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Ein Garten macht glücklich. Sagen Christa und Konrad Näser. Zusammen sind sie 162 Jahre alt und arbeiten täglich in ihrem Paradies. Am Sonntag empfangen sie Besuch.

© A. Klaer

Potsdams Gartenjahr beginnt: Lipsiensis für Anfänger

Im Blütengarten von Christa und Konrad Näser beginnt Potsdams Gartenjahr. Am Sonntag findet dort der Buschwindröschentag statt – für Gärtner und alle, die es werden wollen.

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Potsdam - Die Kanadische Waldlilie ist nichts für Anfänger. „Ich bin der Einzige hier, der sie halten kann“, sagt Konrad Näser und es klingt, als spräche er über eine empfindliche Dame. Die zwei Dutzend Jungpflanzen auf dem Verkaufstisch hat er vor ein paar Tagen eingepflanzt, bei manchen blitzt schon die Blüte durch. Im Angebot am kommenden Sonntag, wenn Konrad Näser zum traditionellen Buschwindröschentag in seinen privaten Garten einlädt, ist auch der Entenfuß, ebenfalls ein schwieriger Kandidat. Und ein seltener. Drei Stück hat Näser seinem Bestand abringen können. Aber daneben natürlich noch viel mehr: Haselwurz und Blauglöckchen, Gelbe Trauerglocke und einheimisches Lungkraut, jede Menge Winterlinge und natürlich Buschwindröschen. Nach denen schließlich der Sonntag benannt ist. Dann kann man sich den Garten erlaufen, schauen und genießen, dem Gärtnerehepaar Christa und Konrad Näser Fachfragen stellen. Und natürlich kleine Pflänzchen für den eigenen Garten kaufen.

Gärtner machen keinen Urlaub

In den vergangenen Wochen hat Näser viele Wurzelballen getrennt, Setzlinge gezogen, getopft, gepflanzt. Manches schon im Herbst vorbereitet. Gärtner machen keinen Urlaub. Brauchen sie vielleicht auch nicht, mag man denken, wenn man Konrad Näser und seine Frau sieht. „Garten macht glücklich“, sagt er. Wenn am Sonntag die Gäste kommen – manche stehen gleich um zehn Uhr Schlange am Tor – dann werden sie vielleicht auch am Teich Platz nehmen, wo der kleine Wasserlauf plätschert, in Sichtweite Skulpturen der Potsdamer Künstlerinnen Carola Buhlmann und Dorothea Nerlich. „Manchmal ist es so gemütlich, dann werden hier spontan Volkslieder gesungen“, sagt Christa Näser.

Das Ehepaar kam Ende der 50er-Jahre nach Potsdam. Beide hatten in Chemnitz eine Gärtner-Ausbildung gemacht. Konrad Näser begann dann in Berlin Gartenbau zu studieren. Trotz einiger Schwierigkeiten, die man politisch mündigen Bürgern wie den Näsers in Weg legte, blieben sie in der DDR. Näser begann schließlich bei Karl Foester in Bornim zu arbeiten. Christa und Konrad Näser spürten, dass sie dort wurzeln konnten. Er erinnert sich noch: „Am zweiten Mai kannste anfangen“, habe Foerster knapp gesagt. Näser blieb in dem Gartenbetrieb, das Forschen und Züchten war ganz nach seinem Geschmack. Nach der Wende erlebte Näser die Insolvenz des Nachfolgebetriebes und arbeitete zuletzt wieder in der Forschung. Heute ist er längst im Ruhestand. Theoretisch. Denn der eigene Garten, etwa 2000 Quadratmeter, ist ein Fulltime-Job für ihn und seine Frau. Seit 1959 sind sie in Bornim zu Hause, der Garten, zunächst hauptsächlich mit Obst und Gemüse für die Eigenversorgung, später mehr und mehr mit Zierpflanzen, ist ein langsam gewachsenes Paradies. Das Alter lässt sich gut an einem Urwelt-Mammutbaum ablesen. 1960, als Näser seinen Meister machte, bekam er den von seinem Prüfer geschenkt. Mittlerweile ist er wie ein Zeitstrahl gut 20 Meter in die Höhe gewachsen.

Auf das Buschwindröschen ist Verlass

Jetzt im Frühling tut sich vornehmlich was am Boden. Näser, der auch Imker ist, achtet darauf, dass seine Bienen möglichst zeitig im Umkreis des Bienenhäuschens Futter finden. Die Riesenschneeglöckchen sind schon hinüber, Leberblümchen, Weißer und Lila Lerchensporn blühen noch. Verlass ist auch auf das Buschwindröschen. Näser hat weiße und sonnengelbe und das eher seltene schwefelgelbe, Lipsiensis, eine Leipziger Züchtung. In seinem „Wunderbeet“, eine Art Experimentierfeld, wächst es gut. Hier probiert Näser Neues, schaut seinen Probanden zu, wie sie sich entwickeln, erforscht, welche Ansprüche sie an Licht, Wasser und Boden stellen, wie sie über den Winter kommen.

Für Gartenanfänger klingt das kompliziert. Denen rät Näser – neben den Frühblühern – zu Taglilien, Phlox und Staudensonnenhut. Und zu Gemüse. „Mit Erbsen, Kohlrabi und Erdbeeren kann man nichts falsch machen“, sagt er.

Die Natur als Maß der Dinge

Näser stellt dabei klar: Mit Baumarkt-Gärtnern hat das wenig zu tun. „In sämtlichen Baumärkten in ganz Europa bekommen Sie dieselben 60 Pflanzen, eine Standard-Auswahl. Verkaufsschön gemacht im Folienzelt. Da muss man sich nicht wundern, wenn sie im Freiland nicht zurechtkommen“, sagt er. Die Natur ist das Maß aller Dinge, auch wenn er gern tüftelt und forscht, über die perfekte Erdmischung und über vorsichtigen Pflanzenschutz. Im Teich darf ein Band Krötenlaich schlingern, mal sehen, ob auch dieses Mal die Blindschleiche ihn fressen wird, sagt Näser. In einer umgestülpten Kiste ist ein Igel zu Hause. Und dann sind da die Bienen, acht bis zehn Völker, je nachdem, wie sie den Winter überstanden haben. Bei Sonnenschein fliegen sie schon. Bald werden die Obstbäume blühen, der James Grieve, ein knorriger alter Apfel, „hat schon das Mausohrstadium erreicht“, sagt Näser. Soll heißen, er blüht in zehn Tagen. Näser führt ein Wettertagebuch, notiert täglich Temperatur, Niederschlag und Bewölkung, besondere Vorkommnisse.

„Hier wird durchgeblüht“, sagt er. Im Frühling sind es die Bodendecker, im Sommer und Herbst die Stauden und Sträucher. Zum Fuchsientag – Christa Näsers Lieblingspflanze – am 17. Juni und zum Rudbeckientag am 18. September wird er wieder das Gartentor öffnen. Zunächst bekommt er Besuch von einer Gartenvereinigung aus den Haag, im Juni von der International Clematis Society. So viel Aufmerksamkeit ist ihm fast zu viel. „Der Garten ist doch bloß ein Garten.“

Buschwindröschentag am Sonntag, den 10. April von 10 bis 16 Uhr in der Amundsenstr. 9

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