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Uni Potsdam: Langfristige Perspektive
Der Berliner Wirtschaftsinformatiker Oliver Günther will Präsident der Universität Potsdam werden
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Das Büro ist auffällig aufgeräumt, fast schon steril. Oliver Günther trägt einen schicken grauen Anzug, salopp ohne Krawatte, das weiße Hemd mit Manschettenknöpfen, das Haar akkurat zur Seite. Vor den Fenstern pulsiert das Leben der Berliner Mitte, Touristen strömen von der Museumsinsel zum Hackeschen Markt, mittendrin residiert in einem imposanten Gründerzeitbau das Dekanat der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Oliver Günther ist Dekan der Fakultät sowie Professor und Direktor des dortigen Instituts für Wirtschaftsinformatik. Ein Traumjob. Warum jetzt also die Kandidatur für Potsdam?
Er sei mit seiner Tätigkeit an der Humboldt Uni zufrieden, sagt der Wissenschaftler, der zu den führenden Wirtschaftsinformatik-Professoren im deutschsprachigem Raum gezählt wird. „Es stellt sich aber auch die Frage, wo man am meisten bewirken kann und wie die persönlichen Perspektiven aussehen.“ Das Präsidentenamt der Universität Potsdam reizt den 1961 geborenen Wissenschaftler. Vor allem vor dem Hintergrund des Umbruchs in der deutschen Hochschullandschaft. „An so einer exponierten Stelle wie der des Präsidenten der Universität Potsdam könnte man sich in diesen Prozess sehr viel besser einbringen“, sagt Günther. Die Stichworte liegen für ihn auf der Hand: Bologna-Reform, Juniorprofessoren und die Rolle der Universitäten für Brandenburg. Hier sieht Günther große Gestaltungsspielräume: „In Potsdam kann es in den nächsten 20 Jahren stark aufwärts gehen, aber auch stark abwärts.“
Der Berlin-Brandenburger Raum liegt dem Berliner Professor sehr am Herzen. Ursprünglich aus Schwaben stammend will er hier nicht mehr weg. „Ich würde gerne meinen kleinen Teil dazu beitragen, diesen Raum weiter zu entwickeln.“ Potsdam gehöre uneingeschränkt dazu. „Ein starkes Potsdam ist für den ganzen Raum eine Bereicherung.“
Günther hat sich seit Bekanntwerden seiner Kandidatur offenbar gut eingearbeitet in die Brandenburger Situation. Er hat mit Senatsmitgliedern der Universität gesprochen, kennt die Eckdaten, sieht Zusammenhänge, analysiert sie und entwickelt Vorstellungen mit Weitblick. Sein Lebenslauf passt zu diesem Macher-Image. Schon während der Schulzeit war er zweifacher Sieger im Bundeswettbewerb Mathematik. Mit 18 Jahren wollte er bereits Professor werden, mit 32 Jahren war er es dann. Seit fünf Jahren ist er Dekan an der Humboldt Universität, im vergangenen Jahr wollte er dort Präsident werden. Es ist klar, der Mann will etwas bewegen. Und weiter kommen.
Und das gilt auch für die Hochschule, die er nun zu führen gedenkt. Das Spitzencluster der 10 bis 12 starken Forschungsuniversitäten Deutschlands sieht Günther langfristig durchaus als Perspektive für die Potsdamer Uni. Das ist seine Vision, wie er sagt. Zumindest dürfe die Potsdamer Uni nicht aus dem zweiten Cluster der rund 40 weiteren forschungsstarken Hochschulen herausfallen. „Darunter wird es langfristig ungemütlich“, sagt Günther. Die Herausforderung für die Uni Potsdam sei es nun, sich in diesem zweiten Cluster fest zu positionieren und mittelfristig zu schauen, in welchen Bereichen man ganz nach vorne kommen kann. Günther nennt hier die Kognitionswissenschaft oder einzelnen Naturwissenschaften. „Man muss schauen, was Potsdam besonders macht, wie man das Renommee noch steigern kann, um noch mehr Exzellenz anzuziehen“, erklärt er sein Ziel. Es gehe darum, Forschungsstärken weiter auszubauen, die Drittmitteleinwerbung weiter zu erhöhen, das große Potenzial der außeruniversitären Einrichtungen noch stärker zu nutzen.
