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Landeshauptstadt: „Lieber das als Krieg“

„fabrik“-Manager Laurent Dubost aus Frankreich freut sich auf das Fußballspiel seiner zwei Heimatländer

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Ein Traum wird wahr: Frankreich spielt gegen Deutschland im Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien – jedenfalls ist es der Traum von Laurent Dubost. Der 43-Jährige ist PR-Manager der „fabrik“ Potsdam, dem internationalen Zentrum für Tanz und Bewegungskunst in der Schiffbauergasse, und kam vor 20 Jahren aus Frankreich nach Deutschland. „Dieses Spiel habe ich mir gewünscht“, sagt er. Ein typischer Franzose sei er nach so vielen Jahren in Deutschland ohnehin nicht mehr. Und verlieren kann er auch nicht – eines seiner beiden Heimatländer kommt auf jeden Fall ins Viertelfinale.

„La Mannschaft“, wie die deutsche Nationalelf in Frankreich heißt, sieht Dubost etwas im Vorteil „Die deutsche Mannschaft wird gewinnen“, sagt er. Deutschland werde in Frankreich ohnehin bewundert – auch im Fußball. Die Nationalelf habe sich im Achtelfinale gegen Algerien zwar schwergetan, insgesamt im Turnier aber überzeugt. Er erwartet, dass es spannend wird. „Schön wäre, wenn es ein offenes, abwechslungsreiches Spiel wird mit vielen Toren“, sagt Dubost. „Hauptsache, die Hymne wird gesungen.“

Auch wenn Deutschland gegen Frankreich insgesamt häufiger verloren als gewonnen hat – bei den letzten Aufeinandertreffen bei Weltmeisterschaften kamen immer die Deutschen weiter. Auch Dubost erinnert sich: 1982. Halbfinale in Sevilla. Der deutsche Torwart Toni Schumacher verletzt den Franzosen Patrick Battiston bei einem brutalen Foul. Der ist bewusstlos und verliert zwei Zähne. Der Schiedsrichter pfeift nicht einmal einen Freistoß – Frankreich verliert im Elfmeterschießen. Nach dem Spiel sagt Schumacher: „Wenn es nur die Jacketkronen sind, die bezahle ich ihm gerne.“ Daran könne sich jeder Franzose noch erinnern, so Dubost. Vor zwei Jahren habe der Choreograf Pierre Rigal in der „fabrik“ sogar ein Stück darüber aufgeführt. „Arrêts de jeu“, hieß es – Verlängerung. „Er hat das Trauma aufgegriffen“, sagt Dubost. Für das heutige Spiel in Rio de Janeiro sei das aber nicht von Bedeutung. Überhaupt sei der sportliche Wettstreit doch eine positive Sache: „Lieber das als Krieg“, sagt Dubost.

Eine französische Fußballkommune hat er unter den laut Statistik 178 in Potsdam lebenden Franzosen noch nicht gefunden. „Sind das wirklich so viele?“ Das Spiel wird er deshalb am heutigen Abend mit Freunden in einem Charlottenburger Restaurant verfolgen. Der Tisch ist reserviert. „Dort gibt es französische Küche“, sagt er. Und natürlich Rotwein. Das Klischee muss stimmen. „Wir wollten das verbinden, damit die richtige französische Stimmung aufkommt.“

In Frankreich selbst traut man dem bisherigen Erfolg der eigenen Mannschaft noch nicht so recht. Die Schlagzeilen werden von politischen Themen beherrscht, wie der Festnahme von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. „Die Franzosen sind deprimiert“, sagt Dubost. Die Stimmung sei allgemein mies. Wenn die „Équipe Tricolore“ es tatsächlich ins Halbfinale schafft, würde das aber auch an seinen skeptischen Landsleuten nicht spurlos vorbeigehen. „Dann wird alles gut. Alle kaufen mehr ein und mit der Wirtschaft geht es bergauf.“ Dubost lacht. „Vielleicht wird sogar der Präsident Hollande noch beliebt.“

Momente wie eine erfolgreiche Fußballweltmeisterschaft könnten ein Land aber auch verändern, meint Dubost. So sei der Titelgewinn Frankreich beim Turnier im eigenen Land 1998 ein Meilenstein für die Entwicklung des Selbstbilds der Franzosen gewesen. Das Land habe damals erfahren, dass es mit seiner multikulturellen Mannschaft Erfolg haben kann. Zinedine Zidane, Thierry Henry, Bixente Lizarazu – er kommt ins Schwärmen, wenn er die Namen aus der Weltmeistermannschaft von 1998 aufzählt. „Das waren Vorbilder auch neben dem Fußballplatz“, so Dubost. Zu einer Zeit, als sich die DFB-Elf mühsam durch die Turniere rumpelte, hatten die Franzosen ihre besten Jahre, spielten nicht nur erfolgreich, sondern auch noch ansehnlich, und gewannen erst die Welt- und dann die Europameisterschaft.

Diese Aura habe die jetzige Mannschaft in Frankreich noch nicht, so Dubost. In den letzten Jahren war die Leistung nicht konstant. „Erst super, dann pfui.“ Viele der jetzigen Spieler seien auch nicht so bekannt, keine etablierten Stars. Der bisherige Verlauf der Weltmeisterschaft sei daher eine positive Überraschung. Als Gruppenerster hatte sich die französische Mannschaft für das Achtelfinale qualifiziert und dort Nigeria mit 2:0 besiegt. Trotz aller Konflikte in der Historie sei das Spiel gegen Deutschland für Frankreich vielleicht sogar die einfachere Partie: Hätte Jogi Löws Mannschaft im Achtelfinale verloren, wäre Frankreich auf seine ehemalige Kolonie Algerien getroffen.

Sein Wunschspiel: Der Potsdamer Laurent Dubost, Sprecher der „fabrik“ in der Schiffbauergasse, sieht für das heutige WM-Viertelfinale Deutschland leicht im Vorteil. Der 43-Jährige ist einer der 178 in Potsdam lebenden Franzosen:. Er sagt: „Schön wäre ein Spiel mit vielen Toren.“

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