zum Hauptinhalt

Potsdam: Linke sucht neue Führung

Sascha Krämer gibt nach sechs Jahren den Vorsitz der Potsdamer Linken ab. Eine Doppelspitze wäre möglich.

Stand:

Potsdams Linke muss sich einen neuen Vorsitzenden suchen. Kreischef Sascha Krämer kündigte am Freitag auf der Gesamtmitgliederversammlung der Linken im Humboldt-Gymnasium seinen Rückzug aus privaten Gründen an. Er werde ab Mai mit seiner Frau Denise Dittrich nach Johannesburg in Südafrika umziehen, sagte der 39-Jährige, der in Potsdam Politikwissenschaft studiert hat. Auch sie ist in der Kommunalpolitik aktiv und trat 2014 für die FDP als Kandidatin an. Beruflich ist Dittrich als Referentin bei der Friedrich-Naumann-Stiftung tätig. Für die FDP-nahe Organisation wird sie nun für zwei Jahre eine Stelle in Südafrika übernehmen.

Doch es waren wohl nicht nicht nur private Gründe, die Krämer den Abgang von der Linken-Parteispitze erleichterten. Hinter den Kulissen hat es in der Linke-Führung nach PNN-Information häufiger gekracht. So gab es Differenzen zwischen Krämer und Hans-Jürgen Scharfenberg, dem Potsdamer Landtagsabgeordneten und Fraktionschef der Linken in der Stadtverordnetenversammlung. Das unumstrittene Zugpferd der Potsdamer Linken in Wahlkämpfen konnte sich ein ums andere Mal inhaltlich gegen Krämer durchsetzen. Differenzen gab es zum Beispiel im Umgang mit der Stadtwerke-Affäre, in der Scharfenberg mehr Verständnis für die Geschäftsführer des affären-belasteten kommunalen Unternehmens aufbrachte, als Krämer lieb war. Auch in der Verkehrspolitik vertrat Krämer eine andere Position als der autofreundlichere Scharfenberg.

Wer auf Krämer folgt, blieb am Freitag offen. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin schlug er nicht vor. Zu Beginn des neuen Jahres soll ein Team aus dem Parteivorstand auf Kandidatensuche gehen und sich mit allen Ortsverbänden treffen.

Krämer war sechs Jahre lang Kreisvorsitzender der Potsdamer Linken. Krämer ist Mitarbeiter des Potsdamer Linke-Bundestagsabgeordneten Norbert Müller sowie der Potsdamer Linke-Landtagsabgeordneten Anita Tack. Unter seiner Ägide wurde die Linke bei den letzten Kommunalwahlen 2014 mit 25,3 Prozent erneut stärkste Kraft in Potsdam. Auch Krämer selbst zog bei dieser Wahl erstmals in die Stadtverordnetenversammlung ein. Allerdings gelang es nicht, die bürgerliche Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW und Grünen aufzubrechen. In einem emotionalen Schlusswort seiner Rede verabschiedete er sich von der Partei. Er rang mit den Tränen. Scharfenberg dankte Krämer für dessen Arbeit. Er sei „berührt von Krämers Rührung“, so Scharfenberg. „Das zeigt mir seine Verbundenheit mit der Partei.“

Möglicherweise kann die Potsdamer Linke auch gleich zwei Vorsitzende suchen. Die Mitgliederversammlung stimmte am Freitag nämlich auch einer Änderung der Satzung zu, mit der sie eine Doppelspitze möglich macht. Zum Kreisvorstand gehören nun zwei Kreisvorsitzende unter Berücksichtigung der Mindestquotierung oder eine Kreisvorsitzende oder ein Kreisvorsitzender. Es wäre also auch ein gemischtes Doppel an der Linke-Spitze möglich – oder ein Team aus zwei Frauen. Krämer selbst brachte den Antrag ein, der 99 von 103 Stimmen erhielt.

Viele Kreisverbände hätten mit einer Doppelspitze gute Erfahrungen gesammelt. Auch auf der Bundesebene funktioniere das Modell gut. Gerade ein ehrenamtlich arbeitender Kreisvorstand müsse die Verantwortung verteilen. „Wir müssen für Frauen attraktiver werden“, sagte Krämer. Tatsächlich hatte die Linke in der Vergangenheit Probleme damit, ausreichend weibliches Personal für den Parteivorstand zu rekrutieren. Posten blieben deshalb unbesetzt.

Für wenigstens einen davon gibt es nun eine Lösung. Annett Bauer ist neues Mitglied im Vorstand. Die 40-jährige Sozialpädagogin lebt seit März in Eiche und arbeitet beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Obwohl sie nach eigenem Bekunden den Mitgliedern gänzlich unbekannt sei, erhielt sie 89 von 100 Stimmen. Bauer bringt bereits kommunalpolitische Erfahrung aus ihrem früheren Wohnort Rheinsberg mit. Allerdings gab es bei ihrer Wahl eine Panne. Die Auszählung musste wiederholt werden, weil zunächst die falschen Wahlzettel verteilt worden waren.

Fragen wurden Bauer von den Mitgliedern nicht gestellt. Ebenso wenig wie zu Krämers Abgang kam keine Debatte zustande. Auch der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller, der zuletzt wegen seiner Nutzung des Bundestagsfahrdienstes unter anderem von Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht kritisiert worden war, musste sich vor den Mitgliedern nicht rechtfertigen. Müller soll sich insgesamt 60 Mal seit seinem Einzug in den Bundestag Ende 2014 auf Staatskosten vom Fahrservice von und nach Berlin kutschiert haben lassen. Grundsätzlich dürfen Bundestagsabgeordnete zwar den Fahrdienst in Anspruch nehmen, in der Regel aber bezieht sich der Service nur auf Fahrten innerhalb Berlins oder zum Flughafen Schönefeld (Dahme-Spreewald). Dafür hatte sich Müller kürzlich auf dem Landesparteitag entschuldigt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })