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Landeshauptstadt: Majestät brauchen Warmwasser

Wie zu preußischer Zeit im Neuen Palais geheizt wurde / Erst Kaiser Wilhelm II. hatte es warm

Stand:

Wenn der Alte Fritz des nachts mal austrat, hat er mit Sicherheit einen großen Bogen um den Marmorsaal des Neuen Palais gemacht. Denn der riesige Raum mit dem kunstvollen Marmorboden war zwar eines Königs würdig, aber in erster Linie eines: Lausig kalt. Am Sonntag gewährte die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Brandenburgs einen exklusiven Blick in die Eingeweide der preußischen Sommerresidenz, also in das Heizsystem des Neuen Palais’. „Wie heizte man dem Kaiser ein?“ fragt der Titel der Sonderführung. Antwort: Fast gar nicht.

Wenn überhaupt, dann wurden in dem riesigen Gebäude ohnehin nur einzelne Räume beheizt: Durchschnittstemperatur 15 bis 16 Grad Celsius – und zwar bei voller Heizleistung und auch im Sommer, denn die dicken Wände hielten die Kühle im Inneren. Kamine gab es nur wenige, und selbst die waren bei einer Heizleistung von fünf Prozent auch eher dekorativer Natur. Einige wurden überhaupt nie benutzt. In den schummrigen Räumen dienten sie daher vor allem als Lichtquelle. Das extravaganteste Heizmöbel dürfte der barock gestaltete, knapp zwei Meter hohe „Drachenkamin“ sein, der in einer der insgesamt fünf Bibliotheken Friedrichs des Großen steht: Ein weißer Kamin in Chinamode von 1767, der ein wenig wie ein riesiger Eierbecher nebst Ei wirkt, auf dem ein fauchender Drache thront.

Erst 1858, als Kronprinzessin Victoria in das Neue Palais einzog, trat ein Wandel ein: Die Prinzessin, die in England schon viel höhere sanitäre Standards gewöhnt gewesen war, verwandte alle finanziellen Mittel aus ihrer Heimat vor allem auf den Ausbau einer Heizung. Aber erst ab 1890 wurde sukzessive ein umfassendes Heizsystem eingerichtet:

14 Kessel in den niedrigen Kellergewölben des Gebäudes versorgten das Schloss einigermaßen mit Wärme. Ein Kessel diente ausschließlich der Erwärmung des Badewassers der Kaiserin, neben dem mit Ziegeln vermauerten Kupferkessel ist zu lesen: „Badeofen ihrer Majestät“. Das Rohrsystem dürfte der Alptraum eines jeden Klempners sein, denn die mit Asbest und Leinen isolierten Wasserrohre waren direkt in die Mauer verbaut – bei einem Leck gab es keine Möglichkeit, an das Rohr heranzukommen.

So ehrfurchtgebietend das Schloss auch ist, in seinen fünf bis 15 Meter hohen Räumen werden Majestät des Öfteren gefröstelt haben: Wer schon mal versucht hat, eine Altbauwohnung warm zu kriegen, wird sich vorstellen können, wie schwer es war, einen Raum wie den Marmorsaal (350 Quadratmeter, 15 Meter hoch) zu heizen. Dafür war eine einzige Buderus-Niederdruckheizung von 1890 zuständig, die etwa so groß wie zwei hintereinander gestellte Musikboxen ist. Bei großen Festlichkeiten musste zwei Tage zuvor in drei Schichten angefangen werden, Kohle zu schippen, damit überhaupt eine Heizwirkung zu spüren war – im Bestfall 15 Grad Celsius. Wer beim Ball nicht mittanzte, bekam garantiert kalte Füße.

Trotzdem hatten die preußischen Fürsten auch permanente Angst davor, dass es zu heiß werden könnte – nämlich durch Feuer. So gab es schon zu Zeiten Friedrichs II. in einem Wandkasten verborgene Löschvorrichtungen in den Räumen, die per Schlauch mit stets gefüllten Wasserbottichen im Treppenhaus gespeist werden konnten. Zum Glück gab es nur ein einziges Mal ein kleines Feuer, nämlich als eine Dame des Hofes eine Motte von ihrem Bettvorhang verscheuchen wollte, und dabei mit einer brennenden Petroleum-Lampe nach ihr schlug.

Kein Wunder, dass der Alte Fritz das Neue Palais nur selten zum Wohnen genutzt hat, denn gemütlich herrschte es sich hier nicht. Dafür trug man aber etwas mehr Kleidung. Auch jetzt bei der Führung muss man schon die Jacke zumachen – frieren wie der König. Erik Wenk

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