Potsdamer Linke-Kreisverband: Linke Grabenkämpfe
Kurz vor dem Wahlkampfstart: Die Potsdamer Linke hat bei einem bemerkenswerten Parteitag ihr neues Führungsduo geschwächt.
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Wenige Monate vor der Bundestagswahl hat sich die Basis der Potsdamer Linken bei einem Parteitag harte Grabenkämpfe geliefert und die neue Doppelspitze des Kreisverbands nur mit schwachen Ergebnissen gewählt. Die neuen Parteichefs sind die Stadtverordneten Stefan Wollenberg und Kati Biesecke: Für den 39-jährigen PR-Berater votierten bei dem Parteitag am Samstag 72 Prozent der 134 anwesenden Parteimitglieder, für die 31-jährige Erzieherin sogar nur 62 Prozent. Der langjährige Kreischef Sascha Krämer war nicht noch einmal angetreten, weil der 40-jährige Politologe seiner Frau nach Südafrika folgt, die dort als FDP-Mitglied für die liberale Friedrich-Naumann-Stiftung arbeiten kann. Krämer hatte stets mehr als 80 oder gar 90 Prozent erzielt, unter seiner Führung hatte die Linke 2014 – trotz Verlusten – die Kommunalwahlen knapp vor der SPD gewonnen.
Schon die Abschiedsrede von Krämer zum Anfang des Parteitags spiegelte Verwerfungen in der Linken wider: Das Misstrauen innerhalb der Partei steige, etwa gegenüber der Landtags- und Stadtfraktion. „Das sind besorgniserregende Tendenzen“, sagte Krämer. Tatsächlich hatten einzelne Linke kurz vor dem Treffen gestreut, dass gegen Wollenberg ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Wahlbetrugs anhängig ist (PNN berichteten). Parteifreunde hatten ihn bereits 2015 angezeigt, weil er zur Kommunalwahl in Potsdam angetreten sei, obwohl er damals nicht in der Stadt gewohnt habe. Wollenberg wehrt sich gegen die Anschuldigungen. Und zumindest einer der Anzeigensteller, der frühere Schatzmeister Alexander Frehse, nahm beim Parteitag in einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung die Vorwürfe gegen Wollenberg zurück und entschuldigte sich. Zugleich betonte er, dass er keine Daten an Ermittlungsbehörden weitergegeben habe und in der Sache auch seinen Zugang zu Mitgliederdaten nicht missbraucht habe. Wegen des derzeit zerstörten Vertrauensverhältnisses trete der 49-jährige Programmierer auch nicht noch einmal als Schatzmeister an.
Zugleich gab es auch inhaltliche Querelen. So kritisierte Steffen Pfrogner, auch einer der Sprecher des Bündnisses „Potsdamer Mitte neu denken“, den von der Linke-Fraktion im Stadtparlament mitgetragenen Kompromiss zum Abriss der Fachhochschule. Ein kritischer Text zum Thema sei in der Partei-Postille „Potsdams andere Seiten“ nicht erschienen: „Das kennt man aus Diktaturen.“ Der neue Kreisvorstand müsse zu mehr Selbstkritik fähig sein, so Pfrogner, der zum fundamentalistischen Flügel der Partei zählt. Dagegen verteidigte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg den Kompromiss zur Mitte, mit dem die Stadtspitze unter anderem alle Bemühungen zum Abriss des Mercure-Hotels einstellte. Seine eigene Zukunft und die Frage einer möglichen dritten Kandidatur im Oberbürgermeisterwahlkampf 2018 ließ der 63-Jährige offen, sprach lediglich von einem „anstehenden Generationswechsel“ (siehe Kasten).
Doch gerade der jüngere Teil der Partei streitet. Einige Redner sprachen von Lagerbildung innerhalb der Basis, die verschiedenen Seiten würden einander nicht mehr zuhören. Ebenso habe der alte Kreisvorstand – zudem auch die mit schwachen Wahlergebnissen gekürten Wollenberg und Biesecke gehörten – zuletzt nicht mehr alle Genossen in die Arbeit einbezogen, so ein weiterer Vorwurf. Scharfenberg hingegen warb dafür, dass es gerade mit dem Ende der Rathauskooperation im Stadtparlament mehr Spielräume für linke Politik gebe. Linke-Landesvize Sebastian Walter appellierte an den Verband: „Wir müssen geeint sein, auch bei Konflikten.“
Doch es folgten mehrere Kampfabstimmungen, etwa zum Amt des Vize-Parteichefs. Hier bewarben sich der Gymnasiallehrer Christian Wienert sowie der Stadtverordnete und Projektmanager Matthias Lack. Während der 36 Jahre alte Wienert darum warb, statt des Kampfes um den Erhalt einzelner Häuser wieder mehr die Wohnungs- und Sozialpolitik in den Mittelpunkt der Parteiarbeit zu stellen, beklagte der 41 Jahre alte Lack in seiner Bewerbung, dass das „architektonische Erbe der sozialistischen Dekaden“ zerstört werde. Dem müsse man sich deutlich widersetzen, nur zu kritisieren reiche nicht mehr aus. Am Ende erhielt Lack 50 Stimmen, 19 weniger als Wienert. Lack gehört zu jenen in der Partei, die aus der linksalternativen Szene zur Partei fanden, sich aber zu ihrer Enttäuschung in der Partei bisher nur begrenzt durchsetzen konnten. Zweite Kreis-Vizechefin bleibt die 29-jährige Gymnasiallehrerin Tina Lange, Gründerin der Bürgerinitiative für mehr Infrastruktur im Ortsteil Fahrland und Frau des Bundestagsabgeordneten Norbert Müller: Auch sie erhielt nur rund 72 Prozent Zustimmung, wie schon bei Wollenberg verweigerte sich ein Teil der Basis.
Angesichts solcher Ergebnisse blieb dem neuen Kreischef Wollenberg nur, gute Miene zu machen. Den Umständen entsprechend sei auch sein Wahlergebnis noch gut ausgefallen, befand er kurz nach dem Basisvotum. Nun müsse man versuchen, den Rest der Basis vom neuen Vorstand zu überzeugen. „Wir schauen jetzt gemeinsam nach vorn und hoffen auf ein gutes Wahlergebnis“, so Wollenbergs letzte Worte an die Delegierten nach achtstündiger Sitzung. Henri Kramer
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