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Von Juliane Wedemeyer: Mann der Gesetze

Rechtsanwalt Peter Schüler ist Potsdams neuer Stadtpräsident, früher war er Physiker

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Er ist ein Mann der Gesetze. Peter Schüler wollte schon immer Rechtsantwalt werden – wie sein Großvater. Doch als er kurz vor dem Abitur einen Beruf wählen musste, entschied er sich erst einmal für ein Physikstudium: „In der DDR waren die Gesetze ja nicht so für die Menschen gemacht, da habe ich mich lieber den Naturgesetzen gewidmet.“ In die SED ist er trotzdem eingetreten oder vielleicht auch gerade darum. „Ich wollte mich politisch engagieren“, sagt Schüler. 31 Jahre ist das her. Damals war Schüler 25 Jahre alt und arbeitete als wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Hochschule Ilmenau.

Jetzt steht er mit seiner ledernen Aktentasche im Foyer des Stadthauses. Sein dunkles Haar ist weniger geworden und grau. Zeit zum Setzen hat der 56-Jährige nicht. Gleich muss er die nächste Stadtverordnetenversammlung am 12. November vorbereiten. Denn seit Montag ist Peter Schüler Potsdams erster grüner Stadtpräsident, Nachfolger von der Linken Birgit Müller. Gewählt haben ihn SPD, CDU, FDP, Familienpartei und Bündnis 90/ Die Grünen.

Peter Schüler wirkt zufrieden, lächelt. „Es ist eine große Ehre, dass ich gebeten worden bin, dieses Amt zu übernehmen“, sagt er. Es sei ein Signal nach außen, dass die Stadtversammlung jetzt einen bündnisgrünen Vorsitzenden habe. Angenommen habe er die Funktion aber auch, weil es ihm schmeichle, dass die Stadtverordneten ihm diese Arbeit zutrauten. Eine reizvolle Aufgabe, findet Schüler. „Ich muss jetzt moderieren, nicht nur die eigene Position deutlich machen, sondern auch die der anderen 55 Stadtverordneten, damit wir produktive Arbeitsprozesse zu Wege bringen.“

Schülers politische Arbeit nach der Wende hat eine Ebene höher begonnen, im brandenburgischen Landtag: Dort arbeitete er seit 1990 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Fraktion Bündnis 90, gemeinsam mit dem damaligen Umweltminister Matthias Platzeck. 1992 wurde er als Nachrücker Abgeordneter und leitete bis zum Ende der Legislaturperiode den Rechtsausschuss. Bereits 1979 war er nach Potsdam gezogen, weil er eine Stelle im Forschungszentrum des Kombinats Elektronische Bauelemente in Teltow angenommen hatte. Im Wendeherbst 1989 war er aus der SED aus- und im April 1990 der Bürgerrechtsbewegung „Demokratie Jetzt!“ beigetreten. Die Zeit im Landtag habe er als eine erfüllende und erfolgreiche Etappe erlebt. „Wir hatten damals viel Gestaltungsspielraum und -bereitschaft“, sagt er. Trotzdem sei ihm ziemlich schnell klar geworden, dass er kein Berufspolitiker werden wollte. Darum habe er sich 1994 nicht wieder um ein Mandat beworben. „Ich hätte bestimmt auch keins bekommen“, fügt er hinzu. Der inzwischen 42-Jährige studierte stattdessen Jura und eröffnete danach eine Kanzlei in Potsdam West.

Er arbeitet jetzt als Rechtsanwalt – eben wie früher sein Großvater. Den habe er sehr gemocht. Seine Großeltern wohnten nach dem Krieg in Westdeutschland. Wenn sie ihre Kinder im Osten besuchten, brachten sie den Enkeln Cornflakes und Bücher mit. An „Die Schatzinsel“ erinnert sich Schüler noch. Später wurde er selbst Vater. Seine beiden Kinder sind heute erwachsen.

Schüler wuchs in einer jüdischen Remigrantenfamilie auf, wie er es nennt. Seine Eltern waren vor den Nazis nach Spanien und Großbritannien geflohen und nach dem Krieg nach Deutschland zurückgekehrt – gemeinsam. Sein Vater und seine Mutter hatten sich 1948 in London kennen gelernt und ineinander verliebt. Zuerst lebten sie in Berlin, als ihr Sohn Peter vier Jahre alt war, zogen sie nach Thüringen. „Das Judentum spielte in meiner Familie aber keine große Rolle“, sagt Schüler. Dass seine Familie jüdisch war, habe er vor allem daran gemerkt, dass zum Freundeskreis seiner Eltern vor allem andere Remigranten gehörten. Heute ist Schüler Mitglied im Synagogenbauverein Potsdam, engagiert sich dort im Vorstand.

Seit 2003 sitzt er auch in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Als Mitglied und zuletzt als Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Den Vorsitz hat er seines neuen Amts wegen an Nils Naber übergeben. Kommunalpolitiker sei er geworden, weil er politische Entscheidungen nicht nur kommentieren möchte. Er möchte sich für das, was ihm wichtig ist, einsetzen. Das Stadtschloss zum Beispiel und den Mauerradweg, aber auch die Stolpersteine, die zeigen, wo in Potsdam vor dem Holocaust jüdische Familien gewohnt haben.

Als Stadtverordneter ist Peter Schüler auch Mitglied in den Aufsichtsräten der Potsdamer Stadtbetriebe EWP und ViP. So kann er bei der Energie- und Wasserversorgung und dem öffentlichen Nahverkehr mitreden – ein bisschen zumindest. Sein juristisches Wissen ist dabei sicherlich von Vorteil. Die Physik hat ihn trotzdem nie ganz losgelassen. Auf der Internetseite seiner Kanzlei stellt sich Schüler als Diplomphysiker vor. „Die Methodik, das logische Denken, das ich damals gelernt habe – das hilft mir heute“, sagt er. Außerdem finde er Physik einfach hochinteressant. Vielleicht auch deshalb, weil seine Frau auch Physikerin ist.

Juliane Wedemeyer

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