
© Andreas Klaer
Von Hella Dittfeld: Lerchen zum Knabbern
Im Integrationsgarten wurde der Frühling begrüßt
Stand:
Neunmal wurden das Büro des Brandenburgischen Kulturbundes e. V. in der Charlottenstraße und dessen Integrationsgarten überfallen, sechsmal die Laube im Garten selbst angezündet und ganz oder teilweise niedergebrannt – keine erfreuliche Bilanz für ein Modell, das für Integration von Ausländern und nachbarschaftliches Engagement stehen soll. „Da kann man schon mürbe werden“, sagt Carla Villwock, Landesgeschäftsführerin des Kulturbundes. Deshalb sei sie sehr froh, dass Ende vergangenen Jahres durch die Stadt Sicherheitstechnik im Gartenhaus eingebaut worden sei. Seitdem sei nichts mehr passiert.
Am Samstag ist ihr keine Frühjahrsmüdigkeit anzumerken. Sie ist vollauf damit beschäftigt, den Auftakt zur Zehn-Jahr- Feier des Integrationsgartens zu organisieren und mit allen gemeinsam den Frühling einzuläuten. Dazu haben sich Gartenfreunde aus unterschiedlichen Nationen eingefunden. Sie sind aus Litauen, Russland, der Ukraine, aus Rumänien und Ungarn nach Potsdam gekommen und treffen sich nun mit alteingesessenen Potsdamern, die im Schilfhof am Schlaatz vorbeischauen und vom frischgebackenen Brot, von Kuchen und Pizza kosten. Trotz des verhangenen Himmels ist die Stimmung fröhlich und für das Jubiläumsjahr haben sich die Integrationsgärtner jede Menge vorgenommen.
Erika Knuth zum Beispiel, die vor sieben Jahren aus Ungarn nach Potsdam kam und hier eine Familie gründete, will mit ihren in Potsdam wohnenden Landsleuten im Juni ein Gartenfest feiern. Sie ist die Leiterin des Potsdamer Ungarn-Klubs und organisiert regelmäßige Treffs. Erika, die aus einer ländlichen Gegend stammt, fehlte in Zentrum-Ost der eigene Garten. Nun kann sie am Schlaatz ein Integrationsbeet pflegen. Svetlana Arramenko kommt aus Litauen und wohnt schon seit acht Jahren am Schlaatz. Das Wohngebiet habe einen sehr schlechten Ruf gehabt, ihr sei aber nie etwas Unangenehmes passiert, erzählt sie. Zu den Nachbarn habe sie ein freundschaftliches Verhältnis. Warum es auf den Integrationsgarten immer wieder Überfälle gebe, versteht sie nicht. „Ich weiß nicht, wen wir hier stören könnten“, meint sie kopfschüttelnd. Sina Krüger, Hannelore Schirmag und Frauke Brockmann-Polap sind Potsdamerinnen, Ein- Euro-Jobberinnen, am Samstag aber backen sie ehrenamtlich Kuchen und belegen Pizza-Teig, der bald in den Lehmofen geschoben werden soll. Zuerst haben den Ofen jedoch die Lerchen verlassen. Es sei ein alter russischer Brauch, erzählt Juliane Nitsche vom Brandenburgischen Kulturbund. Die Lerchen seien ein ganz spezielles Gebäck und vor allem bei den Kindern sehr beliebt. Nitsche erzählt von Projekttagen, die zusammen mit der Weidenhofschule geplant sind. Es sollen „Überflussgärten“ angelegt werden. Gespendete Pflanzen werden für alle zugänglich den „Weg der Sinne“ weiterführen.
Nach den Lerchen sind inzwischen dicke runde Brotlaibe in den Ofen gewandert, von Bäcker Torsten Müller gut bewacht, damit sie zu nicht zu früh und nicht zu braun aus dem Ofen geholt werden. Die kleine Marlena Reichert ist ihm dabei eine eifrige Hilfe. Und während das Brot seine Knusperbräune erhält, philosophiert Müller über das Backen. Er sei Therapeut, erzählt er und findet, dass das Backen im Lehmofen eine sehr archaische Tätigkeit sei. Alle Völker der Welt seien damit seit Urzeiten vertraut und wenn man sich auch heutzutage noch damit beschäftige, könne man sich sehr gut auf das Wesentliche im Leben konzentrieren. Dazu gehörten vor allem auch Glück, Heimat und ein vertrautes Miteinander.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: