
© A. Klaer
Interview: „Kürzungen führen zu Steuerrückgang“
Der designierte Präsident der Universität Potsdam, Oliver Günther, über die Sparauflagen für Hochschulen
Stand:
Herr Günther, die Messen scheinen gesungen, es soll im Land Brandenburg bei den Kürzungen im Hochschulbereich bleiben. Sie treten im Januar als neuer Präsident der Universität Potsdam an. Wie können Sie damit leben?
Ich habe in dieser Sache noch nicht aufgegeben. Ich möchte an die neue Steuerschätzung erinnern: Nach Abzug des Kommunalanteils verbleibt ein Einnahmeplus von mindestens 80 Millionen Euro. Das ist knapp ein Prozent des brandenburgischen Gesamthaushaltes. Das müsste an die Hochschulen wenigstens anteilig durchgereicht werden, was zu einer direkten und signifikanten Reduktion der geplanten Kürzungen führen würde. Mehr noch, die erhöhte Steuerschätzung müsste eigentlich überproportional durchgereicht werden, da es bei den Hochschulausgaben um Investitionen geht und nicht um konsumtive Ausgaben.
Also Investitionen statt Kürzungen?
Viel zu wenig berücksichtigt wird bei der Diskussion, dass Investitionen, die heute in die Hochschulen getätigt werden, mittel- bis langfristig zu höheren Steuereinnahmen des Landes führen werden. Ein kleiner Teil der Ausgaben wird sogar sofort kompensiert, da zusätzliche Studierende ja selbst einen Wirtschaftsfaktor darstellen. Viel wichtiger aber: Wenn auch nur ein Teil dieser Studierenden nach ihrem Abschluss als qualifizierte Arbeitnehmer oder Selbstständige im Land bleiben, kommt es zu Nettozuwächsen beim Steueraufkommen. Die Kürzungen heute mögen manchen als Zeichen von scheinbarer Sparsamkeit beeindrucken, zerstören aber Strukturen in den Hochschulen und führen mittelfristig sogar zu weniger Steuereinnahmen.
Kürzungen wären also kontraproduktiv?
Genau. Es muss investiert werden. Es würde sich um eine Investition im betriebswirtschaftlichen Sinne handeln. Heute müsste man für die Hochschulen jährlich zwölf Millionen Euro zusätzlich einstellen, dafür bekäme man aber in fünf bis zehn Jahren deutlich mehr als zwölf Millionen Euro pro Jahr zurück.
Welche Chancen verspielt Brandenburg durch die Kürzungen?
Die Landesregierung hofft, dass die Verknappung der Mittel nicht zur Reduktion der Studienplätze führt. Aber das wird so nicht möglich sein. Es wurden in den letzten Jahren Studienplatzkapazitäten aufgebaut, ohne zusätzliche Mittel in die Lehre zu investieren. Die Studienbedingungen sind teilweise bereits jetzt ziemlich schlecht. Insofern muss über die Anzahl der Studienplätze nachgedacht werden, um diesen Qualitätsverlust umzukehren. Kürzungen an dieser Stelle werden die Zahl der qualifizierten Arbeitnehmer im Land senken und damit, wie gesagt, auch die Steuereinnahmen.
Welche Folgen sehen Sie für den Wissenschaftsstandort?
Ich habe Verständnis dafür, dass eine Landesregierung eine primär allgemeinpolitische und haushaltspolitische Perspektive einnimmt. Aber man muss auch sehen, dass die wissenschaftspolitische Schwerpunktsetzung bei einer Kürzung von fünf Prozent in Gefahr gebracht wird. Denn das bedeutet praktisch die Hälfte der flexiblen Gelder wegzustreichen – 90 Prozent der Mittel sind bei einem so großen Tanker wie einer Universität fest, zehn Prozent disponibel. Die Hälfte der flexiblen Mittel wegzunehmen, bedeutet für forschungsorientierte Hochschulen eine extreme Unbeweglichkeit. Aber wie gesagt, Bildungsinvestitionen sind nicht nur wissenschaftspolitisch zu sehen, sondern insbesondere auch arbeitsmarktpolitisch und damit wiederum haushaltspolitisch.
In Berlin werden die Hochschulen nicht angetastet. Entsteht hier eine Schieflage?
Bildung und Wissenschaft wurden in den Berliner Koalitionsvereinbarungen hochgehalten. In Berlin setzt man weiter auf diese Priorität, ungeachtet der seltsamen Teilung von Wissenschaft und Forschung. Entscheidend ist, dass von Haushaltskürzungen in diesem Bereich in Berlin keine Rede sein kann. Dies ist natürlich auch ein Wettbewerbsnachteil für Brandenburg.
Was bedeuten die Kürzungen für die Universität Potsdam?
