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Links und rechts der Langen Brücke: Kreuze für Potsdam

Michael Erbach gibt zu bedenken, dass es bei den Wahlen zum Bundestag und zum Landtag auch um Politik in Potsdam geht

Stand:

Die vier Kreuze, die die Potsdamer Wahlberechtigten an diesem Sonntag machen können, werden darüber mitentscheiden, wie künftig auf Bundes- und auf Landesebene Politik gestaltet wird. Die Bedeutung des Einzelnen erscheint dabei zunächst marginal, gerade bei der großen Politik . Dabei ist es gut zu wissen, dass die Ergebnisse der Bundes- und Landtagswahlen durchaus direkte Auswirkungen auf die politische Situation in Potsdam haben könnten. Über allem steht zunächst die Frage: Wem gehört die Stadt? Vor dem Wahltag kann die Frage leicht beantwortet werden: den Sozialdemokraten. Bei den letzten Wahlen holte Andrea Wicklein das Direktmandat, verwies Rolf Kutzmutz (Linke) und Katherina Reiche (CDU) in die Schranken. Bei den Landtagswahlen gingen beide Potsdamer Wahlkreise ebenfalls an die SPD. Matthias Platzeck setzte sich dabei gegen Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) durch, Klara Geywitz gewann gegen Anita Tack (ebenfalls Linke). Während Geywitz gute Chancen eingeräumt werden, ihr Direktmandat zu verteidigen, könnte Scharfenberg diesmal triumphieren, denn im Potsdamer Süden tritt nicht Ministerpräsident Platzeck für die SPD an – er kandidiert in der Uckermark –, sondern SPD-Kreischef Mike Schubert. Und dabei geht es für beide um viel. Scharfenberg braucht einen glasklaren Sieg, um sein angekratztes Image aufzupolieren. Die Isolation seiner Fraktion im Stadtparlament und innerparteiliche Querelen setzen dem Stadtfraktionschef der Linken zu – ein Sieg muss her, schon als Ausgangsbasis für den nächsten Wahlkampf: die Oberbürgermeisterwahl im kommenden Jahr. Schubert wiederum braucht mindestens den Achtungserfolg, damit SPD-Amtsinhaber Jann Jakobs nicht schon jetzt psychologisch unter Druck gerät – und Schuberts eigene Führungsrolle im Viererbündnis auf Stadtebene nicht ins Wanken kommt. Denn hinter SPD, Linke und CDU braut sich was zusammen. Am Sonntag könnten nämlich mit FDP und Bündnisgrünen zwei Parteien in den Landtag einziehen, was nicht ohne Folgen für die Stadtpolitik bliebe. Schon jetzt treten die Liberalen und die Grünen selbstbewusst in der Stadt auf, denn bei den Kommunalwahlen vor einem Jahr legten beide Parteien mächtig zu. Die FDP ist mittlerweile – zusammen mit der Familienpartei – auf Fraktionsstärke angewachsen, die Grünen hatten sogar das Vorschlagsrecht für den neuen Baubeigeordneten. Mit einer Landtagsfraktion im Rücken würden die beiden „Kleinen“ noch größer werden – die mediale Präsenz würde verstärkt, eine eigene Landtagsfraktion könnte professionelle Unterstützung für städtische Politik leisten, umgekehrt gäbe es einen Multiplikator, um liberales oder grünes Potsdamer Gedankengut auf landespolitischer Ebene zu platzieren. Für die politische Vielfalt und den Ideenstreit wäre dies sicherlich nützlich – und damit auch für die Stadt. Die Entscheidung über all diese Machtspiele treffen die Potsdamer mit ihren vier Kreuzen – hoffentlich oft.

Michael Erbach

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