsam mit den Verantwortlichen gegen Doping vorgehen.“ Um dieses Ziel zu erreichen, machte Ashenden sich für die sogenannte Wahrheitskommission stark. „Wir müssen das ganze Umfeld ändern“, forderte er. „Wir können das nicht tun, ohne zu wissen, wie der Dopingmechanismus in Gang gesetzt wurde. Wir brauchen die Fahrer dafür – mit einer Null-Toleranz-Politik kriegen wir sie nicht dazu.“

„Change Cycling Now“ mag formal keine Macht besitzen, doch die Initiative könnte verkrustete Strukturen und Denkweisen aufbrechen. „Erstmals seit den Jahren der Festina-Affäre bewegt sich im Radsport wieder etwas“, stellte Antoine Vayer fest. Er war Betreuer bei Festina, bis die Dopingpraxis des Teams 1998 aufflog. Danach wandelte er sich in einen Dopingkritiker und entwickelte eine Methode der Leistungsmessung, die Hinweise auf Doping gibt. „Hier treffen sich Leute, die um den Radsport besorgt sind“, sagte Vayer. „Es sind Leute, die handeln wollen und nicht nur quatschen.“Tom Mustroph

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