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Durchblick gefragt. Bei der Märkischen Bildungsmesse gab es Vorträge und individuelle Beratung für junge Menschen, die Berufsorientierung suchen – und Unternehmen, denen die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter wichtig ist.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Lokführer gesucht

Was kommt nach der Schule? Wie gehts weiter nach der Elternzeit? Bei der Neuen Märkischen Bildungsmesse ging es um genau diese Fragen. 70 Aussteller trafen auf etwa 1000 Besucher

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Acht Jahre war die 44-Jährige raus aus ihrem Beruf, ihrem Erwerbsleben, hat während der Familienzeit drei Kinder bekommen. Jetzt möchte sie wieder arbeiten, aber nicht unbedingt in ihrem alten Beruf. „Ich suche Neuorientierung“, sagt die Potsdamerin, die am gestrigen Mittwoch die Neue Märkische Bildungsmesse besuchte. 70 Aussteller präsentierten Bildungs- und Beratungsangebote im Dorint-Hotel. Etwa 1000 Besucher wurden von den Veranstaltern, der Agentur Travel Art und der Goericke-Beratung für Strategie und Kommunikation GmbH, erwartet. Die Messe ist gedacht für Schüler, die sich über Ausbildungsmöglichkeiten informieren wollen. Ein Schwerpunkt liegt aber auch auf dem Thema Weiterbildung. „Das ist interessant für alle, die bereits eine Ausbildung haben und sich umorientieren wollen, Studienabbrecher, Frauen und Männer, die nach der Elternzeit ihre Rückkehr in den Beruf planen“, sagt Constanze Zemlin vom Veranstalter. Auch Unternehmen sehen sich hier um, suchen Weiterbildungsträger und Schulen für ihre Beschäftigten. „Es ist ein Marktplatz“, so Zemlin. Suchende und Anbieter sollen auf der Messe zusammenkommen.

Das ist dringend nötig: „Der Fachkräftemangel ist da, auch wenn Potsdam aufgrund der Berlinnähe noch nicht so sehr davon betroffen ist“, sagt Jörn Hänsel vom Regionalbüro für Fachkräftesicherung der Zukunftsagentur Brandenburg. Im Umland und in Städten wie Cottbus, Brandenburg und Frankfurt (Oder) sei es dramatischer. Gerade das Handwerk leide dort darunter, Ausbildungsplätze könnten nicht belegt werden und kleine Familienbetriebe müssten schließen, da es keine Nachfolger gibt. „Viele studieren lieber, weil es heißt, da liegt die Zukunft“, so Hänsel. Dabei sei Handwerk nach wie vor attraktiv. Das liege vor allem an dem dualen Ausbildungsmodell. Das Problem: Die Schüler müssen möglichst frühzeitig herausfinden, wo ihre Neigungen, Stärken und Schwächen liegen. Und sich über neue Ausbildungsberufe informieren, neue Berufsfelder kennenlernen.

Genau das passiert auf der Messe. Ganz frisch ist die Ausbildung zum Hundefachwirt, um eine Hundeschule zu eröffnen. Die Industrie- und Handelskammer bietet die Ausbildung, die mit einer Livevorführung mit Hunden vorgestellt wird, an. Seit 2010 gibt es den Beruf des Geomatikers, der die alten Abschlüsse des Vermessungstechnikers und des Kartografen vereint und um neue Technologien aus Multimedia und Geoinformationssystemen ergänzt, sagt Ralf Klier, Leiter des Berufsfortbildungswerk Berlin. Am Messestand haben sie ein gelbes Messgerät, wie man es vom Straßenrand her kennt, aufgebaut, gern darf man durchschauen. Doch von den angepeilten 1000 Besuchern sind am Vormittag noch nicht allzu viele da.

Eine Berufsschulklasse aus der Türkei, angehende Elektriker, schaut sich im Rahmen eines Schüleraustauschs um. „Die sollen sehen, wie Aus- und Weiterbildung in Deutschland funktioniert“, sagt der Betreuer. Auch eine Klasse künftiger Altenpflegerinnen besucht die Messe. „Das gehört in den Lehrplan“, sagt die Lehrerin, bevor sie sich mit den Azubis den Vortrag über Karrierechancen im Gesundheitswesen anhört. Das sei ein krisensicherer Job, meint eine junge Frau zuversichtlich.

Vor allem im Gesundheitswesen ist der Fachkräftemangel deutlich zu spüren, so Hänsel. Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sei deshalb ein wichtiger Bereich, wenn man in Deutschland in ein paar Jahren nicht große Probleme haben will. Denn junge, gut ausgebildete Menschen aus Brandenburg können sich ihre Arbeitsplätze mittlerweile aussuchen. Wer in Westdeutschland mehr verdient als hier, der geht weg. 70 Prozent aller Studienabgänger verlassen ihre Heimat, so Hänsel. „Das ist ein Kreislauf, erst geht der eine Freund, dann die ganze Clique.“ Mit speziellen Programmen für Rückkehrer will man diesem Trend entgegenwirken.

Gut nachgefragt sind gestern die Termine für Einzelberatung, Unterlagencheck, Bewerbungstraining, zu Sprachhabitus und Erscheinungsbild. Das sei so wichtig, dass da alles stimmt, damit man in den ersten drei Sätzen punkten kann, sagt der Journalist Attila Weidemann, der als Moderator auftritt. Vorteilhaft sei auch eine gut gepflegte Bewerbungsmappe mit Unterlagen zum Thema Berufswahl. „Die IHK verteilt die Mappen an alle Siebtklässler – aber ich habe heute noch keine gesehen“, sagt Weidemann. Und macht andererseits Quereinsteigern Mut. Den klassischen Werdegang, Schule, Ausbildung, Beruf, den gebe es kaum noch. „Ich wollte tatsächlich mal Pfarrer werden“, sagt er.

Auch Lokführer, einst der Traumberuf schlechthin aller Jungs, will heute kaum noch jemand werden. „Dabei werden die gut bezahlt“, sagt Marko Riebe. Der ehemalige Lokführer leitet heute einen Ausbildungsbetrieb. Schichtarbeit und psychische Belastung schrecken viele davon ab, diesen Beruf zu ergreifen, sagt er. Aber die, die sich durchbeißen und die relativ anspruchvolle technische Ausbildung absolvieren, bleiben meistens dabei. Zehn Monate dauert die Umschulung. Das wäre immerhin für die dreifache Mutter, die einen neuen Beruf sucht, eine angemessene Umschulungszeit. „Ich würde gern Erzieherin werden, aber das dauert drei Jahre – zu lang, wenn man Familie hat und Geld verdienen muss.“

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