Sport: Lügen und schweigen
Während ein Fußball-Präsident Doping zugibt, enttäuscht der Prozess gegen Fuentes bisher
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Madrid - Es hätte der Moment der Wahrheit sein können. Wenn sie wolle, könnte er allen 186 Blutbeuteln einen Namen zuordnen, hatte Eufemiano Fuentes fast galant der Richterin angeboten. Einen Augenblick lang schien möglich, dass im Saal des schmucklosen Zweckbaus am Rande Madrids doch noch darüber gesprochen wird, welche prominenten Sportler der Angeklagte Mediziner behandelt hat. Der Moment, auf den die Welt-Anti-Doping-Agentur, der Radsport-Weltverband und das Olympische Komitee Italiens als Nebenkläger seit Jahren warten. Doch Richterin Julia Patricia Santamaria lehnte ab. Fuentes sei nicht verpflichtet, die Namen zu nennen, weil das für den Prozess nicht relevant sei, erklärte sie zur spürbaren Enttäuschung der Nebenkläger.
Es gehört zur paradoxen Logik des seit einer Woche laufenden Prozesses gegen den unter dem Verdacht des großangelegten Dopings stehenden Sportmediziner, dass es im „Juzgado de lo Penal“ überhaupt nicht um die Aufklärung der Dopingvorwürfe geht. Angeklagt sind der 57-jährige Fuentes und vier weitere Angeklagte – ehemalige Rennstallbesitzer und Fuentes Schwester – nur wegen des Vorwurfs, mit der Blutbehandlung die Gesundheit seiner Kunden gefährdet zu haben. Wer Aufklärung will, ist eher auf Hinweise von außen angewiesen.
So hat der ehemalige Präsident des Fußball-Erstligisten Real Sociedad San Sebastian am Montag in einem Interview mit der Sportzeitung „As“ erzählt, die Sportärzte seines Klubs hätten vor seiner Amtszeit im Jahr 2008 mit einer schwarzen Kasse sechs Jahre lang Dopingmittel eingekauft. Es könne auch sein, sagte Inaki Badiola weiter, dass Fuentes der Lieferant der illegalen Mittel gewesen sei. Das wiederum könnte mit bei dem Arzt gefundenen Unterlagen übereinstimmen, auf denen das Kürzel „Rsoc“ vermerkt war.
Richterin Santamaria aber hat in den bisher fünf Verhandlungstagen viele Hoffnungen gedämpft. So wies sie auch den Antrag der Doping-Agentur zurück, den 2006 beschlagnahmten Computer von Fuentes auszuwerten. Das verletze die Privatsphäre des Mediziners, befand die Richterin. Und so bleibt es vor allem dem Hauptangeklagten überlassen, zur Wahrheitsfindung beizutragen – eine Rolle, dessen sich der selbstbewusste Fuentes sehr bewusst ist. Mit stets durchgedrücktem Rücken gefällt sich der Mediziner darin, mit Andeutungen immer wieder seine Bedeutung zu unterstreichen, um gleichzeitig alle Vorwürfe zurückzuweisen.
Die zwei Koffer voller Epo und Wachstumshormone seien lediglich zur Behandlung seiner damals krebskranken Tochter gewesen, sagt der frühere medizinische Betreuer von spanischen Rennställen. Mit den in seiner Wohnung beschlagnahmten Dopingmittel habe er seinen kranken Vater behandeln wollen. Und andere Dopingsubstanzen hätten einem damaligen Mitarbeiter gehört, der inzwischen Selbstmord begangen hat.
Trotz enttäuschter Erwartungen und unbefriedigender Andeutungen hat der Prozess Wirkung gezeigt. Erstmals hat Fuentes offiziell zugegeben, dass nicht nur Radsportler, sondern auch Leichtathleten, Fußballer, ein Tennisspieler und ein Boxer Kunden gewesen seien. Sein Bekenntnis, auch der frühere Radprofi Pipe Gomez sei sein Kunde gewesen, hat zu dessen sofortigem Rücktritt als Präsident der spanischen Radprofis und Generalsekretär der staatlichen Sportjugend-Förderung geführt. Und über den in Spanien populären Ex-Radprofi Jesus Manzano gab Fuentes preis, dieser habe jahrelang Kokain genommen. Zugleich hat der holländische Radprofi Thomas Dekker zugegeben, dass vier der 2006 beschlagnahmten Blutbeutel ihm gehören. Auch der deutsche Ex-Profi Grischa Niermann gestand, mit Epo manipuliert zu haben.
Die spanischen Medien weisen auch auf das Misstrauen anderer Länder hin, ob die spanischen Erfolge in zahlreichen Sportarten mit rechten Dingen zustande gekommen seien. Spanien brauche mehr als diesen einen Prozess, schreibt die Sportzeitung „As“, um seine Glaubwürdigkeit im Kampf gegen Doping zurückzugewinnen. Von Fuentes ist das nicht zu erwarten. „Ich habe das Recht zu lügen und zu schweigen“, erklärte er am bisher letzten Verhandlungstag.Gerd Nowakowski
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