Landeshauptstadt: Lehrwerkstatt – weite Welt
Wettbewerbssieger ging nach Holland und Stephan schwärmt für Neuseeland
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Früher gehörte das Kennenlernen anderer Landstriche zur Handwerkerausbildung dazu. Und auch heute noch gibt es Gesellen, die es nicht hinter dem Ofen hält. Sebastian Kunath zum Beispiel, der in Potsdam eine Tischlerlehre absolvierte, war von Anfang an klar, dass er sich in anderen Ländern umschauen würde. 2005 belegte er mit seinen Stapelmöbeln den zweiten Platz beim Bundeswettbewerb „Die gute Form“, der vom Bundesverband des holz- und kunststoffverarbeitenden Handwerks jährlich ausgeschrieben wird. Zuvor hatte er schon den Landeswettbewerb in Brandenburg gewonnen. Eine gute Startposition, um sich anderweitig zu empfehlen. Ehe Sebastian jedoch sein Ränzel schnürte, nutzte er erst einmal die moderne Art, vom bequemen Schreibtischstuhl aus zu reisen. Er ging ins Internet und suchte nach einer Firma, in der er sein Wissen und Können erweitern konnte und wurde in Holland fündig.
Die Firma Piet Hein Eek, für die Sebastian jetzt arbeitet, ist eine Design-Firma mit angeschlossenen Werkstätten, die Eigenentwürfe verwirklicht. Und genau so etwas hatte Sebastian gesucht. Den Job zu bekommen, sei relativ leicht gewesen, erzählt er per Telefon. Er habe angefragt und sei gleich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Danach habe es noch einige Mühe gemacht, die Fördermittel aus dem europaweiten Sesam-Programm zu bekommen und als auch das klappte, habe einer Einstellung nichts mehr im Wege gestanden.
Seit Oktober 2005 arbeitet Kunath inzwischen bei den Holländern und fühlt sich dort wohl. Die Sprache verstehe er schon recht gut, nur beim Drechseln eigener Sätzen hapere es noch, sagt er lachend. Am Telefon meldet er sich jedenfalls sofort auf deutsch und plaudert munter drauflos. Hier werde etwas anders gearbeitet als in Deutschland, berichtet er. Es müsse schneller gehen, deshalb achte man nicht so pingelig auf jedes Detail. Ob er denn länger in Holland bleiben will? Wenn es langweilig wird, sagt er, ziehe er weiter. Aber vielleicht bindet den großen schlanken jungen Mann ja auch ein Maisje an die Niederlande?
„Als Sebastian seine Lehre bei mir begann, da wusste ich von Anfang an, dass er nach seiner Gesellenprüfung erst einmal aus Deutschland weggeht“, erzählt sein ehemaliger Lehrmeister Marko Wust. Und er betont, dass er diesen Entschluss immer gebilligt habe, obwohl er mit Sebastian einen ausgesprochen guten Mann verlor. Wust, der an seiner Werkstatttür ausdrücklich darauf hinweist: „Hier wird ausgebildet“, sucht sich seine Azubis genau aus. „Sie müssen zum Team passen und zeigen, dass sie ordentliche Arbeit leisten können.“ Das werde meist schon bei den der Lehre vorangehenden Praktika geprüft. Er könne sich im Moment über die Auftragslage nicht beklagen und wolle sogar einen fünften Mann einstellen, sagt Wust. Die Tischlerei widmet sich vorwiegend dem Ausbau von Büros und Wohnräumen im modernen Stil. Man habe bereits für das Hotel Adlon gearbeitet und die Wohnung von Jil Sander ausgebaut.
Dass auch ein zweiter künftiger Geselle unbedingt in die große weite Welt ausschwärmen will, liegt sicher nicht an der Lehrwerkstatt im Norden von Potsdam. Die gibt sich eher bescheiden. Wust hat sich erst einmal dort niedergelassen, wo die Mieten billig sind, in einer Garage der Roten Kasernen. Ein Glück, dass er sich durch Qualität bekannt machen konnte, denn seine Adresse findet man kaum, die Fritz-von-der-Lanken-Straße besteht vorwiegend aus seiner Werkstatt. Oder liegt es doch an der Aufgeschlossenheit und am Qualitätsanspruch des Meisters, dass sich seine Lehrlinge erst einmal fremden Wind um die Nase wehen lassen wollen, ehe sie sich für einen Standort entscheiden? Der nächste Wust-Lehrling, dem der Sinn nach Wanderschaft steht, heißt Stephan Müller. „Ich bin nach dem Abi schon in Frankreich und Irland gewesen“, berichtet der 22-Jährige. Tischler sei sein Wunschberuf und wenn er 2008 seine Lehre beende, dann würde er gerne nach Neuseeland gehen, meint der Rotschopf. Vorerst aber müht er sich mit den besonderen Anforderungen des Holzes ab und versucht die Tugenden von Ausbilder Wust zu verinnerlichen, die da sind: Qualitätsarbeit, Freundlichkeit und Zuverlässigkeit.Hella Dittfeld
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