Landeshauptstadt: Landstedt gegen Landauer?
Der bizarre Streit um die Matrosenstation Kongsnaes am Ufer des Jungfernsees
Stand:
Berliner Vorstadt - Ein Stück Norwegen in Potsdam – so bewirbt der Förderverein Kongsnaes die drei Holzhäuser, die recht unscheinbar am Ufer des Jungfernsees stehen. Ein wenig verfallen sehen sie aus, ganz anders als die schmucken Villen links und rechts entlang der Schwanenallee. Doch die ehemalige Königliche Matrosenstation, errichtet 1891 nach Plänen des norwegischen Architekten Holm Hansen Munthe, weckt ungeahnte Begehrlichkeiten. Seit mehr als einem Jahr will die Stadt die Kongsnaes-Häuser verkaufen, doch die Entscheidung, wer den Zuschlag bekommen soll, fällt offenbar schwer. Warum? Das ist nicht leicht zu durchschauen. Fest steht nur eines: Es gibt Irritationen, auf allen Seiten.
Da sind zunächst die beiden Kaufinteressenten: die Landstedt Kongsnaes GbR, getragen von vier Potsdamer Gesellschaftern, und die Einzelbewerberin Adele Landauer. Die Landstedt GbR hat sich bereits vor gut einem Jahr im Rahmen der Ausschreibung der Stadt um die Matrosenstation beworben – und seitdem zumeist Stillschweigen über ihr geplantes Engagement bewahrt. Denn es sah lange so aus, als würde ein sehr potenter Mitbewerber zum Zuge kommen: der Insolvenzrechtler Jörg Zumbaum. Der Skandinavien-Fan soll der Stadt nach PNN-Informationen angeboten haben, die Matrosenstation zu sanieren, dafür eine Stiftung zu gründen und die völlig zerstörte Ventahalle direkt am Seeufer wieder aufzubauen. Der Förderverein Kongsnaes sah in Zumbaum sogar schon seinen „Traumprinzen“ gekommen – doch der Traum war schnell zerplatzt wie eine Seifenblase. Wegen der Sanierung der Villa Gericke am Fuße des Pfingstbergs gab es Turbulenzen zwischen dem Bauherren und der städtischen Bauverwaltung mit dem Ergebnis, dass Zumbaum und seine Ehefrau ein weiteres Engagement in Potsdam verwarfen.
Doch Zumbaum war ja nicht der einzige Bewerber um das Stück Norwegen – nach seinem Ausstieg war nun plötzlich die Landstedt GbR im Spiel. Hinter ihr stehen zwei Potsdamer Ehepaare, die sich gegenüber den PNN nun erstmals öffentlich zu ihren Plänen und den Vorgängen um die Matrosenstation äußern: Markus und Martina Engel-Fürstberger und Andreas und Anja Krystohsek. Sie wollen Kongsnaes denkmalgerecht sanieren, zu einem Gästehaus mit 18 Appartements ausbauen – für 2,8 Millionen Euro, ohne Fördergelder.
Doch ob es dazu kommt, ist unklar. Denn nachdem Bewerber Zumbaum sich aus der Ausschreibung zurückgezogen hatte, wurde hinter verschlossenen Türen zunächst kontrovers diskutiert: Soll die aktuelle Ausschreibung geschlossen werden, sollte die Stadt mit einer neuen Ausschreibung weitere Kaufinteressenten suchen? Dafür sprach offenbar für manchen ein neues Angebot, das erst im Juni dieses Jahres bei der Stadt einging: Die Schauspielerin und Unternehmerin Adele Landauer ist nach eigenen Angaben bei einer Fahrt mit der nachgebauten Yacht „Royal Louise“ – das Original hatte einst seinen Liegeplatz direkt an der Matrosenstation – auf die Kongsnaes-Häuser aufmerksam geworden. Sie habe mit Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gesprochen, mit dem Vorsitzenden des Vereins „Royal Louise“ und sei ermuntert worden, doch ein Angebot für die Matrosenstation einzureichen. Dass die Angebotsfrist der offiziellen Ausschreibung bereits am 30. Oktober 2006 beendet war, schien dabei niemanden zu interessieren. Landauer sagt sogar, ihr sei von Jakobs in Aussicht gestellt worden, dass neu ausgeschrieben werde – sie solle derweil Lobbyarbeit betreiben. So habe sie ihr Konzept für die Matrosenstation in der Fraktion der Bündnisgrünen in der Stadtverordnetenversammlung vorgestellt, so Landauer, und auch mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Mike Schubert gesprochen und mit Vertretern der Linken.
