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Educon-Affäre: Mehr als 33 Millionen Euro Schulden

Chefin der unter Betrugsverdacht stehenden Potsdamer Bildungsfirma Educon hat Insolvenz angemeldet – in England

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Die seit Monaten andauernde Affäre um den privaten Bildungsdienstleister Educon weitet sich aus. Bisher wurde gegen die Educon-Leitung der Vorwurf erhoben, sie habe Schülerzahlen gefälscht, um vom brandenburgischen Bildungsministerium Fördergelder in Millionenhöhe zu kassieren. Nach den PNN vorliegenden Dokumenten des zum britischen Wirtschaftsministerium gehörenden Regierungsdiensts „The Insolvency Service“ hat die nach Süd-England umgezogene Ex-Chefin des Unternehmens, die 49-jährige Carina H., bei Behörden und Einrichtungen in Deutschland unbezahlte Rechnungen in Millionenhöhe hinterlassen. Betroffen sind etwa das Finanzamt und mehrere Geldinstitute. Insgesamt summieren sich die Schulden von H. laut den Unterlagen auf knapp 29,8 Millionen Pfund, rund 33,5 Millionen Euro.

Doch von diesen Verbindlichkeiten will sich H. – die laut dem vorliegenden Papier der britischen Konkursbehörde persönliche Garantien für die Educon-Gruppe übernommen hat – nun befreien. Laut den Unterlagen, die an die deutschen Gläubiger geschickt worden sind, hat das Insolvenzverfahren von Carina H. bereits vor mehr als einem halben Jahr begonnen. Die dazu aufgestellte Liste der Gläubiger umfasst 26 Positionen. Mit 13 Millionen Pfund das meiste Geld schuldet Carina H. den Angaben nach dem Landesbildungsministerium. Das hatte vor rund einem Jahr – nach Beginn der staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen Subventionsbetrugs gegen Personen aus der Educon-Spitze – Schulen des Bildungsträgers in Potsdam und Cottbus geschlossen. Hintergrund war der Verdacht, dass Educon im Schuljahr 2009/10 in mehr als 500 Fällen Schülerzahlen gefälscht habe, um Zuschüsse von 4500 Euro pro Schüler zu erschleichen. Auch für die Jahre davor vermuten Ermittler Manipulationen mittels verfälschter Klassenbücher. Deswegen hatte die Landesbehörde an Educon gezahlte Fördergelder zurückgefordert. Allerdings sagte Sprecher Stephan Breiding, sein Ministerium könne nur Rückforderungen in Höhe von acht Millionen Euro bestätigen. Es würde derzeit „versucht“, das Geld über die Landeshauptkasse „einzutreiben“. Möglicherweise habe H. extra hohe Angaben gemacht, um möglichen weiteren Rückforderungen zuvorzukommen, hieß es aus Ministeriumskreisen.

Zu Carina H.s weiteren Großgläubigern gehören laut den Insolvenzunterlagen das Finanzamt Potsdam mit neun Millionen Pfund, die Deutsche Bank sowie deren Tochterfirma Deutsche Immobilien Leasing GmbH (DIL) mit insgesamt mehr als fünf Millionen Pfund. Dazu kommen Außenstände bei weiteren Banken wie der Sparkasse oder der Berliner Bank, ebenso bei der Stadt Potsdam (10 000 Pfund), bei der kommunalen Energie und Wasser Potsdam (10 000 Pfund) und bei mehreren Steuerberatern. Selbst die 2800-Pfund-Rechnung für die Beschäftigung eines Berliner Detektivbüros soll laut den Unterlagen nicht beglichen sein.

Eine Insolvenz in Großbritannien kann nach Auffassung vieler Rechtsexperten günstig für Schuldner sei. Denn wenn Privatleute in Deutschland Insolvenz anmelden, sind sie ihre Schulden maximal erst nach sechs Jahren los. In Großbritannien dauert das Verfahren zum Schuldenerlass weniger lang und ist einfacher. Möglich macht die Beantragung dort eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2000, die es Bürgern erlaubt, dort Insolvenz zu beantragen, wo ihr Lebensmittelpunkt liegt – und das muss nicht dort sein, wo sie Schulden gemacht haben. Das Ergebnis des Verfahrens muss jedes EU-Land anerkennen. Im Internet werben Juristen mit „Rundum-Paketen“ für das Modell. Diese verweisen auch auf den Haken der Angelegenheit: Ausgeschlossen von der Schuldenbefreiung sind sogenannte unstatthafte Forderungen – etwa in Zusammenhang mit Straftaten.

Angesichts des begonnenen Insolvenzverfahrens reagieren nun die Gläubiger von Carina H.: Bei der Staatsanwaltschaft ist mittlerweile gegen die frühere Potsdamerin eine Strafanzeige wegen gewerbsmäßigen Betrugs eingegangen. Es bestehe der Verdacht, dass Kredite oder andere Leistungen erschlichen wurden, so der Anzeigensteller. Denn es scheine „kaum vorstellbar“, dass den hohen Schuldenbeträgen „jemals“ eine entsprechende Deckung gegenübergestanden habe, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: Möglicherweise versuche sich Carina H. „ihrer Verantwortung zu entziehen“. Auch ein Haftbefehl wird vorgeschlagen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte am Freitag: „Die Ermittlungen dauern an.“ Educon hatte stets alle Vorwürfe bestritten. Zu aktuellen Stellungnahmen ist bei dem Konzern derzeit niemand zu erreichen, alle Internetseiten sind abgeschaltet.

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