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Landeshauptstadt: Leere Bahnsteige, volle Straßen

Potsdamer Pendler hatten sich auf Lokführerstreik eingestellt. Bahnauskunft weckte falsche Hoffnungen

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Die Anzeigentafel im Potsdamer Hauptbahnhof zeigt zu Beginn des Streiks der Lokführergewerkschaft GDL am gestrigen Mittwoch um 14 Uhr zu jedem Anschluss den gleichen Schriftzug: „Zug fällt aus“. Von oben bis unten. Doch viele Potsdamer haben sich offenbar darauf eingestellt. Im Hauptbahnhof ist deutlich weniger los als üblich.

Ein Dutzend Menschen sammelt sich um den Infoschalter der Bahn. Regionalbahnen fahren derzeit gar nicht, heißt es. Vielleicht später. „Aber nach Brandenburg /Havel fährt jetzt ein Bus“, sagt der Bahnmitarbeiter mit der blauen Mütze. Wie man denn jetzt zum Alexanderplatz komme? „Na, mit der S-Bahn“, so der Mann im karierten Hemd. Es gebe noch genug Fahrer, die nicht in der GDL sind und sich nicht am Streik beteiligen.

Der Betrieb der S7 sei den ganzen Tag über gesichert. Schon in ein paar Minuten würde eine S-Bahn abfahren, sagt er und zeigt eine Tabelle auf seinem Tablet. Laut dem Plan der Bahn sollten die Linien S 1, S 2, S 3, S 5, und S 7 trotz des Streiks im 20-Minuten-Takt fahren. Zwischen Südende und Teltow sei ein Ersatzbus eingerichtet worden.

Die Wirklichkeit sieht am Nachmittag auf dem S-Bahnsteig im Hauptbahnhof dann völlig anders aus: Auf einer Seite wird angezeigt, dass man nicht einsteigen soll, auf der anderen, dass eine S-Bahn in 59 Minuten losfährt. Eine wartende Studentin ist skeptisch: „Eben stand da noch 44 Minuten dran und vorher 29.“ Die Potsdamerin will eigentlich Freunde in Berlin besuchen. „Das wird wohl nichts. Hier ist alles durcheinander“, sagt sie.

Am Infoschalter will eine Frau wissen, wie sie zum Flughafen Schönefeld kommt. Ein Bahnmitarbeiter hat eine Idee: Mit dem Bus 639 nach Spandau, von dort mit der U-Bahn nach Rudow und dann nochmal per Bus. „Rudow? Das kenn ich“, sagt die Frau und macht sich auf den Weg zur Bushaltestelle.

Etwas später tut sich etwas an Gleis 4, wo sonst die Regionalzüge Richtung Berlin abfahren. Ein Zug soll kommen. Rasch füllt sich der Bahnsteig, besonders Studenten sind unterwegs. Er kommt tatsächlich. Meist bleibt das Warten aber vergeblich. Der Streik koste sie viel Zeit, sagt eine Studentin aus Oranienburg. Sonst steige sie am Bahnhof Park Sanssouci ein. „Doch dort fuhr heute nichts.“ Mit dem Bus und dann zweimal umsteigen – sie werde wohl doppelt so lange unterwegs sein wie üblich, mindestens.

Für die Studenten kommt der Streik der Lokführer zur Unzeit. An der Potsdamer Uni kommt die Hälfte der Studenten aus Berlin. „Die erste Woche im Semester ist besonders wichtig“, so Robert Barsch von der Studentenvertretung Asta. Plätze in Seminaren werden vergeben und Themen für Referate. Die meisten Studenten seien trotz der Streikankündigung gekommen. Auf den Unibetrieb haben sich die Zugausfälle nicht ausgewirkt, heißt es aus der Pressestelle der Universität Potsdam. „Es gibt keine Autoschlangen am Neuen Palais“, sagt Uni-Sprecher Matthias Zimmermann.

Am S-Bahnhof Babelsberg ist es am Nachmittag sehr ruhig. Eine Frau mit einem kleinen Kind dreht genervt um: Seit sie im Sommer nach Potsdam gezogen sei, war erst an der S-Bahn gebaut worden, dann an der Regionalbahn und nun der Streik. Sie habe wohl kein Glück mit der Bahn. Ein einzelner Mann sitzt noch auf dem Bahnsteig und liest ein Buch. Ob er hier gestrandet sei? „Nein“, frotzelt er, „ich genieße nur die Sonne.“

Bemerkbar gemacht hat sich der fast vollständige Ausfall des Regional- und S-Bahnverkehrs vor allem auf den Potsdamer Straßen. Am Nachmittag kommt es auf der Humboldtbrücke und am Neuen Garten zum Stau. Auch auf der Zeppelinstraße und der Langen Brücke geht es kaum voran. Die Potsdamer Taxifahrer bekommen den Streik ebenso zu spüren, so Detlef Baatz von der Potsdamer Taxigenossenschaft. Schon im Vorfeld habe es vermehrt Anfragen für Fahrten zu den Flughäfen und Fernbahnhöfen in Berlin gegeben.

Auch am frühen Abend bewegt sich nicht viel auf den Bahngleisen. Um 18 Uhr zeigt die Fahrinfo der Bahn im Internet bis auf eine einzige S-Bahn nur ausfallende Züge.

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