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Landeshauptstadt: Lehrstellen sind oft Leerstellen
Ausbildungsfirmen in der Region suchen händeringend nach künftigen Azubis für das kommende Ausbildungsjahr. Vor allem angehende Fachinformatiker und Nachwuchsköche werden gesucht
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Für Lehrstellenbewerber in Potsdam ist die derzeitige Situation am Ausbildungsmarkt ziemlich komfortabel: Auf 1404 offene Stellen für das im Oktober beginnende Ausbildungsjahr kamen im April lediglich 836 Bewerber. Diese Zahlen nennt Doreen Ließ, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit. Im vergangenen Jahr um dieselbe Zeit seien es noch über 350 offene Stellen weniger gewesen.
Was sich nach paradiesischen Zuständen für die künftigen Azubis anhört, wird für Ausbildungsbetriebe zunehmend zum Problem. Ihnen mangelt es an geeigneten Bewerbern. Bettina Hörstrup, Personalleiterin im Potsdamer Geoforschungszentrum (GFZ), sieht in dieser Situation einen Trend, der seit mindestens drei Jahren anhalte: Immer weniger Bewerber mit immer schlechteren Schulnoten bewerben sich an der international renommierten Forschungseinrichtung auf dem Telegrafenberg. Früher habe das GFZ nur Bewerber für einen Ausbildungsplatz genommen, die in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch wenigstens eine Drei auf dem Zeugnis hatten. „Solche Standards kann man heute gar nicht mehr aufrechterhalten“, sagt Hörstrup. 14 Ausbildungsplätze habe das GFZ für das im Herbst beginnende Ausbildungsjahr besetzen wollen. Voraussichtlich werde man jedoch nur zwölf Bewerber nehmen können. Mehr geeignete Interessenten gebe es bislang einfach nicht.
Das GFZ bildet unter anderem Chemie- und Physiklaboranten, Elektroniker und Industriemechaniker aus. Auch künftige Geomatiker können hier ihre Ausbildung absolvieren – in dieser Fachrichtung allerdings gibt es keinen Bewerbermangel. „Da können wir uns vor guten Bewerbern nicht retten“, sagt Hörstrup.
Als Ursache für die geringe Zahl an guten Leuten, die sich für einen Ausbildungsplatz am GFZ interessieren, vermutet die Personalleiterin die starke Konkurrenz durch die Bachelorstudiengänge. Davon gebe es immer mehr. Zudem würden die Fachhochschulen als Anbieter von Bachelorstudiengängen massiv unter Abiturienten um Bewerber buhlen. Nun will auch das GFZ von diesem Run auf die Hochschulen profitieren und überlegt deshalb, in Zusammenarbeit mit einer brandenburgischen Hochschule einen dualen Studiengang im Bereich Fachinformatik anzubieten. Auf diese Weise, so hofft Hörstrup, könne man später einmal dem Mangel an Fachinformatikern begegnen – denn für den Ausbildungsberuf des Fachinformatikers finden sich nur schwer Bewerber.
Dass zumindest in der Vergangenheit durchaus auch Abiturienten einen Ausbildungsplatz angestrebt haben, zeigt eine Statistik der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK). Von den Jugendlichen, die im Kammerbezirk Ende des vergangenen Jahres einen Ausbildungsplatz innehatten, waren knapp 40 Prozent Abiturienten, berichtet IHK-Ausbildungsexperte Wolfgang Spieß.
Dennoch rät Spieß den Firmen zur Eile. „Die Unternehmen sind gut beraten, Jugendliche mit ihren Halbjahreszeugnissen zu nehmen“, sagt Spieß. Wer zu spät kommt und erst auf das Endjahreszeugnis wartet, den bestraft der Bewerbermangel. Die Schulabgänger mit guten Noten sind dann womöglich schon bei der Konkurrenz unter Vertrag „Eine duale Ausbildung bietet sehr gute Karrierechancen“, meint Spieß, der bei der IHK für die Ausbildung zuständig ist. Mit dem Slogan „Mach es in Brandenburg“ wirbt die IHK für eine Ausbildung in der Mark. Denn die Konkurrenz sitzt gleich nebenan – in der Bundeshauptstadt. Während nur wenige 100 Berliner Azubis ihre Ausbildung in Brandenburg machen, sind es rund 4000 Jugendliche aus dem Land Brandenburg, die ihre Berufsausbildung in Berlin absolvieren, sagt Spieß und fügt diesen Zahlen hinzu: „Keiner muss zur Ausbildung nach Berlin fahren.“
Die meisten offenen Stellen in Potsdam gibt es nach Angaben der Agentur für Arbeit im Bereich des Einzelhandels. Auch in der Gastronomie werden händeringend Bewerber gesucht, etwa Köche oder Restaurantfachkräfte. Außerdem haben Mitgliedsfirmen der Potsdamer IHK noch besonders viele Ausbildungsplätze im Bereich der Lagerlogistik zu vergeben. Auch Kaufleute für Büromanagement werden gesucht. Im gesamten Kammerbezirk verzeichnet die IHK derzeit rund 1400 freie Ausbildungsplätze. Ähnlich ist die Situation im Handwerk. Elektroniker, Kraftfahrzeugmechatroniker und Metallbauer sind nur einige Berufe, in denen dort noch besonders dringend Jugendliche für einen Ausbildungsplatz gesucht werden.
Zu den Suchenden gehört mittlerweile auch Jutta Braun, Geschäftsführerin des Kongresshotels Potsdam am Templiner See. Seit etwa einem Jahr versucht sie einen geeigneten Kochazubi zu finden. Derzeit sind nach IHK-Angaben im gesamten Kammerbezirk Potsdam 44 Lehrstellen für Köche unbesetzt. „Es gibt einfach keine Bewerber. Der Markt ist wie leergefegt“, sagt Hotelchefin Bauer.
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