Gereicht hat das offenbar nicht. Im Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung vor gut einem Monat stand die Ausschreibung für Kongsnaes auf der Tagesordnung des nicht-öffentlichen Teils. Doch statt einen Beschluss zu fassen, sollen die Stadtverordneten auf Nachfrage des Oberbürgermeisters lediglich ihre Meinung zum Thema geäußert haben. Mehrheitlich, so sagte Jakobs später, seien sie gegen eine neue Ausschreibung gewesen – und damit auch gegen seine Position. Doch der Oberbürgermeister fügte sich offensichtlich der Mehrheitsmeinung: Er soll verkündet haben, dass Kongsnaes nunmehr an die Landstedt GbR der Familien Engel-Fürstberger und Krystohsek verkauft werde.
Noch vor einem Monat konnte sich das Quartett also ziemlich sicher sein, den Zuschlag zu bekommen – trotz des nachgereichten Angebots von Adele Landauer.
Das sieht allerdings nun wiederum ganz anders aus. Denn die SPD-Stadtspitze will jetzt die Kommunalaufsicht des Innenministeriums einschalten: Sie soll prüfen, ob das Ausschreibungsverfahren rechtens ist und der Zuschlag erteilt werden kann. Ein Grund dafür: Die Landstedt GbR bietet 300 000 Euro für Kongsnaes, Adele Landauer will 60 000 Euro mehr zahlen.
„Wir sind irritiert von dem, was hier passiert“, sagt Markus Engel-Fürstberger stellvertretend für die Landstedt GbR. Sie seien angetreten im Vertrauen darauf, dass es ein ordnungsgemäßes Verfahren gebe – und ein ordentliches Gutachten, mit dem der Verkehrswert der Matrosenstation ermittelt wurde: 300 000 Euro. „Wir gehen davon aus, dass alles korrekt ist und wir in Kürze den Vertrag bekommen“, so Markus Engel-Fürstberger. Die Potsdamer Familien sind überzeugt davon, dass ihr Konzept aufgeht. Vor allem, weil sie viel Eigenleistung erbringen könnten: Markus Engel-Fürstberger als auf denkmalgeschützte Häuser spezialisierter Architekt, seine Frau Martina als Grafikerin, Andreas Krystohsek als Immobilienfachmann und seine Frau Anja als Hotelfachfrau. Zwei bis drei Jahre Vorbereitungszeit kalkulieren sie – weil die Sanierung anspruchsvoll sei und die Kongsnaes-Häuser derzeit noch bewohnt. Später wollen sie das Gästehaus mit öffentlicher Ausstellungs- und Veranstaltungshalle selbst betreiben. „Wir sind keine Investoren, wir wohnen hier“, sagt Markus Engel-Fürstberger. Kongsnaes sei ihnen eine Herzensangelegenheit. Dabei finden sie Unterstützung beim Förderverein Kongsnaes: Für ihn sei das Vorhaben der Landstedt GbR unterstützenswert, sagt Vorsitzender Volker Schneeweiß.
Und Adele Landauer? Sie will die Matrosenstation ebenfalls als Architekturdenkmal der norwegischen Holzbaukust erhalten und die drei Gebäude für ihr Unternehmen nutzen und in Kooperation mit dem Förderverein „Kongsnaes und dem „Royal Luise“ Potsdamer Yacht- und Schiffahrtsverein als musealen Ort mit der Öffentlichkeit zugänglich machen. Im Kapitänshaus und in der Matrosenunterkunft sollen sich der Sitz von Manage Acting, Landauers Unternehmen, befinden und die Wohnräume der Investorin. In der Matrosenkaserne wolle sie eine halböffentliche Nutzung durch drei bis vier kleine Appartements und ein Wellnessangebot ermöglichen. Im Bootshaus plant sie Büros für die beiden Vereine und gegebenenfalls den Arbeitslosenhilfsverein Eviga mit der Wikingerfähre „Kari“ sowie eine Ausstellung zur Geschichte der Matrosenstation und zur Historie des Sportsegelns. Auch eine Kooperation mit der Villa Schöningen, die Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner saniert und zum Kultursalon und Restaurant ausbauen will, sei vorgesehen.
Die Vorgänge um die Matrosenstation, das haben beide gemeinsam, irritieren Adele Landauer genauso wie das Landstedt-Quartett. Wer zum Zuge kommt, wer das Stück Norwegen in Potsdam kaufen kann – das scheint derzeit völlig offen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: