Landeshauptstadt: Langer Weg zur Waldstadt II
Vor 55 Jahren erste Bebauungspläne / Seit 25 Jahren Wohnen mit Grünblick
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Vor 55 Jahren erste Bebauungspläne / Seit 25 Jahren Wohnen mit Grünblick Von Reinhard Gassong Waldstadt - Eine Behelfsheimanlage aus sieben winzigen Doppelhäusern am Kuckucksruf war als letzte Siedlung in der Teltower Vorstadt vor Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden. Dann kam hier die weitere Besiedlung vorerst zum Erliegen, und nach Kriegsende konzentrierte man sich zunächst auf den Wiederaufbau der Innenstadt. Aber auch die Planungen neuer Stadtrandsiedlungen wurden konkreter. So gab es 1949 einen „Entwurf für eine Arno-Neumann-Siedlung an der Rehbrücker und Drewitzer Chaussee“ – dem Standort der heutigen Waldstadt. Der Siedlungsname erinnerte an den Potsdamer Stadtbaurat Arno Neumann (SPD/SED), der während einer Dienstfahrt am 3. August 1946 bei einem Zwischenfall mit einem Posten der Roten Armee tödlich verletzt wurde. Im Stadtkompositionsplan von 1956 war der Bereich der späteren Waldstadt als „Teilbebauungsplan für das Wohngebiet an der Rehbrücker- und Drewitzer Chaussee“ ausgewiesen. Der Arbeitsplan 1957 der Abteilung Aufbau/Stadtplanung beim Rat der Stadt Potsdam sah die „Anfertigung eines Modells für die Waldsiedlung Rehbrücker-Drewitzer-Chaussee“ vor. Erstmals detailreich war Ende 1957 die Bebauungsplanung für das Wohngebiet I „Waldstadt“ zwischen Drewitzer Chaussee und Heinrich-Mann-Allee. Mit Wohngebiet I war einer von mehreren künftigen Siedlungsstandorten im Stadtgebiet gemeint. Der Zusatz „Waldstadt" diente als Charakterisierung. An die spätere Zweiteilung der Waldstadt war hier noch nicht gedacht. Auf 29 Hektar Fläche waren 1270 Wohnungen für 4450 Einwohner vorgesehen: zwei zehngeschossige Hochhäuser und typisierte, meist dreigeschossige Wohnblocks. Dazu kamen Kino, Kaufhaus, Handwerker-Pavillons, Schule, Kindergarten, Krippe, Ladenkomplex, Tankstelle und Handwerkerhof. Ein Grünzug aus ursprünglichem Wald sollte das Wohngebiet I durchziehen. Auch enthalten war eine gesonderte Planung für das angrenzende, kleinere Wohngebiet „Schinderacker" (Käthe-Kollwitz-Straße, Realisierung ab 1958). Vor Baubeginn der Waldstadt gab es jedoch noch unzählige Planungsüberarbeitungen, meist wegen Änderung der zentral vorgegebenen Wohnblocktypen. Aber auch die Grundidee der Bebauung änderte sich 1958 – durch Erweiterung des Planungsgebietes über die Heinrich-Mann-Allee hinweg. Jetzt unterschied man erstmals in Waldstadt I und II. Nachdem 1960 die Bauarbeiten für Waldstadt I bereits begonnen hatten, lagen 1961 erneut geänderte Pläne für beide Teile der Waldstadt vor. Jetzt sollten 1440 bzw. 2160 Wohnungen entstehen. Nach der wohl sehr optimistischen Auffassung des maßgeblichen Entwurfsbüros für Gebiets-, Stadt- und Dorfplanung sollte das erste Wohngebiet bis 1962, das zweite bis 1965 wachsen. Doch dazu fehlten offenbar die Voraussetzungen. Diese wollte man unter anderem durch den Bau eines Plattenwerkes für die Vorfertigung der Bauteile zur Montage der Wohnblocks schaffen. Das Werk entstand 1962/63 südöstlich der Waldstadt I. Dennoch war das Wohngebiet Waldstadt I erst um 1970 im wesentlichen fertiggestellt. Für Waldstadt II war seit 1962 die Bebauungsplanung wieder mehrfach auf den Stand neuer Vorgaben gebracht worden. Eine staatliche Auflage lautete: „Damit möglichst viele Familien schnell eine Wohnung erhalten, ist es notwendig, vorwiegend 1½- und 2-Zimmer-Wohnungen zu bauen.“ So wurde einerseits auf schnelle Verfügbarkeit vieler Wohnungen gedrängt, andererseits war Anfang 1964 der Bau von Waldstadt II bereits auf „nach 1970“ vertagt. Jedoch – es wurde emsig weiter geplant. Neuen Trends folgend sah man statt der bislang in der Waldstadt I üblichen Steildächer auf der anderen Seite der Heinrich-Mann-Allee Flachdächer vor. Bedenken von Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke, eine gestalterische Zweiteilung der Waldstadt sei zu befürchten, zerstreute Stadtarchitekt Werner Berg im März 1964 als unbegründet. Ein vorerst letzter Bebauungsplan für Waldstadt II entstand 1966. Danach wurde es still um den zweiten Teil der Waldstadt – an seiner Stelle wies 1970 der Generalbebauungsplan für Potsdam ein Arbeitsstättengebiet aus. Von 1968 bis 1972 gab es Pläne, die ehemalige Vorbehaltsfläche für das Wohngebiet Waldstadt II für ein Ausbildungszentrum des Bauwesens der Stadt Potsdam zu nutzen, das hier neben weiteren Einrichtungen entstehen sollte. Dann fand am 10. Juli 1972 im Waldgebiet westlich der Heinrich-Mann-Allee nahe dem Plantagenhaus eine Grundsteinlegung statt. Sie galt dem künftigen Gebäude der Betriebsberufsschule des Wohnungsbaukombinats (WBK) Potsdam. Das Fundament dieses Hauses – heute Saarmunder Straße 2/4, bis 2002 OSZ I – erweist sich später als das erste des damals fast vergessenen Wohngebiets Waldstadt II. Aber noch 1972 tauchte Waldstadt II als Idee wieder auf – im Diskussionsmaterial zur „Langfristigen Konzeption Wohnungsbau 1976-1980“ für Potsdam. Die Lage des Wohngebiets entsprach generell früheren Plänen. Für den Wohnkomplex entstehe aber ein ungünstiger Flächenzuschnitt durch „fixierten Flächenanspruch des MfS“, hieß es lapidar in der „Vertraulichen Dienstsache“. Gemeint war eine Begrenzungslinie im Süden des künftigen Wohnkomplexes, beginnend auf Höhe der Friedrich-Wolf-Straße, parallel zur Eisenbahnstrecke. Wozu die benachbarte, für das Ministerium für Staatssicherheit reservierte Fläche dienen sollte oder diente, war im Diskussionsmaterial allerdings nicht gesagt. In den Jahren 1975 bis 76 erarbeitete das Büro für Städtebau Potsdam eine Bebauungskonzeption für Waldstadt II – die endlich dann auch verwirklicht wurde. Hauptziel: Etwa 4000 Wohnungen bei maximaler Erhaltung des Baumbestandes. Die zu bebauende Fläche, ein ca. 600 Meter breiter Streifen von der Siedlung Eigenheim bis zum Caputher Heuweg, betrug 72 Hektar. Das war der bisher umfangreichste Plan für Waldstadt II hinsichtlich Wohnungszahl und zu bebauender Fläche. Noch vor dem Wohnungsbau begannen 1975 die Arbeiten am Gebäudekomplex der SED-Bezirksparteischule und dauerten bis 1978. Am 16. März 1977 fasste der Rat der Stadt Potsdam den Beschluss Nr. 0042/77 zur Bebauungskonzeption des Wohnkomplexes Waldstadt II mit 3636 Wohnungen. Schon 1977 entstanden erste Wohnbauten, darunter zwei Hochhäuser – Zum Jagenstein 6 und 8. Diese Hochhäuser dienten zunächst als Bauarbeiterhotels. Die ersten Mieter der Waldstadt II ließen am 18. Mai 1979 die Möbelwagen rollen. Im Wohnblock Anton-Fischer-Ring 19-25 (Kiefernring) fanden sie ihr neues Zuhause. Die Wohnungen hier waren begehrt, gab es doch vor den Fenstern sofort das Grün großer Bäume.
Reinhard Gassong
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