Aber Günther sieht auch Schwächen der Potsdamer Universität: Es gebe zu wenig Sonderforschungsbereiche, zu wenig Graduiertenkollegs, DFG-Drittmittel seien unterrepräsentiert. „Der neue Präsident wird sich schnell Gedanken darüber machen müssen, wie er das ändern kann“, sagt der Berliner Kandidat. Dabei setzt er nicht nur auf die prestigeträchtigen Naturwissenschaften. Potenziale sieht er auch in den Geisteswissenschaften, etwa in den Religionswissenschaften.
Der Wirtschaftsinformatiker ist jemand, der sich gut verkaufen kann. Er zeigt sich gerne als Kenner, benutzt die Sprache der Wirtschaft, und wenn man nachhakt, steckt auch etwas hinter dem Gesagten. Sein Werdegang untermauert sein Selbstbewusstsein: „Ich denke schon, dass die Tatsache, dass ich Bilanzen lesen kann, öffentliche Haushalte verstehe und von IT Ahnung habe im Präsidentenamt von Vorteil sein wird“, sagt er. Und er weiß auch, was in Brandenburg auf ihn zukommen würde. Er weiß, dass die demografische Situation eine schwierige Finanzlage mit sich bringen wird. Und er weiß, wie er darauf reagieren will.
„Ein neuer Präsident der Universität muss der Politik die Konsequenzen von Kürzungen ausbuchstabieren“, sagt er vor dem Hintergrund der geplanten Einsparungen im Hochschulbereich. Die unterschiedlichen Varianten müssten noch in diesem Jahr auf den Tisch. „Weniger Studierende aufzunehmen wäre für ein Land wie Brandenburg eine krasse Fehlentscheidung“, sagt Günther. „Das Ziel muss sein, so viel begabte junge Menschen wie möglich ins Land zu holen, wobei aber die Kapazitätsgrenzen der Hochschulen beachtet werden müssen.“ Für eben so falsch hält er es, wichtige Fächer zu beschneiden. Denn ein engeres Fächerspektrum würde es für die Potsdamer Uni schwierig machen, im Konzert der 50 großen Unis mitzuspielen. „Wir müssen der Politik die Frage stellen, was sie überhaupt will.“ Sollte man an Einsparungen gar nicht vorbeikommen, zählt für den Wirtschaftsinformatiker Transparenz in der Diskussion um Prioritäten: „Was ist in der Lehre von Studierenden wie auch vom Arbeitsmarkt nachgefragt, welcher Bedarf besteht, was hat sich in der Forschung bewährt?“
Mögliche Konflikte mit der Studierendenschaft sieht der Berliner Dekan gelassen. Nach 18 Jahren als Professor in Berlin sei er „beliebig abgehärtet“ was Auseinandersetzung auf universitärer Ebene anbelangt. Er sagt, dass er ein großer Freund der Mitbestimmung sei. Bei wichtigen Fragen und Konflikten müsse der Dialog gesucht werden. „Ich bin ein sehr konsensorientierter Mensch, versuche Kompromisse zu finden.“ Mit Mehrheiten Dinge durchzuboxen könne nur das letzte Mittel sein.
Dass er mit einer möglichen Präsidentschaft in Potsdam Lehre und Forschung ad acta legen müsste, ist dem Bewerber klar. „Andere Aufgaben stehen dann im Mittelpunkt, aber das habe ich mir gut überlegt“, sagt er. Für ihn hat sein Engagement einen langfristigen Zeitrahmen. Ein Hochschulpräsident sollte immer eine 20-Jahres-Perspektive vor Augen haben, meint er. „Wenn ich das mache, dann schon richtig.“ Und dass sein Mitbewerber, der Biochemiker Professor Robert Seckler, von der Uni Potsdam kommt, stört Günther kaum. Interne Kandidaten hätten ebenso Vor- und Nachteile wie externe: „Letztlich zählt das Gesamtbild.“
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Den zweiten Kandidaten für das Präsidentenamt der Universität Potsdsam, Robert Seckler, stellen die PNN in Kürze vor.
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