Von Manuel Meyer: Kultur in Kurven und Kuppeln
Das spanische Avilés hat jetzt, was in Potsdam seit Jahren im Geheimtresor liegt: Einen „Niemeyer“
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Eigentlich hat das spanische Avilés alles, um Urlauber anzuziehen. Die mittelalterliche Innenstadt bezaubert mit schönen Arkaden-Gängen und hübsch verzierten Holzbalkonen. Stadtpaläste, Parkanlagen und das prachtvolle Theater Palacio Valdés lassen die glorreiche Vergangenheit ahnen. Noch heute ist Avilés, die drittgrößte Stadt Asturiens mit knapp 100 000 Einwohnern, der wichtigste Fischereihafen der Region. „Trotzdem denken die Leute bei Avilés immer noch an qualmende Hochöfen und Schwerindustrie“, bedauert Javier Arribas vom örtlichen Tourismusbüro. „Aber das wird sich schon bald ändern.“
Der Grund für die Aufbruchsstimmung lebt in Rio de Janeiro, ist im Dezember 103 Jahre alt geworden und gehört zu den weltweit berühmtesten Architekten unserer Zeit: Oscar Niemeyer. Der legendäre Erschaffer der brasilianischen Hauptstadt Brasilia, dessen Großvater aus Hannover stammte, schenkte der Region Asturien 2005 den Entwurf zu einer futuristisch-kurvigen Stahlbeton-Konstruktion. Anlass war das 25-jährige Bestehen des Prinz-von-Asturien-Preises, mit dem Niemeyer 1989 in der Sparte Kunst ausgezeichnet wurde. Als Standort wurde das strukturschwache Avilés ausgewählt. Direkt gegenüber der Altstadt, auf einer künstlichen Insel mitten im Fluss, weiht nun Ende März der spanische König Juan Carlos I. das Gebäude ein, das als „Internationales Kulturzentrum Oscar Niemeyer“ Hunderttausende Touristen und Architekturbegeisterte anlocken soll.
In Potsdam sind solche Träume bekannt – Wirklichkeit geworden sind sie jedoch nie. Auf dem Brauhausberg sollte einst das Niemeyer-Bad errichtet werden: Ein Freizeitbad in vier Kuppeln, die sich an den Berghang schmiegen. Bauherr sollten die Stadtwerke Potsdam sein, bei Chef Peter Paffhausen liegen die Niemeyer-Pläne bis heute im „Geheimtresor“ – und die Original-Zeichnungen des Architektur-Stars hängen gerahmt an den Wänden. Sogar die Baugenehmigung für das Niemeyer-Bad war im Spätsommer 2005 bereits erteilt, doch begonnen wurde nie: Das Land – insbesondere das CDU-geführte Wirtschaftsministerium – verwehrte nach monatelangem Taktieren die Förderung mit EU-Mitteln. Der offizielle Grund: Die besondere Architektur rechtfertige nicht die höheren Kosten für Bau und Betrieb. Weitergekommen ist Potsdam in Sachen Schwimmbad-Neubau allerdings bis heute auch nicht: Erst vor wenigen Tagen verkündeten die Stadtwerke, dass alle bisherigen Entwürfe für den Neubau, der jetzt im Bornstedter Feld den Anforderungen nicht genügten. Auch sei das Budget von 18 Millionen Euro zu knapp. Das Niemeyer-Kuppelbad sollte damals 38,5 Millionen Euro kosten – 28 Millionen Euro Förderung sollte das Land weiterreichen, 10,5 Millionen Euro die Stadtwerke bezahlen.
Über Kosten debattiert man in Spanien offenbar nicht mehr – nur über den Gewinn: „Das Niemeyer-Zentrum ist wie ein Sechser im Lotto“, sagt Javier Arribas vom Tourismusbüro in Avilés. Er geht davon aus, dass das architektonische Juwel Besucher ähnlich magnetisch anziehen wird wie das Guggenheim-Museum in Bilbao. In dem multidisziplinären Kulturzentrum wird es Konzerte, Opern, Theater, Kino, Vorträge und Ausstellungen geben. Und der „Niemeyer-Effekt“ funktioniert bereits. Als einer der ersten besuchte Hollywood-Star Brad Pitt die Bauarbeiten des spektakulären Kulturzentrums. „Brad würde gerne bei der ein oder anderen Architektur- und Design-Ausstellung mit uns zusammenarbeiten“, versichert der Leiter des Zentrums Natalio Grueso. Der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho hat öffentliche Lesungen versprochen, Schauspieler Kevin Spacey wird als Leiter des Londoner Old Vic Theatre dort Theaterstücke produzieren.
Potsdam hat sich von seinen Niemeyer-Plänen auch nach mehr als sechs Jahren nicht vollständig verabschiedet. Stadtwerke-Chef Paffhausen hätte den Entwurf längst verkaufen können – getan hat er es nicht. mit Sch
Manuel Meyer
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