Wir müssen sicherlich auch hier über die Studienplatzzahlen nachdenken, um die Qualität der Lehre zu sichern. Es muss auf jeden Fall vermieden werden, das Fächerspektrum signifikant zu verengen. Im Gegenteil wollen wir mit der Jüdischen Theologie das Spektrum sogar noch verbreitern. Ansonsten muss man nach Verabschiedung des Haushaltes noch mal genau nachrechnen und die einzelnen Fachgebiete analysieren. Studiengänge, bei denen die Nachfrage niedriger ist als das Studienplatzangebot führen immer zu Fragezeichen. Da muss man dann fragen, ob die strategische Relevanz eines Fachgebiets so hoch ist, dass eine Unterauslastung gerechtfertigt ist.
Wie stehen Sie zu dem Vorhaben, an der Potsdamer Universität eine Fakultät für Jüdische Theologie zu errichten?
Ich begrüße diese Initiative des Abraham Geiger Kollegs ausdrücklich, auch die positive Reaktion von Seiten der Landesregierung stimmt mich zuversichtlich. Ich würde mich sehr freuen, wenn es uns gelingt, dieses Projekt erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Es ist aber klar, dass aus Bordmitteln keine Finanzierung erfolgen kann.
Sie haben hochgesteckte Ziele für die Potsdamer Uni. Müssen Sie diese nun gleich zu Amtsantritt wieder beerdigen?
Nein. Wir müssen das Fächerspektrum aufrechterhalten, um im Konzert der großen deutschen Universitäten mitreden zu können. Andererseits geht es aber auch um die Aufrechterhaltung der Qualität in Forschung und Lehre. Das wird gegebenenfalls eine Reduktion der Studienplätze bedingen, so sehr ich das bedauern würde. Die Spitzenbereiche der Uni sind auf gutem Kurs und werden sich sicher auch in Bezug auf Drittmittel weiter nach oben bewegen. Von dem langfristigen Ziel, zu den Exzellenzunis aufzuschließen, möchte ich nicht abrücken. Aber das wird Kurskorrekturen erforderlich machen, wenn die Landesmittel auf Dauer gekürzt werden.
Helfen die Hochschulpaktmittel weiter?
Dass die Mittel aus dem Bund-Länder-Hochschulpakt immer wieder als Kompensation für Einsparungen angeführt werden, ist keine valide Argumentation. Diese Mittel sind für die Sicherung der Qualität der Lehre bei temporärer Überlast gedacht und nicht um Haushaltslöcher zu stopfen.
Können Sie verstehen, dass man bei den Kürzungen für freie Schulen jetzt nachgibt, bei den Hochschulen aber hart bleibt?
Das ist Realpolitik. Ich gönne den freien Schulen den Erfolg, die haben taktisch klug operiert und sind so weiter gekommen. Ich würde mir wünschen, dass die Hochschulen nun ähnlich aktiv werden und auf den letzten hundert Metern doch noch den Rückstand einholen. Für den heutigen Freitag ist ein Gespräch der Hochschulrektoren mit Finanzminister Markov geplant. In der kommenden Woche gibt es eine Podiumsdiskussion des SPD-Wissenschaftsforums an der Universität Potsdam. Da werden wir unsere Sichtweise noch einmal klar nach außen kommunizieren.
Die Konsequenzen der Sparmaßnahmen scheinen in der Öffentlichkeit noch nicht ganz verstanden worden zu sein.
Es wird von Seiten der Landesregierung immer wieder versucht, die Mittel zu kürzen, ohne die Studienplatzzahlen herunterzufahren. Aber das ist einfache Arithmetik, dass das nur funktioniert, wenn jeder Studienplatz weniger kostet, was sich natürlich in der Qualität widerspiegeln wird. Man kann nicht mit fünf Prozent weniger Personal die gleiche Studienqualität aufrechterhalten.
Wie sieht Ihr Masterplan für 2012 aus?
Erstens werden die Schwerpunktbereiche, die meine Vorgängerin Sabine Kunst eingerichtet hat, turnusgemäß evaluiert, um zu sehen, ob die Erwartungen erfüllt oder übertroffen wurden, oder wo es Nachsteuerungsbedarf gibt. Zweitens planen wir Maßnahmen, um mehr DFG-geförderte koordinierte Programme in Potsdam anzusiedeln. Drittens planen wir, als Pilothochschule die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Promotion baldmöglichst umzusetzen. Ansonsten werden sich möglicherweise Maßnahmen direkt aus der Haushaltslage ergeben. Da muss man gegebenenfalls auf die Sachzwänge reagieren.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
Podiumsdiskussion am 6. Dezember, 17.30 Uhr: Brandenburgische Hochschulpolitik: Weg vom letzten Platz in Deutschland? Uni Potsdam, Campus Griebnitzsee, Haus 6, Hörsaal H03.
Oliver Günther wurde am 28. September zum zum Präsidenten der Universität Potsdam gewählt. Er wird sein Amt zum Jahresbeginn 2012 antreten.
Bereits im Vorfeld setzt er sich bei der Landesregierung Brandenburgs für eine Rücknahme der Sparziele für die Landeshochschulen ein.
Günther ist derzeit noch Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist seit 1993 Professor für Wirtschaftsinformatik. Auch ist er IT-Strategieberater und war an mehreren Unternehmensgründungen beteiligt.
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