
© Manfred Thomas
Kolumne PYAnissimo: Lieber Oscar, wenn du wüsstest ...
Liebling, hauchte mir mein Mann am Neujahrsmorgen ins Ohr, wir müssen uns mal Gedanken machen. Ich war sofort ganz wach.
Stand:
Liebling, hauchte mir mein Mann am Neujahrsmorgen ins Ohr, wir müssen uns mal Gedanken machen. Ich war sofort ganz wach. Dann sagte er: „Wie wollen wir das jetzt machen? Mit dem Biomüll.“
Man muss wissen, wir haben eine Schlauchküche. Weshalb dieses „Wir müssen reden“ angesichts der neuen Mülltrennungsdisziplin durchaus Sinn macht. Bisher ist es so: Unter dem Spülbecken befinden sich zwei Mülleimer, die als Gelber Sack und Restmüll fungieren. Einziger Nachteil: Öffnet man die Tür komplett, um an beide Eimer heranzukommen, ist das Betreten (und Verlassen) der Küche unmöglich. Nur die Katze kommt durch. An der gegenüberliegenden Wand hängt nämlich der Jutebeutel für Altglas; den Korb mit Pfandflaschen als auch die Holzkiste mit Altpapier – wir sind schließlich Zeitungsleser – haben wir bereits in den (Schlauch-)Flur ausgelagert. Sozusagen als politisch korrektes Willkommen für Besucher. Beim besten Willen findet sich kein freies Plätzchen, an dem man Biomüll sammeln könnte, ohne dass es olfaktorisch und optisch auffällig würde. Also was tun? Mit jedem Häufchen Kartoffelschalen sofort raus zur Tonne? Oder die Tonne ignorieren? Nein, dafür haben wir zu viel Biomüll. Wenn man alles genau trennt, bleibt ja kaum Restmüll übrig. Und was ist das eigentlich? „Babywindeln, Zigarettenkippen, Porzellanscherben“ lese ich dazu in einem Forum. Da bei uns weder Windeln noch Kippen anfallen und wir uns zur Hochzeit geschworen haben, nicht mit Tellern zu schmeißen, könnten wir also auf die schwarze Tonne verzichten. Wenn ich nur nicht ein Mal im Jahr, nämlich Silvester, meine eigenen echten Pfannkuchen backen würde. Also frittieren. Geht einfacher als man denkt, nur das Saubermachen der Küche dauert ewig. Und dann bleibt das Frittieröl übrig. Eindeutig Restmüll, aber wie soll man es in die Tonne packen? Lose?
Ich entscheide mich an diesem 31.12., die Plastik-Ölflasche – eindeutig Gelber Sack – dafür zu opfern. Beim Einfüllen läuft leider doch einiges Öl daneben, ins Spülbecken, ich fühle mich ganz mies. Auch wegen des hohen Heißwasserverbrauchs beim Reinigen von Tresen, Topf und Spüle. Die leckeren Berliner haben keine gute Ökobilanz. Und ich befürchte, ohne Restmüll geht’s eben doch nicht.
Aber wohin mit der extra Tonne – auf die Terrasse? In den Keller? Oder sollen wir es wie Oscar der Griesgram aus der Sesamstraße machen? Oscar, der in seiner Tonne wohnte und dort glücklich war. „Ich mag Müll. Alles, was schmutzig ist, stinkig und dreckig. Ja, ich mag Müll!“, sang der grüne Zottelkerl. Der mir schon deshalb sympathisch war, weil seine verbeulte graue Tonne denen in der DDR verdächtig ähnlich sah. Müll rausbringen war damals übrigens kein Vergnügen. Müllbeutel gab es nicht, der ganze Mist suppte unappetitlich im Emailleeimer in der Küche vor sich hin. Und draußen in der Tonne qualmte oft genug die Asche der Kohleöfen. Dagegen ist Müllmanagement heute geradezu ein Kinderspiel, eine saubere Freude. Nur Oscar fände das wahrscheinlich doof. Ach Oscar, wenn du wüsstest, dass du heute eine Vier-Zimmer-Wohnung hättest.
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg
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