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„So klingt Potsdam“: Lauschangriff auf Spielplatz

„So klingt Potsdam“ ist das neue Projekt der Kammerakademie, bei dem Schüler und Kitakinder den Soundtrack der Stadt entdecken.

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Die Seilbahn hört man schon von Weitem. Sie schnurrt und rattert, wenn ein Kind mit ihr quer über den Spielplatz saust. Und immer ist sie besetzt. Was gibt es noch zu tun? „Wie wäre es mit der Hängematte am Klettergerüst“, fragt Isabel Stegner. „Ja, die quietscht“, sagt ein Junge.

Das findet Stegner, Geigerin der Kammerakademie Potsdam und diplomierte Musikpädagogin, sehr gut. Denn die Kinder der Kita Tönemaler suchen am gestrigen Montagvormittag die Spielgeräte mal nach ganz besonderen Kriterien aus. Es geht nicht um Sport und Bewegung, sondern um die Geräusche, die dabei entstehen. Der Ausflug der Vorschulkinder auf den Wohngebietsspielplatz gehört zu „So klingt Potsdam“, einem Projekt der Kammerakademie Potsdam (KAP) mit städtischen Kindergärten und Schulen.

Seit Jahren engagiert sich die Kammerakademie für musikalische Bildung, dieses Projekt wird von der Forschungsstelle Appmusik der Universität der Künste Berlin begleitet. Teilnehmer sind zwei Klassen der Rosa-Luxemburg- Grundschule, eine neunte Klasse des Leibnitz-Gymnasiums und die Bornstedter Kitakinder. Einzelne Musiker aus dem Orchester und Tim Spotowitz, KAP-Verantwortlicher für Musikvermittlung und kulturelle Bildung, besuchen und begleiten die Kinder und Schüler bei den einzelnen Schritten: Zunächst werden Geräusche in der Umgebung gesucht und aufgenommen. Dann sollen diese Geräusche mit Instrumenten nachgespielt werden. Die Aufnahmen werden außerdem von den älteren Schülern digital bearbeitet, sodass am Ende ein ganz besonderer Soundtrack der Stadt Potsdam entsteht. Der Arbeitsprozess kann online auf der Webseite der Kammerakademie verfolgt werden, kurze Videos sind bereits zu sehen und vor allem zu hören. Im Mai wird das Ergebnis im Nikolaisaal vorgestellt, Filme über den Arbeitsprozess, aber vor allem die dabei entstandenen Kompositionen. Auch die Fundstücke vom Spielplatz im Bornstedter Feld fließen da hinein.

Die 13 Kinder sind gestern schnell auf dem Gelände ausgeschwirrt und auf Geräuschesuche gegangen. Sie sind keine Anfänger mehr: Im Februar waren sie in der Kindergartenküche und haben Kochtöpfe scheppern lassen, mit Metalllöffeln am Geschirrspülerkorb geklappert und das Wasser ins Spülbecken rauschen lassen.

Das Geräuschemachen ist bei dem Projekt jedoch nur ein Aspekt. Ein anderer und vielleicht sogar noch wichtigerer ist das Hören, sagt Tim Spotowitz. „Es geht uns ums Hörtraining. Unsere Umwelt wird immer lauter und wir nehmen kaum noch einzelne Laute wahr.“ Ältere Kinder schotten sich zunehmend mit Kopfhörern ab, sagt Isabel Stegner. Bewusstes Hören in die Umwelt hinein – selten gibt es dazu Gelegenheit.

Die Kita Tönemaler versucht, dem Dilemma der Überfrachtung ein wenig gegenzusteuern. „Wir haben einen tollen Musikraum und nutzen ihn sehr oft“, sagt Erzieherin Christine Mäder. Leider werde in den Familien immer weniger gesungen und musiziert. An den Kindern liege das nicht. „Das Interesse an Musik ist da und groß“, sagt die Erzieherin. „Bei uns wird oft gesungen.“ Für das KAP-Projekt haben die Kinder gleich ein kleines Lied komponiert und singen es gern zur Einstimmung. Das Liedchen passt zu jeder neuen Geräuschquelle: „Ist es eine Rutsche? Eine Seilbahn? Wie ihr das Ding auch nennt – es ist ein Instrument!“ schmettern die „Tönemaler“.

Dann zücken Stegner und Spotowitz ihre handlichen Aufnahmegeräte und schauen und hören sich an, was die Kinder auf dem Spielplatz gefunden haben. Das Gummilaufband, die so genannte Hängematte, quietscht tatsächlich, wenn man drüber läuft. Arthur, Marlene und Lennya haben sich derweil vor die Rutsche gestellt und trommeln mit den Handflächen auf das Blech, herrlich laut ist das. Ein ganz zartes Geräusch haben Eva und Katharina zu bieten. „Haben wir gerade erst entdeckt“, rufen die Mädchen begeistert. Wenn sie an den Pendelsitzen, die unter dem Klettergerüst angebracht sind, leicht ruckeln, dann wackelt natürlich auch die Metallkette, mit der der Sitz im Boden verankert ist. Es klingelt nur ganz leise, die Mädchen müssen dicht mit ihren Ohren heran gehen und Stegner hält das Mikrofon nur wenige Zentimeter daneben. Tabea schabt mit einem Steinchen über einen Holzbalken, ein warmes Fauchen ertönt, und Finja und Teresa erforschen mit Stöckchen die Sprossen der Kletterwand. „Klingen alle wirklich gleich?“, fragt Stegner, und die Mädchen hören noch mal ganz genau hin. Tönesammeln kann richtig aufregend sein.

https://soklingtpotsdam.blog/

http://kammerakademie-potsdam.de/

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