ORTSTERMIN: Mitte-Diskussion ohne Kontroverse: Konsens und Leberkäs
PNN-Autor Marco Zschieck war beim Stammtisch der FDP Potsdam, es sollte um die Zukunft der Potsdamer Mitte gehen. Eine Kontroverse blieb aber aus.
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Potsdam - Einerseits war der Ort für eine Diskussion über Potsdams historisches Architekturerbe wie gemacht – mitten im Holländerviertel, dem erfolgreichen Sanierungsgebiet in der Innenstadt. Andererseits bot das Augustiner in der Mittelstraße, das bayerische „Gasthaus für Genuss und Seele“, auch reichlich Kontrastprogramm für einen Abend, der sich um die Wiedergewinnung der Mitte der preußischen Residenzstadt drehen sollte. Auf den Tischen Weißbiergläser und aus den Boxen zünftige Musi.
Eingeladen hatte die Potsdamer FDP, die sich jeden zweiten Mittwoch im Monat zum offenen Stammtisch trifft. Als Stargast des Abends sollte Ludger Brands, Architekturprofessor an der Potsdamer Fachhochschule, einen Impuls geben. Anschließend wollte man über Sanierungsziele, Gestaltungssatzung und das aktuell laufende Bürgerbegehren gegen den Verkauf kommunaler Grundstücke in der Mitte und gegen den Abriss von Fachhochschulgebäude, Hotel Mercure und Staudenhof-Wohnblock ins Gespräch kommen. Bevor es dazu kam, musste erst die zentrale Frage des Abends geklärt werden: „Wer hat den Leberkäs bestellt?“, so die Kellnerin im rot-weißen Dirndl.
Brands: Nachkriegsarchitektur hat flächendeckenden Schaden angerichtet
Stimmung kam im mit gut 25 Gästen reichlich besetzten Zimmer in der zweiten Etage rasch auf. Jedenfalls bei Brands: „Die Nachkriegsarchitektur hat flächendeckenden Schaden im Stadtbild angerichtet.“ Eine kleinteilige Struktur rund um Nikolaikirche und Landtag werde dem städtischen Raum erst wieder seine Urbanität zurückgeben. „Es ist mir unbegreiflich, dass man diese Dichte an Architekturgeschichte nicht wieder haben will“, bezog er sich auf die Forderungen des Bürgerbegehrens. Die Diskussion darüber sei häufig oberflächlich und werde mit Kampfbegriffen geführt, klagte Brands. Nun ja. Auch er war nicht gerade versöhnlich unterwegs.
Anschließend warf er nämlich den Unterstützern des Bürgerbegehrens vor, sich öffentlichen Raum für individuelle Interessen anzueignen. Er vermisse ein Konzept, wie eine kulturelle Nutzung des Fachhochschulgebäudes ökonomisch tragbar wäre. Es herrsche Versorgungsmentalität. „Es gibt so viele alternative Kulturprojekte, aber das scheint ja nicht zu reichen.“
Bei den Zuhörern, darunter auch Vertreter der Initiative Mitteschön, die sich für die möglichst originalgetreue Wiederherstellung des Vorkriegszustands einsetzt, fand Brand Zuspruch. Lediglich Jacqueline Krüger, bei der Kommunalwahl 2014 mit dem Slogan „Weniger labern, mehr machen“ angetreten, empfahl ihm, sich angesichts des hochemotionalen Themas selbst etwas zurückzufahren.
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