Landeshauptstadt: Lieber Turnhallen und Straßen sanieren
Millionen aus dem Haushalt plus Bürgerspenden für Mercure-Abriss – wie Potsdamer darüber denken
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Dass die Stadt möglicherweise ein paar Millionen Euro für ein Hotel ausgibt, nur um es nach dem Erwerb dann abreißen zu lassen, findet Hans-Eberhardt Kahlisch nicht gut. „Das verhält sich ähnlich wie im Fall der Garnisonkirche, die wiederaufgebaut werden soll: Für solche Vorhaben sollten keine öffentlichen Gelder ausgegeben werden“, sagt der 64-jährige Vorruheständler. Außerdem gebe es dringendere Projekte, den Straßenbau beispielsweise. „Ich habe gerade von Waldstadt bis hierher zum Bassinplatz eine halbe Stunde gebraucht“, sagt er verärgert. Kahlisch wohnt seit 1985 in Potsdam, seiner Meinung nach müsste das Hotel ohnehin nicht verschwinden. Auch DDR-Architektur gehöre zum Stadtbild. „Ich finde das Mercure gar nicht mal so unattraktiv“, sagt er. Er werde jedenfalls nicht für Kauf und Abriss des Hotels spenden.
Auf Zuweisungen aus dem Haushalt von Antje Bidder-Conrad wird die Stadt ebenfalls verzichten müssen. Die 47-jährige Rechtsanwältin und Mutter hat sich gerade selbstständig gemacht. Die Initiative der Stadt, das Mercure jetzt zu erwerben und nach einem Abriss das Areal am Lustgarten neu zu gestalten, findet sie allerdings gut. „Ich fand es in der Vergangenheit schon sehr schade, dass die Plattner-Initiative für eine Kunsthalle scheiterte“, sagt Antje Bidder-Conrad. Auch wenn jetzt doch keine Kunsthalle kommt, weil die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigt werden müssen, würde sie sich freuen, wenn das Mercure verschwände. „Ich fand das Hotel nie besonders ästhetisch“, sagt sie. Und ergänzt: „Das heißt natürlich im Umkehrschluss nicht, dass alles aus der DDR abgerissen werden muss.“
Frank Weichelt ist Angestellter und sieht die Causa Mercure eher pragmatisch. „Das Glück von Potsdam hängt nicht vom Schicksal dieses Hotels ab“, sagt der 47-Jährige, der seit 2000 in Potsdam wohnt. Sollte es verschwinden, gibt er zu bedenken, dass der Stadt Hotelkapazitäten fehlen könnten. „Die sind doch gut gebucht“, meint er. Sollte sich eine preiswerte Möglichkeit für den Abriss des Klotzes finden, dann wäre das zwar okay. Selbst spenden würde er dafür jedoch nicht. Und ein paar Millionen aus dem Stadthaushalt – das, so Weichelt, sei dann doch nicht so preiswert. Dafür könne man viele Schulturnhallen sanieren, das sei doch wichtiger, als eine innerstädtische Sichtachse wiederherzustellen. Er glaube auch nicht, dass das Hotel oder ein Neubau andernfalls noch 80 Jahre steht, wie es befürchtet wird. „Das wissen wir doch gar nicht, womöglich ist das nur eine Drohkulisse“, sagt Weichelt.
Der 29-jährige Lehramtsstudent Hartmut Phieler würde das Hotel gern an das Studentenwerk abtreten. „Es einfach zu kaufen, um es dann abzureißen, das klingt seltsam und nutzlos“, sagt Phieler. Er wohnt in Potsdam-West, weiß aber von vielen, die zwar in Potsdam studieren, aber in Berlin wohnen. „Man findet hier kaum was, insofern könnte man das Mercure als Studentenwohnheim nutzen, statt es gleich abzureißen“, sagt er. Ein Zimmer dort am Lustgarten für 200 Euro: „Da würden viele Studenten sofort reinziehen“, ist er sich sicher. Weghaben wolle die Stadt das Hotel außerdem doch nur, weil es jetzt nicht mehr zum neuen Stadtschloss passte, meint er.
Von der neu aufgeflammten Debatte über die Zukunft des Hotels hat Siegrun Hennig aus der Zeitung erfahren. Die 71-Jährige, die seit 1959 in Potsdam wohnt, fände es sehr schade, sollte das Mercure verschwinden. „Wenn ich daran denke, wie viel Mühe der Bau und das Heranschaffen von dem Material gekostet haben...“, sagt sie nachdenklich. Bei Siegrun Hennig ist das keine Floskel: Sie war damals bei der ausführenden Baufirma angestellt, beim VEB Technische Gebäudeausrüstung, erzählt sie. „Wir haben die ganze Innenausrüstung gemacht, da hängt man natürlich an so einem Gebäude“, sagt sie. Zu Hause hat sie noch alte Fotos, sie und ihre Familie aufgestellt vor dem halb fertigen Hotel, als erst ein paar Etagen standen. „Bevor es eröffnet wurde, haben wir einen Rundgang gemacht, vom Keller bis zum Dach, von da über ganz Potsdam geschaut“, erinnert sie sich. „Für mich gehört das Mercure einfach zum Stadtbild“, sagt Siegrun Hennig. Steffi Pyanoe
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