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Landeshauptstadt: Lahmgelegt

Bombe im Zentrum von Potsdam entschärft / 3000 Menschen mussten Häuser verlassen / Hauptbahnhof evakuiert

Stand:

Innenstadt - Schon wieder. Ordnungsamtsmitarbeiter Ernst-Dieter Schiemann hat das alles schon 14 Mal gemacht. So oft ist er bereits von Tür zu Tür gegangen, hat geklingelt und Potsdamer aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen, weil irgendwo in der Stadt eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden musste. Gestern ging er zum 15. Mal los. An der Alten Fahrt hatte ein Baggerfahrer auf der Baustelle an der Langen Brücke gegen 11.30 Uhr eine britische Bombe aus der Erde gehoben. Gegen 19 Uhr wurde sie schließlich von Hans-Jürgen Weise vom Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Brandenburg entschärft. Zuvor lag Potsdams Innenstadt lahm, die gesperrte Lange Brücke verursachte ein Verkehrschaos.

Schon eine halbe Stunde nach dem Bombenfund kam bereits der Krisenstab von Stadtverwaltung, Polizei und Feuerwehr zusammen, um die weiteren Schritte zu beraten. Klar war, dass die Bombe sofort entschärft werden musste. So lautete das Urteil von Hans-Jürgen Weise: „Sie ist zu dicht am Brücken-Fundament und optisch in sehr gutem Zustand.“ Die Gefahr erhöhte sich weiter, weil die Bauarbeiter die Bombe versehentlich bewegt hatten.

Ein Sperrbereich von 500 Metern rund um die Bombenfundstelle musste geräumt werden. Betroffen waren Hauptbahnhof, Filmmuseum, Hotel Mercure, Bibliothek, Restaurants, Läden, Banken und vor allem die Wohnungen von rund 2000 Potsdamern. Etwa der gesamte Plattenbaukomplex an der Burgstraße.

Rund 20 Polizisten sperrten das Gebiet ab. Ausnahmen gab es keine. Insgesamt 3000 Menschen mussten die Potsdamer City verlassen. Andere wollten nach einem Potsdam-Ausflug wieder nach Berlin fahren. Aber ab 16 Uhr standen am Bahnhof alle Züge still. Betroffen waren zehntausende Touristen und Berufspendler, die täglich zwischen Potsdam und Berlin verkehren. Die Bahn wollte zumindest versuchen einen Bus statt der Regionalbahn zwischen Wannsee und Werder fahren zu lassen, erklärte Bahnsprecher Burkhard Ahlert. Allerdings berichteten Betroffene den PNN, dass vor Ort keine Busse standen, sie stundenlang warten mussten. Auch für die ausgefallene S-Bahn konnte kein Ersatz mehr besorgt werden, sagte Unternehmenssprecher Ingo Priegnitz. „Wir können nur versuchen, unsere Kunden offensiv zu informieren.“ Stress hatte deswegen auch die Mitarbeiter in der Taxi-Zentrale Potsdam. Zwischen 14 und 19 Uhr hätten die Telefone „durchgeklingelt“. Und länger und länger seien die Wartezeiten geworden, weil auch viele Taxis nicht mehr durch den blockierten Verkehr gekommen seien, so eine Angestellte: „Ich habe hier schon bei vielen Entschärfungen gearbeitet, aber so schlimm war es noch nie.“ Auch die Polizisten an den rot-weißen Absperrbändern mussten Passanten immer wieder erklären, was passiert war.

Um die Situation besser zu beherrschen, rief die Stadtverwaltung gegen 13 Uhr ihre Mitarbeiter auf, bei der Evakuierung zu helfen. Rund 150 von ihnen versammelten sich gegen 14 Uhr am Staudenhof gegenüber der Bibliothek. Auch Ernst-Dieter Schiemann aus dem Ordnungsamt. Gegen 15.30 Uhr klingelten er und ein Kommando von zehn seiner Kollegen, gekleidet in neongelben Warnwesten, die ersten Anwohner in der Yorckstraße aus ihren Wohnungen. „Wir müssen sie leider auffordern ihre Wohnungen zu verlassen.“ Die meisten folgten der Anweisung ohne Proteste. Wer nicht in der Lage war, selbstständig zu gehen, wurde mit einem Krankentransport abgeholt und in die provisorische Aufenthaltsstelle in der Rosa-Luxemburg-Schule am Ende der Burgstraße gebracht. 50 Feuerwehrleute inklusive der Freiwilligen Feuerwehr waren dafür im Einsatz.

In der Rosa-Luxemburg-Schule warteten auch die 20 Angestellten des Hotels Mercure auf das Ende der Entschärfung. „Sie müssen ja noch vor unseren Gästen wieder im Hotel sein“, erklärte Hoteldirektor Robert Strohe. Zuvor waren sie kurz nach 15 Uhr an 149 Zimmertüren geklopft, um die Gäste zu bitten, das Haus zu verlassen. Ein Großteil sei aber ohnehin unterwegs gewesen. Den Rest hätten sie in die Cafés der Innenstadt geschickt, sagte Strohe. Sowieso verkauften Lebensmittelhändler rund um den Platz der Einheit gestern auffällig viele Waren, überall standen Menschen und warteten auf Bahnen. „Es ist schwierig, wenn eine zentrale Achse unseres Betriebs abgetrennt ist“, sagte Stefan Klotz, Sprecher der Verkehrsbetriebe Potsdam. Selbst bei den einsatzfähigen Linien nach Babelsberg kam es zu Verspätungen, die Trams waren wesentlich voller als sonst. Erst 19.06 Uhr kam der befreiende Ruf von einem Ordnungsamtsmitarbeiter an der bis dato gesperrten Friedrich-Ebert-Straße: „Hier ist wieder frei.“ Bei seiner fast 400. Bombenentschärfung hatte Hans-Jürgen Weise seine lange Erfahrung in seinem Job bewiesen.

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