zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Lange Schatten

Über Monate waren die Stadtwerke gelähmt. Führungspersonal wurde ausgetauscht. Zu kämpfen hatte Oberbürgermeister Jakobs mit liegen gelassenen Altlasten aus der Ära des früheren Konzernchefs Paffhausen. Eine Spurensuche

Stand:

Zorn herrschte schon lange bei der Belegschaft. Darüber, wie üppig sich Petra V. ihr Büro bei der Stadtentsorgung Potsdam (Step) ausstatten ließ – mit Couch und Schrankwand. Wie lax ihre Arbeitszeit gehandhabt worden sein soll. Dass sie fachlich gar nicht befähigt gewesen sein soll, als Prokuristin in der zweiten Reihe hinter den Geschäftsführern die Stadtentsorgung Potsdam zu leiten.

Petra V. spielt eine zentrale Rolle in der Stadtwerke-Affäre, die in den vergangenen Monaten den städtischen Konzern gelähmt hat. Kanzleien fertigen Untersuchungsberichte an, Führungspersonal musste ausgetauscht werden, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) wurde eingeholt von der Ära des früheren, 2011 zurückgetretenen Ex-Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen. Und davon, dass er damals die Riege der Paffhausen-Vertrauten nicht gleich mit abgeräumt hat.

Es geht um die Frage, wie Petra V. der Aufstieg bei der Step gelang, warum sie so üppig verdiente, immer neue Aufschläge – ohne die vorgeschriebene Zustimmung der zuständigen Gremien – bekam. Warum die schützende Hand über sie gehalten wurde. Die Suche nach Antworten führt ins Jahr 2000. Nach PNN-Recherchen hat V. damals eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Rekommunalisierung des Potsdamer Wasserbetriebs gespielt. Sie wurde so zur Vertrauten des 2011 geschassten Stadtwerke-Chefs Paffhausen, der den nunmehr 16 Jahre zurückliegenden Risiko-Deal über die Bühne brachte. Das alle spielte sich in der Amtszeit des damals neuen Oberbürgermeisters Matthias Platzeck (SPD) und dessen damaligen Stellvertreters Jann Jakobs, der heute an der Spitze der Stadt steht, ab.

Was war damals passiert? Um an Geld zu kommen, hatte die chronisch defizitäre Stadt Potsdam bereits 1997 genau 49 Prozent ihres Wasserbetriebs an die französische Eurawasser GmbH verkauft – für 167 Millionen Euro. Über dieses Geschäft hat Ex-Stadtwerke-Boss Paffhausen auch in seiner den PNN vorliegenden Dissertation berichtet, ihr Titel: „Entscheidung über eine Öffentlich Private Partnerschaft. Empfehlungen für kommunale Entscheidungsträger beim Eingehen einer institutionellen Öffentlich Privaten Partnerschaft“, abgelegt im Dezember 2010 an der Universität Potsdam.

Demnach erwies sich die Teilprivatisierung als schlecht vorbereitet, unter anderem übernahm der neue Partner laut Paffhausen das gesamte Personal, die Stadt verlor Mitsprachemöglichkeiten. Und als die Wasser- und Abwasserpreise in ungeahnte Höhe schossen und Risiken für Investitionen vor allem auf Seiten der Stadt stiegen, wollte das Rathaus den Partner wieder loswerden. Peter Paffhausen, damals der städtische Teilzeitgeschäftsführer des Wasserbetriebs, sollte es richten.

Hier kommt Petra V. ins Spiel. Zeitzeugen berichten, sie sei eine attraktive und charmante Frau gewesen, bei Eurawasser in Potsdam habe sie in der vorderen Reihe gestanden – als Einkaufschefin.

Sie habe Paffhausen die Argumente geliefert, damit die Stadt den privaten Partner abschütteln kann, sagen Kommunalpolitiker aus der damaligen Zeit. Mit einem „juristischen Husarenritt“ sei Eurawasser schließlich aus dem Vertrag gedrängt worden, berichten Eingeweihte. V. war für Paffhausen das U-Boot bei Eurawasser.

Der entscheidende Tag war der 19. Juni 2000: Laut Paffhausens Dissertation ging die Stadtseite am Vormittag zum Notar, um ihre Anteile zurückzuholen. Dadurch wurde noch am selben Tag die Kündigung eines Betriebsführungsvertrages möglich – die Stadt wurde alleinige Gesellschafterin des Wasserbetriebs. Eurawasser konnte nur zusehen.

Seit diesem Deal habe Paffhausen seine schützende Hand über V. gehalten, berichten Kommunalpolitiker und Stadtwerke- Mitarbeiter von damals. Welche Argumente V. aber damals geliefert haben soll für die Rückabwicklung, ist unklar. Denn über das Geschäft ist Stillschweigen vereinbart.

Klar ist, dass die gescheiterte Privatisierung der Stadt noch heute die höchsten Wasserpreise im Bundesgebiet beschert, weil Potsdam auf Millionenkrediten sitzen blieb. Jakobs hat die Rekommunalisierung trotzdem stets verteidigt: „Hätte die Stadt damals die Verträge mit den Privaten nicht gelöst, würden die Potsdamer heute einen noch viel höheren Preis bezahlen“, sagte Jakobs vor fünf Jahren.

Paffhausen weiß zwar, was damals abgelaufen ist, genau wie Platzeck und Jakobs, sagte er. Doch der frühere Stadtwerke-Chef findet, das sei nichts für die Öffentlichkeit. Oberbürgermeister Jakobs kann sich an die damalige Zeit, als Paffhausen und V. den Wasserbetrieb zurück in Potsdamer Verfügungsgewalt holten, nicht erinnern, wie er den PNN zuletzt am Rande einer Veranstaltung erklärte. Die PNN fragten deshalb auch schriftlich im Rathaus nach: „Schließt Herr Jakobs aus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Rolle von Frau Petra V. bei der Rekommunalisierung des Potsdamer Wasserbetriebs und ihrer Entlohnung gegeben hat?“ Der Oberbürgermeister ließ nur ausrichten: „Zu einer solchen Spekulation Ihrerseits gibt der Oberbürgermeister keine Antwort.“

Die üppigen Summen, die V. bekam, dürften Jakobs dennoch nicht entgangen sein. Laut einem Zwischenbericht zur Affäre von der Berliner Kanzlei Raue hat Jakobs zumindest dem 2015 unterzeichneten Auflösungsvertrag von V. zugestimmt – und damit der Abfindung von 169 000 Euro. Über die genauen Details der Vorwürfe – die überbordenden Gehaltssteigerungen für V. an allen Gremien vorbei – gegen die inzwischen freigestellten Step-Chefs wurde Jakobs nach Darstellung der Stadt aber erst kurz vor dem 2. Mai von der Step-Aufsichtsratsvorsitzenden und scheidenden Beigeordneten Elona Müller-Preinesberger informiert. Dann beauftragte er die Konzern-Innenrevision mit der Untersuchung.

Müller-Preinesberger hatte sich zuletzt in Widersprüche verstrickt. Denn stets hatte sie bestritten, als Aufsichtsratschefin schon vor dem April von den üppigen Bezügen der Ex-Prokuristin gewusst zu haben. Allerdings liegt den PNN eine von Müller-Preinesberger unterschriebene Empfangsbestätigung vor, wonach sie 2013 einen Step-Bezügebericht erhielt, in dem neben den Gehältern der Geschäftsführer auch das der Prokuristin aufgelistet ist. Die Stadt hatte erklärt, die Beigeordnete habe den Bericht dennoch nicht erhalten.

Jedenfalls erscheint es wenig nachvollziehbar, dass das Rathaus von alldem nichts wusste, von dem Schutzschirm für Petra V., den Paffhausen und seine Vertrauten, der suspendierte Ex-EWP-Chef Holger Neumann und der zurückgetretenen Ex-Stadtwerkechef Wilfried Böhme, aufgespannt hatten.

Neumann soll, so haben es die mit der Untersuchung der Affäre beauftragten Kanzleien herausgefunden, ein System befördert haben, mit dem Petra V. über Jahre üppige Gehaltserhöhungen und Bonuszahlungen in Gesamthöhe von rund einer halben Million Euro erhielt – an allen Gremien vorbei und nach Meinung der Juristen ohne ersichtliche Gründe. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, so hieß es in einem Zwischenbericht, dass Petra V. „im kollektiven Zusammenwirken“ mit Paffhausen und Neumann „die überhöhte Festsetzung der Vergütung für sich herbeiführte“. Und: Paffhausen habe „seine Stellung als Geschäftsführer der Stadtwerke (...) möglicherweise dazu missbraucht, Frau V. unangemessene Vorteile (...) zu verschaffen“.

Die Bezüge von Petra V. verdreifachten sich bis 2014 inklusive Zulagen auf jährlich 159 000 Euro. Bis ins Jahr 2014 belaufen sich die Mehrvergütungen auf 476 019 Euro. Damit wurden entgegen den seit 2004 gültigen Vorschriften für Gehaltsfragen über 50 000 Euro nie der Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlung befasst. Jedenfalls gibt es keinen schriftlichen Beschluss. Ein klarer Verstoß also. Es gab auch nie eine Feststellung dazu, warum Petra V. immer mehr bekam. Hinzu kommen üppige Rentenvorsorge, Dienstwagen, Handy – auf Kosten der Gebührenzahler in Potsdam.

Paffhausen, der als Stadtwerkechef Gesellschafter bei der Step und immer informiert war, findet das alles nicht ungewöhnlich. Die Steigerungen seien sogar üblich für Führungsfunktionen, es gebe Prokuristen mit weit höheren Bezügen. Es sei auch in allen städtischen Unternehmen nicht üblich gewesen, den Aufsichtsrat damit zu befassen, wenn es um Gehaltserhöhungen jenseits der 50 000 Euro geht.

Möglicherweise aber hat Petra V. auch das Geld nicht gereicht, hat sie sich im Kreise der Paffhausen-Vertrauten allzu sicher gefühlt. Die Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft in Neuruppin hat nach Enthüllungen der PNN vom Juni ein Ermittlungsverfahren gegen V. eingeleitet. Die Ex-Prokuristin hatte nach PNN-Recherchen genau in jener Zeit ab 2013 ihr Haus in einem Potsdamer Vorort von genau dem Unternehmen planen lassen, das sie mit üppigen Aufschlägen, Nachträgen und Vertragsverlängerungen der Step versorgt hatte. Die Kanzleien der Stadtwerke fanden klare Verstöße gegen Vergaberegeln. Nach bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft sollen die Planungsleistungen für das Häuschen kostenlos gewesen sein. Dabei hätte V. sich das leisten können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })