Landeshauptstadt: „Konjunkturpaket für Juristen“
Trotz Kritik von Rathauskooperation und Wirtschaft gilt eine Mehrheit für die Tourismusabgabe als sicher
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Bei Potsdams Händlern und Unternehmen fängt das große Rechnen erst an – im Stadtparlament kann die Zustimmung für die geplante Tourismusabgabe dagegen trotz Kritik aus der Wirtschaft und von mehreren Fraktionen der Rathauskooperation schon als sicher gelten. Sowohl SPD als auch Linke signalisierten ihre grundsätzliche Zustimmung zu dem Satzungsentwurf, den das Rathaus am Donnerstag vorgestellt hatte (PNN berichteten). Rot-Rot hat im Stadtparlament bekanntlich eine Mehrheit.
„Wir sind positiv überrascht“, sagte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg am Freitag den PNN. Er sprach von einer „nach meiner Ansicht stimmigen Satzung“. Auch wenn es in Detailfragen noch Diskussionsbedarf gebe, könne man „auf Grundlage dieses Verwaltungsentwurfes sichern, dass wir im Juni einem Beschluss fassen“, so der Linke-Fraktionschef. Von einer „vernünftigen Arbeitsgrundlage“ sprach auch SPD-Fraktionschef Mike Schubert. Was auf den ersten Blick bürokratisch wirke, „dient einer sinnvollen Differenzierung“, so Schubert.
Wie berichtet hatte die Stadt ein kompliziertes Regelwerk für die Touristenabgabe entworfen. Dabei wird das Stadtgebiet unter anderem in drei Zonen mit unterschiedlicher touristischer Relevanz eingeteilt. Wie viel ein Unternehmen künftig zahlt, soll aber nicht nur von der Lage, sondern auch von der Branche abhängen. Grundlage für die Berechnung der Abgabe ist der Umsatz des Unternehmens – nicht der tatsächliche Gewinn.
Bei Stadtführern etwa werden in der tourismus-intensivsten Zone 1 – darunter fällt laut Entwurf die Innenstadt, das Gelände um Schloss Sanssouci ohne das Krongut, der Hauptbahnhof sowie die Schwanenallee an der Glienicker Brücke – 100 Prozent der Einnahmen für die Berechnung der Tourismusabgabe veranschlagt, bei Restaurants und Imbissen immer noch 70 Prozent, bei Bäckern oder Antiquitätenhändlern 50 Prozent, bei Fleischern oder Biomärkten sechs Prozent, bei Friseurbetrieben gerade noch 0,5 Prozent. Der so ermittelte Betrag wird dann mit einem branchenspezifisch abgestuften Gewinnsatz, der sich zwischen einem und 33 Prozent bewegt, multipliziert. Von dem so berechneten Betrag sollen künftig 4,8 Prozent als Tourismusabgabe an die Stadt fließen – es sei denn, die Beitragssumme liegt unter zehn Euro. Dann wird sie nicht erhoben.
Bei Potsdams Unternehmern sorgten die Pläne am Freitag noch für viele Fragezeichen. Auf PNN-Anfrage zeigten sich einige sogar überrascht über die Stadtpläne – dass rund 15 000 Potsdamer Firmen von der neuen Abgabe betroffen sind, hat sich offenbar noch nicht überall herumgesprochen. Schon am Donnerstag hatten aber der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga sowie die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer angekündigt, rechtliche Schritte zu prüfen und eine Sammelklage anzustrengen.
Kritisiert wird vor allem, dass die Stadt mit der Tourismusabgabe den Parkeintritt für Sanssouci praktisch subventioniert. Hintergrund ist die Ankündigung der Schlösserstiftung, ab 2014 einen Pflichteintritt für Park Sanssouci einzuführen, wenn sich die Stadt nicht finanziell an der Parkpflege beteiligt. Eine Million Euro soll nun aus der Tourismusabgabe an die Stiftung fließen. Insgesamt rechnet die Stadt mit Einnahmen in Höhe von jährlich zwei Millionen Euro – allerdings auch mit Verwaltungskosten in Höhe von jährlich 260 000 Euro.
Eine neue Abgabe für die Parkpflege will beispielsweise Filmpark-Chef Friedhelm Schatz nicht zahlen: „Gegen einen Tourismusbeitrag grundsätzlicher Art habe ich nichts“, betonte er. Das Geld müsse dann aber in einen höheren Marketing-Etat für die Stadt fließen: „Dann haben alle etwas davon.“ Schatz warf der Stadt Schönrechnerei vor, wenn sie von zehn Millionen Euro touristischen Aufwendungen ausgeht: Denn den Löwenanteil machten nicht Gelder für Stadtmarketing oder den Potsdam Tourismus Service aus, sondern Etats einzelner Kultureinrichtungen wie das Hans Otto Theater – knapp fünf Millionen Euro – oder Nikolaisaal und Potsdam Museum mit jeweils gut einer Millionen Euro. „Das hat mit klassischem Stadtmarketing nichts zu tun“, so Schatz. Sollte es bei dem Parkeintritts-Beitrag bleiben, werde er rechtliche Schritte prüfen. Am vorgelegten Satzungsentwurf kritisiert er zudem „eine Reihe von großen Ungerechtigkeiten“.
Ungerecht behandelt findet sich auch Werner Gniosdorz. Der Konditormeister und Inhaber der Bäckerei Braune in der Friedrich-Ebert-Straße – laut Stadt die tourismus-intensive Zone eins – müsste künftig einen vierstelligen Betrag im unteren Bereich zahlen. Aber Touristen machten nur den kleinsten Teil seiner Umsätze aus, sagte der Bäckereichef den PNN: „Nicht umsonst machen wir im Sommer Betriebsferien.“ Wenn die Potsdamer in den Urlaub fahren, „gehen bei uns die Umsätze in den Keller“.
Auch in den Bahnhofspassagen sieht man die Abgabe kritisch: „Die Koppelung vom Parkeintritt an die Tourismusabgabe ist schwierig“, sagt Center-Managerin Jana Strohbach. Was das jetzt vorgestellte Papier der Stadt im Einzelnen für die Mieter bedeute, müsse in den kommenden Tagen erst noch ausgerechnet werden.
Als „Konjunkturpaket für Juristen“ kritisierte Potsdams FDP den Entwurf. Die liberale Fraktion lehne die Pläne nach wie vor ab, sagte Fraktionschef Johannes von der Osten-Sacken den PNN. Dass die Stadt sich an der Finanzierung der von den Ländern und dem Bund getragenen Stiftung beteilige, ohne politische Verantwortung oder ein Mitspracherecht zu haben, „geht gar nicht“. Auch Ute Bankwitz vom Bürgerbündnis lehnt die Pläne ab: Potsdams Unternehmen für den Parkeintritt zur Kasse zu bitten, „entbehrt jeglicher Logik“, sagte sie. Ablehnung hatte zuvor bereits die CDU signalisiert. Die Potsdamer Demokraten sprachen von einer „unsinningen Steuer“. Selbst die linksalternative Fraktion Die Andere ist gegen die Zahlung von Geld an die Schlösserstiftung, wie Fraktionsgeschäftsführer Lutz Boede sagte: „Die Stiftung muss darüber nachdenken, wie sie selbst Geld verdienen kann – zum Beispiel mit Gastronomie.“
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