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Zerfallene Mauern. Die Altstadt von Küstrin lässt in der zerstörten Barockfestung noch Spuren seines preußischen Erbes erkennen.

© Theo Heimann/dapd

Landeshauptstadt: Küstrin ist ein Ort voller Geschichte

Auf früherer Festung am polnischen Oder-Ufer beginnt die zweite Etappe der Sanierung

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Küstrin - An der Festungsmauer am Oder-Ufer in der polnischen Grenzstadt Kostrzyn - dem früheren Küstrin - sind Gerüste aufgebaut. Arbeiter bessern zwischen den früheren Bastionen Philipp und Brandenburg die aus Ziegelsteinen bestehende Außenmauer aus, die einst die 1945 zerstörte Altstadt von Küstrin umgab. Auch die Brücke über den alten Festungsgraben am Kietzer Tor wird saniert. Auf den Resten der heute zu Polen gehörenden Festung rund 80 Kilometer östlich von Berlin hat die zweite Etappe der Sanierung begonnen.

Dafür werden 2,5 Millionen Euro hauptsächlich aus Mitteln der EU eingesetzt, wie ein Schild verkündet. Insbesondere sollen die Innenräume der Bastion Philipp – einer von einst sechs Festungsbastionen – saniert werden. In den historischen Kasematten wird nach Angaben des Festungsmuseums in Zukunft eine Ausstellung über die Geschichte von Festung und Altstadt informieren.

In einer ersten Etappe waren in den vergangenen Jahren bereits die Außenanlagen an der Bastion Philipp samt dem benachbarten Kietzer Tor sowie das an der gegenüberliegenden Seite der Festung nahe der Grenzbrücke gelegene Berliner Tor mit EU-Mitteln saniert worden. Die polnische Stadtverwaltung nennt das „Revitalisierung“. Die Ansichten, ob das auch als polnisches Pompeji bezeichnete Ruinengelände nur in Ordnung gebracht, oder die zerstörte Küstriner Altstadt wieder aufgebaut werden soll, gehen aber auseinander. „Ich möchte, dass alles so bleibt, wie es ist, mit Werterhaltungen natürlich“, sagt der deutsche Gästeführer Klaus Ahrendt, der eine Tourismusinformation am Kietzer Tor betreibt. Mehrmals monatlich führt er Besucher durch die einstige Altstadt, in der nur noch Kopfsteinpflaster und Häuserfundamente sowie wieder aufgestellte zweisprachige Schilder den Verlauf von Straßen und Gassen erkennen lassen. Jeder Deutsche sollte einmal hier herkommen, um zu sehen, wie eine Stadt nach einem Krieg aussieht, sagt der 45-Jährige. Auch James Brown, ein Tourist aus Jackson im US-Staat Mississippi, sagt bei seinem ersten Besuch in der zerstörten Altstadt, die Anlage sollte so bleiben, wie sie ist. „Das Ganze hat ein gewisses Ambiente“, staunt der 68-Jährige, der begeistert den Katte-Wall über dem Oderufer erklimmt. Die Touristen könnten hier „eine tote Stadt“ besichtigen.

Anderer Meinung ist Andrzej Talarczyk, Germanistik-Wissenschaftler von der Universität Szczecin (Stettin). „Ich würde begrüßen, wenn das hier wieder aufgebaut wird, hier zeigt sich ja gesamteuropäische Geschichte“, sagt der Pole, der sich eigenen Angaben zufolge gut in der Grenzregion auskennt. Vor 50 Jahren sei so etwas sicher noch nicht denkbar gewesen. Aber heute sollte das machbar sein. „Die Zeit ist reif“, sagt Talarczyk.

Allerdings dürfte ein Wiederaufbau ohnehin am Geld scheitern, wie schon Versuche zeigten, einen Investor für das ebenfalls nur in den Grundmauern erhaltene Schloss zu finden. In der Küstriner Altstadt habe sich die Natur ihr Recht wiedergeholt, sagt Ahrendt nicht nur mit Blick auf die überall wachsenden Büsche und Bäume. Hier gebe es Rehe, Wildschweine und Füchse – vor allem aber viel Geschichte.

So erzählt der Gästeführer Touristen, dass Küstrin einst Hauptstadt der Neumark war, durch das Berliner Tor – wo es heute eine kleine Ausstellung mit Funden aus der Altstadt gibt – die Straßenbahn fuhr und dass im vergangenen Jahr vor dem früheren Schloss der Sockel des 1903 vom Kaiser eingeweihten Denkmals für Markgraf Johannes von Brandenburg wieder aufgestellt wurde. Einige Meter weiter erinnert eine Tafel daran, dass 1730 Kronprinz Friedrich auf der Festung der Hinrichtung seines Freundes Hans Hermann von Katte zuschauen musste. Das Festungsmuseum plant, hier einen Ort der Erinnerung an die Tragödie zu gestalten. Es laufen Gespräche, auch mit Nachfahren Kattes, wie das aussehen könnte.

Jörg Schreiber

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