IHK-Affäre: Kohl geht – von selbst
UPDATE. Der nach Untreue-Vorwürfen vom Amt suspendierte Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Potsdam, René Kohl, tritt zurück. Er verzichtet auf Abfindung.
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Potsdam - In der Affäre um Vetternwirtschaft und Verschwendung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam hat der bisherige Hauptgeschäftsführer René Kohl seinen Rücktritt erklärt. Sein Dienstverhältnis mit der IHK Potsdam endet einvernehmlich und offiziell aus persönlichen Gründen Ende Juni. Er gebe keine Abfindung, teilte die IHK mit. Damit sollen langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden und zugleich eine neutral Aufklärung der Vorwürfe sichergestellt werden. Allerdings prüft die von der IHK mit der Aufklärung der Affäre beauftragte Potsdamer Anwalts- und Steuerberaterkanzlei Goldenstein auch Schadenersatzansprüche gegen Kohl.
Nach PNN-Informationen könnten noch weitere IHK-Mitarbeiter aus dem Umfeld des Ex-Präsidenten Victor Stimming ins Visier genommen und wegen der sogenannten Entscheiderhaftung mit Schadenersatzansprüchen konfrontiert werden.
Kohl werden schwerwiegende Verfehlungen vorgeworfen, die im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Stimming stehen sollen. Auch Kohl beschäftigt die Justiz, ein Verfahren gibt es aber noch nicht. Gegen Stimming ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam wegen Untreueverdachts. Kohl soll die umstrittenen Privilegien Stimmings, die sonst kein anderer der ehrenamtlichen Kammerpräsidenten in Brandenburg genoss, abgesegnet und durchgesetzt haben. Stimming ließ sich trotz der ehrenamtlichen Tätigkeit als IHK-Präsident einen Dienstwagen von der Kammer finanzieren, zudem soll er unrechtmäßig Beraterhonorare kassiert, auf Kosten der IHK eine Sekretärin in seiner eigenen Firma als Personalreferentin beschäftigt und der Firma seines Sohnes einen Beratervertrag für den Umbau der Villa Carlshagen zu einem Fortbildungszentrum verschafft haben. Zudem soll die IHK für Stimming für eine üppige, vom Kammerpräsidium bei einer Tagung in Malta im Sommer 2012 beschlossene Altersversorgung eine Rücklage von einer halben Million Euro angelegt haben. Die Rechnungsprüfer der IHK waren bereits im November fest davon ausgegangen, dass einige von den PNN aufgedeckte Details aus Stimmings seit 1995 währender Regentschaft strafrechtlich relevant sein könnten.
Zuvor hatte es über Monate in der größten Kammer Brandenburgs gebrodelt. Am Ende war die interne Kritik so stark, dass Stimming nicht mehr den Deckel draufhalten konnte. Nachdem das RBB-Politikmagazin „Klartext“ und die PNN über die Vorwürfe berichtet hatten, war der 62-Jährige im November zurückgetreten. Im Dezember war dann Hauptgeschäftsführer René Kohl suspendiert worden.IHK POTSDAM] IHK-Vizepräsidentin Beate Fernengel, die die Kammer kommissarisch führt, bezeichnete Kohls Rücktritt als zukunftsweisenden Schritt. Die lückenlose Aufklärung in Verbindung mit dem Rücktritt des IHK-Präsidenten hat bereits begonnen. Externe Wirtschaftsprüfer von der Kanzlei Goldenstein haben laut Fernengel jetzt die Arbeit aufgenommen. Parallel dazu fungiert die Kanzlei als Schnittstelle zur Staatsanwaltschaft und soll dabei auch mögliche zivil- und arbeitsrechtliche, aber auch strafrechtliche Konsequenzen prüfen.
Ein neuer IHK-Präsident soll im Mai von der Vollversammlung gewählt werden. Im April können sich Mitglieder der Versammlung für den Posten bewerben. Der neue Präsident wird auch über einen neuen Hauptgeschäftsführer mitentscheiden. Alexander Fröhlich
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