Homepage: Mahnmal der anderen Art
Mendelssohn-Zentrum als Ort der Ideen geehrt
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Die Überleitung fiel Prof. Julius H. Schoeps nicht schwer. Am 74. Jahrestag der Bücherverbrennung der Nazis ehrte der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ) gestern einerseits den 98-jährigen jüdischen Gelehrten Hans Keilson mit der Mendelssohn-Medaille. Andererseits nahm er selbst als Chef des MMZ die Ehrung als Ort im „Land der Ideen“ entgegen. Die bundesweite Kampagne zeichnete das MMZ für ein Projekt aus, das als eine Art lebendiges Mahnmal die Geschichte der Bücherverbrennung in die deutschen Schulen tragen soll.
Keilson selbst – Arzt, Psychologe, Schriftsteller und Pädagoge – war 1933 Opfer der NS-Kampagne geworden. Sein erstes Buch „Das Leben geht weiter“ über seine Kindheit im brandenburgischen Bad Freienwalde wurde auf den Index gesetzt, er erhielt Schreibverbot und später auch das Verbot, als Arzt zu praktizieren. Er floh in die Niederlande, verlor seine Eltern in Auschwitz und widmete sich nach dem Krieg den traumatisierten Kindern, die den Holocaust als Waisen überlebt hatten. Dafür wurde er gestern geehrt.
Sichtlich bewegt bedankte sich der 1909 geborene Keilson im Kutschstall für die Auszeichnung. Ein melodiöser Singsang lag in seiner Stimme, fast schon etwas andächtig sprach er dann über Moses Mendelssohn als Mentor der deutsch-jüdischen Symbiose und der deutsch-jüdischen Aufklärung. „Vielleicht spricht er ja unhörbar ein Kaddisch für mich“, sagte Keilson. Dass er am Vortag noch einmal in Caputh war, wo er vor der Zerstörung des jüdischen Kinderheims durch die Einwohner als Lehrer gearbeitet hatte, hob dann Prof. Schoeps hervor. „Caputh war für die jüdischen Kinder so etwas wie ein letztes Stück Heimat, ein Refugium, während der Rassenhass in Deutschland um sich griff“, sagte Schoeps. Keilson ehrte er als Zeuge und Protagonist einer Zeit, in der die von den Nazis zerstörten sozialen Milieus noch existierten.
Im Rahmen der Standortinitiative „Land der Ideen“ unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Horst Köhler wurden dann das MMZ für die „Bibliothek verbrannter Bücher“ ausgezeichnet. Schoeps selbst nennt das Projekt ein „Mahnmal der anderen Art“. Die über 300 Werke der von den Nationalsozialisten verfemten und verbotenen Autoren sollen zusammen mit dem Georg Olms Verlag neu erscheinen, versehen mit einem wissenschaftlichen und didaktischen Begleitprogramm.
Die Bibliotheken mit Werken von Schriftstellern wie Wissenschaftlern sollen dann, wie Schoeps ankündigte, an rund 4000 Oberschulen und Gymnasien in Deutschland und Österreich zu erschwinglichen Konditionen abgegeben werden. Ein „gigantisches Projekt“, so Schoeps. „Eine der größten Herausforderungen, der sich das MMZ bislang gestellt hat.“ Wofür allerdings noch Sponsoren benötigt werden. Wissenschaftsministerin Johanna Wanka sagte schließlich, dass Projekte wie dieses das MMZ zu einem „Ort des lebendigen historischen Gedächtnisses“ machen. Jan Kixmüller
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