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Das „Digitale Kino“ kommt: Ein Workshop an der Babelsberger Filmhochschule HFF
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Das „Digitale Kino“ kommt: Ein Workshop an der Babelsberger Filmhochschule HFF Von Jan Kixmüller Unten im Foyer wird gerade ein provisorischer Eingang in das Glas-Stahl-Gebäude der Filmhochschule gesetzt. Letzte Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zum Deutschen Kurzfilmpreis heute Abend. Oben vor dem Kino der HFF hat sich derweil eine kleine Schlange gebildet: Akkreditierung zum Workshop „Digital Cinema“. Neben Anzugträgern aus Filmwirtschaft und Politik versammeln sich gestern Vormittag auch viele Studenten, junge Leute mit Basecaps und Wollmützen , Colaflaschen in der Hand, Videocassetten werden ausgetauscht, Gesprächsthema ist meist der nächste Film-Dreh. Sie alle wollen wissen, was es mit dem viel beschworenen „Digitalen Kino“ auf sich hat, wie sich die innovative Technik rasant über den Globus ausbreitet, was das für ihre Ausbildung und für ihr späteres Arbeitsleben bedeutet. Der Celluloidfilm war gestern, vorbei die Zeiten, dass jahrelang genutzte Filmkopien mit Gegrissel und Gefussel über die Leinwand flackerten. Heute wird die 35-mm-Aufnahmetechnik langsam von digitalen Formaten verdrängt, auch für die Projektionstechniken der Kinos zeichnen sich ganz neue Möglichkeiten ab, vor allem auch für den Vertrieb: Ein digitaler Film muss nicht mehr in großen, schweren Filmrollen transportiert werden, er rauscht elegant und schnell als Datenfile durchs Netz. Ein Vorteil, der vor allem in Indien und China schon erkannt wurde, hier eröffnen sich mit der neuen Technik Möglichkeiten, via Breitbandkabel und Satellit neue Filme in die entlegendsten ländlichen Regionen zu bringen. Die eingeladenen Vertreter aus China waren gestern leider nicht erschienen, sie hatten die Visa verweigert bekommen. Was die anwesenden Filmexperten nachdenklich stimmte, öffnet doch gerade auch die neue Technik der Fremdbestimmung Tür und Tor. Bis dahin, dass in Zukunft auch bei uns ein Filmverleih per Knopfdruck seinen Film in einem x-beliebigen Kino „abschalten“ kann, etwa wenn die Rechnung offen ist. Manch einer sprach auf dem Workshop gar davon, dass das Digitale Kino eine „leise Revolution“ darstelle, die den Umbruch vom Stumm- zum Tonfilm vor über 80 Jahren in seinen Konsequenzen in den Schatten stelle. HFF-Direktor Wiedemann, dessen Hochschule den Workshop im Rahmen des Kurzfilmpreises ausrichtete, sprach dann auch von Chancen und Risiken der neuen Technik. Mit dem modernsten digitalen Tonmischpult Europas ist die HFF seit diesem Jahr dem Umbruch ins digitale Zeitalter erst einmal gewachsen. „Aber in fünf Jahren muss die meiste Ausrüstung von heute wieder ersetzt werden“, erinnert Wiedemann. Und dann noch das Problem mit dem Überangebot von Absolventen im Medienbereich. Heute könne man, die Informatik einbezogen, davon sprechen, dass jedes zehnte Studienangebot etwas mit Medien zu tun hat. Die Frage sei, ob der Markt so viele Absolventen brauche. Eine Untersuchung der HFF habe jüngst gezeigt, dass zwar ein Großteil der HFF-Abgänger in den Bereichen arbeitet, in denen sie ausgebildet sind. „Aber nicht alle können damit ihren Lebensunterhalt verdienen“, so der Rektor. Das Überangebot an Absolventen senke deren Marktwert und fördere die Verdrängung. Ein Qualitätsverlust im Mediensektor komme hinzu. „Viele Absolventen werden heute in wenigen Jahren verbrannt und finden sich bei Hartz IV wieder“, so Wiedemanns drastische Einschätzung. In Zukunft würden Selbstmarketing und Kreativität im Medienbereich stärker gefragt sein, als handwerklich-technologisches Können. Was das Digitale Kino angeht, so müssten die Filmemacher auch hier in erster Linie Geschichten erzählen können, die Veränderungen beim Handwerkszeug seien für den Filmemacher weniger relevant: „Sie betreffen vor allem die Ingenieure.“ Zu einer ähnlichen Einschätzung kam auch Rolf Bähr, ehemaliger Vorstand der Filmförderungsanstalt. Die digitale Verbreitung von Filmen führe einerseits zum Arbeitsplatzabbau im Bereich des Vertriebs, andererseits würden neue Aufgaben auf Ingenieure zukommen. Überhaupt sei die Frage, ob „pay per view“ und „video on demand“ – die Möglichkeit, sich einen brandneuen Film aufs Laptop oder Handy zu holen – nicht auch eine Zäsur für die Institution Kino bedeutet. „Couchpotato“-Zuschauer und Pocket-Kinos könnten dem Gemeinschaftserlebnis Kino das Wasser abgraben. Hier müssten auch die Kinobetreiber reagieren und neue Angebote und Ansprachen für das Publikum finden. Wenn man also rechtzeitig reagiert, könnte das digitale Kino auch für das herkömmliche Kino eine Perspektive darstellen.
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