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Gedenken an Maueropfer: Mauerbild übermalt, Stele gestohlen

Zwei Zwischenfälle haben am Freitag das Gedenken an die Opfer des DDR-Grenzregimes in Potsdam überschattet.

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Potsdam -  Am S-Bahnhof Griebnitzsee ist eine von zwei verbliebenen Informationsstelen zum Mauerverlauf von Unbekannten abgesägt worden. In der gleichen Nacht ist zudem das Bild des Künstlers Kiddy Citny auf der Seeseite der Mauergedenkstätte Stubenrauchstraße mit einem weißen Querstreifen übermalt worden. Darauf geklebt war die Botschaft „Gedenkstätte für Maueropfer - nicht für Mauermaler“ zu lesen. Citny hatte seine umstrittenen „Herzköpfe“ im Sommer ohne vorherige Absprachen oder Erlaubnis auf das Mauerstück gemalt. Der Umgang mit dem Kunstwerk ist seither umstritten.

Am Standort der Infostele an der Treppe zur Anlegestelle gegenüber des S-Bahnhofs Griebnitzsee erinnert nun nichts mehr an den sogenannten Eisernen Vorhang, der hier bis 1989 Deutschland und Europa teilte. Am Fundament sind noch die Enden der Stahlverankerung mit sichtbaren Sägespuren erhalten geblieben. Die mannshohe Tafel, die seit dem Jahr 2002 über den Mauerverlauf und den Todesstreifen informierte, ist verschwunden.

Manfred Kruczek vom Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte hatte am Freitagmorgen die fehlende Stele bemerkt als er auf dem Weg zur Gedenkveranstaltung an der Mauergedenkstätte Stubenrauchstraße war. „Das ist kein gutes Zeichen“, sagte Kruczek. Über die Täter und Motive könne man vorerst nur spekulieren. Was ihn störe, sei die Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern. Das beschäme ihn sehr. Bereits im Jahr 2010 war eine baugleiche Infostele an der Glienicker Brücke gestohlen worden.

Die Stadtverwaltung wurde am Freitag von der Nachricht über die entfernte Stele überrascht. „Wir werden Anzeige erstatten“, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow den PNN. Der Diebstahl der Stele gerade am Jahrestag des Mauerfalls sei ungeheuerlich. „Wir verurteilen das genauso wie die Aktion an der Gedenkstätte“, so der Stadtsprecher.

Unterdessen sind die vor zwei Jahren von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) angekündigten Bemühungen für ein neues Konzept zum Thema Mauergedenken im Rathaus offenbar im Sande verlaufen. Wie aus einem verwaltungsinternen Papier hervorgeht, das den PNN vorliegt, ist der Fachbereich Kultur und Museum zunächst Jakobs’ Auftrag nachgekommen: Am 14. Oktober 2010 segnete der Rathauschef einen Vorschlag von Fachbereichsleiterin Birgit-Katherine Seemann zur Gründung einer Arbeitsgruppe ab, die eine Konzeption mit dem Arbeitstitel „Mauer – innerdeutsche Grenze“ entwerfen sollte. Auf Seemanns Anregung sollten der Gruppe Experten unter anderem des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF), des Potsdam-Museums, des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, des Museums Villa Schöningen und der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße angehören. Bis zum 50. Jahrestag des Mauerbaus am 13. August 2011 sollte das Konzept vorliegen. Die Idee fand Jakobs’ Zustimmung, handschriftlich merkte er an: „Ran an die Arbeit.“

Dieser Aufforderung kam offenbar anschließend niemand nach. Wie berichtet kritisieren DDR-Bürgerrechtler und Vertreter von Opferverbänden Lücken in der Erinnerungskultur an die DDR-Diktatur. Vor allem an der Glienicker Brücke, dem weltweit bekannten Potsdamer Symbol der deutschen Teilung, fehlten Hinweise auf die Bedeutung des Ortes. Die geklaute Stele am Griebnitzsee soll ebenso wie an der Glienicker Brücke nicht ersetzt werden, sagte der Stadtsprecher unter Verweis auf die Kosten. Die Tafeln seien vor zehn Jahren aus Spenden bezahlt worden.

Dass zudem das Bild an der Mauergedenkstätte Stubenrauchstraße übermalt wurde, kommt für die Stadt zur Unzeit. Zum Umgang mit der Mauermalerei hatte man sich im Rathaus noch keine Meinung gebildet. Es gelte der Beschluss, dass das Mauerstück als Gedenkstätte im Originalzustand erhalten bleibe müsse, so Stadtsprecher Brunzlow. Kiddy Citnys Bild sei ein wunderbares Werk, das leider am falschen Ort sei, hieß es. Nun müsse die Stadt prüfen, ob das Bild irreparablen Schaden genommen hat.

Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, die den „Herzköpfen“ von Citny etwas abgewinnen können. Das Mauerstück könne den Kontrast von Unterdrückung und Freiheit symbolisieren, so Manfred Kruczek vom Forum-Verein. Dagegen hatte der DDR-Bürgerrechtler Bob Bahra von Anfang gegen das Bild protestiert. Nun wandte er sich per Mail an Brandenburgs Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur Ulrike Poppe. Bahra protestierte gegen die Teilnahme von Poppes Vertreter an der Gedenkfeier am Freitag. Dadurch werde die Schändung der Gedenkstätte sanktioniert. Diese Gedenkstätte soll Maueropfer ehren und keine Mauermaler, schrieb er.

www.chronik-der-mauer.de

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