Landeshauptstadt: Männerträume aus dem Steinbruch
Potsdams Mineralogen sind steinreich. Am Sonntag findet eine Verkaufs- und Tauschbörse statt
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Das Ding sieht aus wie ein altertümlicher Plattenspieler. Erhard Neye schmeißt den Motor an, sprüht ein wenig Flüssigkeit auf die Drehscheibe und streut Schleifmittel drauf: schwarzes Siliziumkarbid. Dann legt er den Stein, der an eine kleine Pellkartoffel erinnert, mit der Schnittfläche auf die Drehscheibe. Nach mehreren Schleif- und Poliervorgängen offenbart der Achat schließlich sein prachtvolles Innenleben.
Neye und sein Kollege Bernhard Frick von der „Fachgruppe Mineralogie, Geologie, Paläontologie Potsdam“ aus dem Brandenburgischen Kulturbund können gar nicht genug kriegen von solchen Momenten. Die beiden Herren im Rentenalter bereiten gerade die jährliche Mineralienbörse vor, die am Sonntag im Treffpunkt Freizeit stattfindet. Über 20 Aussteller aus ganz Deutschland werden erwartet, auch der Verein wird sich mit einem Stand präsentieren. Mineralien, Fossilien, auch weiterverarbeite Produkte wie Schmuckwaren sowie Fachliteratur werden angeboten. Die Besucher sind eingeladen zum Schauen, Staunen, Kaufen und Tauschen.
Auf diese Weise hat sich Erhard Neye, der im Vereinsvorstand sitzt, im Laufe seines Sammlerdaseins eine ganz beachtliche Anzahl von Stufen, so der Fachausdruck für ein Stück Gestein, zusammengetragen. Gezählt hat er sie nicht, doch jedes der – so schätzt er – 1300 Stücke hat eine Karteikarte. Mit Namen und Fundort. Honigopal, Bernstein mit Fliege, Meteorit aus Namibia.
Die schönsten prangen in Neyes Wohnung in Vitrinen und haben in der Schrankwand längst das gute Kaffeeservice verdrängt. „Die Beschäftigung damit hält einen wach und fit im Kopf“, sagt Neye. Es sei ja nicht nur das Sammeln, sondern auch die Aufbereitung, das Sortieren und Archivieren des Materials. Dazu komme die Beschäftigung mit Geologie, Chemie, Physik. Auch wissenschaftliche Vorträge werden bei den Vereinstreffen gehalten. Nur Steine klopfen – das reicht ihnen nicht. Obwohl gerade das Sammeln vor Ort aufregend ist und die Leidenschaft meist damit beginnt. Als Zehnjähriger hat Neye auf den Feldern um Weimar Steine gesammelt, später kam das wissenschaftliche Interesse dazu.
Steinbrüche in Thüringen sind Paradiese für Sammler. Hier in Brandenburg, sagt Vereinsvorsitzender Bernhard Frick, fährt man am besten in den Kalksteinbruch nach Rüdersdorf oder in die Steinbrüche hinter Magdeburg. Dort ist der Flechtinger Höhenzug, voll mit vulkanischem Gestein und Sedimentgestein. Das Graben sei aber früher, zu DDR-Zeiten, einfacher gewesen, sagen die Männer. Als Kulturbundmitglieder durften sie überall rein, zum Teil noch während im Steinbruch gearbeitet wurde. Höchstens 40 Zentimer tief graben, hieß es – die Einhaltung dieser Auflage kontrollierte allerdings niemand, solange die Löcher hinterher wieder zugeschüttet wurden. „Wir haben bis zu zweieinhalb Meter tief gegraben“, erinnert sich Frick.
Heute sei es komplizierter. Sie müssen sich lange vorher anmelden in den Steinbrüchen, und nicht überall dürfen sie hin. Die Arbeitsschutzauflagen sind streng. Vielleicht ist das auch gut so. Neye hätte vor Jahren fast einen Fuß verloren, weil er sich im Steinbruch den Fuß zwischen zwei Platten einquetschte. Monatelang konnte er nur liegen, hat in der Zeit Hunderte kleiner Schachteln für seine Steinchen gebastelt. Mittlerweile sind alle gefüllt. Verstaut in Schubladen, Kisten und Kästen.
Drei- bis viermal im Jahr brechen sie immer noch auf, in kleinen Gruppen mit den Vereinsmitgliedern. Jeder hat seine eigene Schutzkleidung, Helm, feste Schuhe, sein Werkzeug: diverse Hammer und Meißel, Brechstange, Pinzette und Lupe. Zu Hause werden die Funde gewaschen, sortiert, geputzt. Neye sammelt gern Schneekopfkugeln aus der Gegend um Oberhof, jenes kartoffelähnliche Gestein, das kaum von einem Brandenburger Feldstein zu unterscheiden ist. Mit einer Diamantsäge kann man die Kugel über ihre größte Fläche aufschneiden, und nie weiß man, wie es drinnen aussieht. Wenn man Glück hat, komme ein wunderschöner Achat zum Vorschein, das sei immer wie Weihnachten, sagt Neye.
Diese kindliche Freude würden sie gern weitergeben und junge Leute für ihren Verein gewinnen. Derzeit sind die meisten der etwa 35 Mitglieder weit über 50 Jahre alt. Aus Sicherheitsgründen dürfen Kinder nicht mit auf die abenteuerlichen Ausgrabungstouren, es bleibt also nur die theoretische Beschäftigung mit der Materie. Seit Kurzem engagieren sich deshalb Vereinsmitglieder in der Waldschule auf dem Großen Ravensberg, wo sie einen Geschiebegarten eingerichtet haben, eine Ausstellung mit lokalem Gestein und Fossilien, die einst vom Gletscher hierher transportiert wurden und in der Endmoränen-Hügelkette, zu der auch der Ravensberg gehört, liegen blieben. Angewandte Geologie, „damit man mal sieht, worauf wir so rumtrampeln“, sagt Bernhard Frick.
Am kommenden Sonntag findet von 10 bis 17 Uhr eine Mineralien- und Fossilienbörse im Treffpunkt Freizeit statt, der Eintritt ist frei. Die Potsdamer Mineralogen treffen sich jeden ersten Mittwoch im Monat um 18.30 Uhr im Treffpunkt Freizeit, die Kindergruppe um 16.30 Uhr.
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