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Sport: Liebe und Lauf

Matthias Schmidt will zu den Paralympics – mit seiner brasilianischen Verlobten Terezinha Guilhermina

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Anfangs sei er im Oktober 2004 mit ein paar gemischten Gefühlen an die neuen Aufgaben gegangen, erzählt Andreas Kühnel. Behinderte habe er zwar auch zuvor schon trainiert, und das mit gutem Erfolg. Aber nun einen nahezu blinden Läufer? „Ich habe das letztlich als große Herausforderung angesehen“, sagt er heute über die inzwischen bestens gelungene Zusammenarbeit mit Matthias Schmidt. „Viele meiner Schützlinge können zwar besser sehen, einige begreifen dafür wieder viel schwerer. Mit Matthias klappt das alles richtig gut.“

Mit dem Wechsel vom Goalball zur Leichtathletik betrat Schmidt vor zweieinhalb Jahren nicht unbedingt Neuland. Bereits als Grundschüler entschied er – damals noch mit Sehvermögen – zahlreiche Wettkämpfe für sich. Auch als er mit 14 Jahren den Goalball für sich entdeckte, ließ er beides noch parallel laufen. Die Prognose der Ärzte hatte ihn zu diesem Zeitpunkt in ein tiefes Loch fallen lassen – nicht zu heilender Netzhautschwund. „Im nächsten Jahr werden sie nichts mehr sehen können“, sagte sie ihm. Umzug ins Internat, Verlust des Freundeskreises, der Kummer der Eltern: „Irgendwie isoliert man sich da selbst“, erzählt Matthias Schmidt. „Aber andererseits bin ich auch ein sehr ehrgeiziger Typ. Und so habe ich mir damals selbst Mut zugesprochen. Mach das Beste daraus, hab ich mir gesagt.“

Und das tat er schließlich auch. Im Goalball lief die Entwicklung irgendwie besser – volle Konzentration also auf diesen Sport. Mit 16 Jahren bekam der Potsdamer seine erste Einladung zu einem Lehrgang mit der Nationalmannschaft, zur Abi-Zeit 1999 war er in der deutschen Auswahl bereits eine feste Größe. Sydney 2000 – für Matthias Schmidt der erste ganz große Einsatz. Siebenter wurde er mit seiner Mannschaft bei den Olympischen Spielen, doch nach der Rückkehr aus Down Under gab es einen Umbruch im Team. Manche verließen die Truppe, er wurde Kapitän und halste sich Verantwortungen auf, die weit über das Training hinaus gingen. Unter anderem war da das internationale Goalball-Turnier, das er 2005 mit dem SC Potsdam organisierte.

Es war eine erfolgreiche Zeit. Bronze bei der EM 2001, der fünfte WM-Platz in Brasilien und schließlich das Jahr 2004. Für Matthias Schmidt ein sehr einschneidendes. Einerseits war der für ihn so enttäuschende zehnte Platz bei den Olympischen Spielen in Athen, der ihn nicht zuletzt auch zum Nachdenken über einen Sportartwechsel animierte. Vor allem aber fand er bei den Spielen seine große Liebe. Die Brasilianerin Terezinha Guilhermina ist von derselben Krankheit wie er befallen und wird in ihrem Land als großer Star gefeiert. Sie erkämpfte sich als schnellste blinde Läuferin Brasiliens mehrere Medaillen bei den Paralympics und Weltmeisterschaften und wurde im vergangenen Jahr von ihren Landsleuten als „Beste Sportlerin“ geehrt.

„Auch wenn man Brasilien eher als armes Land einschätzt, wird der Behindertensport dort weitaus besser gewürdigt als bei uns“, weiß der 27-Jährige Matthias Schmidt inzwischen. „Ich bin zufrieden mit der Unterstützung der hiesigen Sporthilfe, ich komme damit zurecht. Aber Terezinha bekommt in Brasilien mehr Zuwendungen, und das kommt ja nicht zuletzt auch ihrer Leistung zugute.“

Inzwischen sind die beiden Sportler verlobt. Als Matthias Schmidt sie im vergangenen Jahr besuchte, war der Medienrummel in Brasilien groß – sogar im Fernsehen hatte das Traumpaar seinen Auftritt. Und auch als die erfolgreiche Athletin anschließend nach Deutschland kam, entging dies dem brasilianischen Botschafter nicht. Er lud die beiden zum gemeinsamen Abendessen ein.

Neben Studium – inzwischen hat er von Jura zu Wirtschaft gewechselt – und Portugiesisch-Lernen steht nun die Leichtathletik im Vordergrund Matthias Schmidts. Im vergangenen Jahr wurde der Athlet des SC Potsdam in den Kader der Nationalmannschaft berufen, erkämpfte er bei der WM in den Niederlanden mit der Staffel Bronze. „Mein klares Ziel sind die Paralympics in Peking“, sagt Schmidt, der beim täglichen Training immer auch auf seinen Begleitläufer angewiesen ist. Viele haben es versucht – in seinem 18-jährigen Vereinsgefährten Tom Thyrolf hat er inzwischen den besten Mann gefunden. Mit einem kurzen Gummiband verbunden ziehen die beiden ihre Runden.

Bei den Spielen in China favorisiert Matthias Schmidt die 400 Meter für sich. Eine Medaille hat er sich dabei ebenso fest vorgenommen wie Terezinha, mit der er inzwischen feste Heiratsabsichten hat. „Aber das werden wir erst nach Peking machen“, sagt er. „Dann kommt wieder etwas mehr Ruhe ins Leben.“

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