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Landeshauptstadt: Mehr Lobby soll helfen

Der Mangel an Räumen und die Absage der Fête de la Musique bringt Potsdams freischaffende Künstler zusammen. Sie wollen ihre Interessen nun besser durchsetzen

Stand:

Auch sechs Wochen nach der Räumung des Künstlerquartiers in der Alten Brauerei am Brauhausberg gibt es für viele der betroffenen Künstler noch keine neuen Räume. Während für sechs Musikprobenräume im Jugendkulturzentrum Freiland inzwischen eine Finanzierung steht, ist die Nutzung des Artspeichers in der Zeppelinstraße keinen entscheidenden Schritt weiter. Dort soll es nach Angaben aus dem Rathaus noch Gespräche über ein Nutzungskonzept geben. Ein Lichtblick ist immerhin ein Areal in der Babelsberger Ahornstraße, das mittlerweile für etliche betroffene Künstler Ersatz bietet.

Um ihre Interessen künftig besser zu vertreten, hat sich die freie Kulturszene mittlerweile organisiert. In der „Kulturlobby“ haben sich viele Künstler und Musiker am Wochenende zusammengeschlossen (PNN berichteten). Mit dabei ist auch der Verein „Kulturtänzer“, ein Zusammenschluss von ehrenamtlichen Mitarbeitern, die – wie sie selbst sagen – den interkulturellen Austausch von Musik in Potsdam fördern wollen. Ihr Hauptprojekt war dabei die alljährliche Fête de la Musique – die dieses Jahr vor allem dem Rotstift zum Opfer fiel.

Das war der Tropfen, der das Fass schließlich zum Überlaufen brachte: Es müssten grundlegend neue kulturpolitische Entscheidungen getroffen werden, fordert die „Kulturlobby“. Unterstützung gibt es von Künstlern und Bands, die meisten davon aus der Alten Brauerei, aber auch von Fachhochschul-Studierenden der Kulturarbeit, die die Theorie in die Praxis umsetzen wollen. Selbst ein Anwalt hat sich dem Netzwerk angeboten.

„Klar haben wir strukturelle Probleme“, sagt Raiko Moeller von den Kulturtänzern. Die Absage der Fête de la Musique habe zu Enttäuschung geführt. Dennoch setzte sich der Wunsch durch, die Fête nicht einfach durch ein Schweigen auf den Straßen zu ersetzen. Nun gibt es am Samstag doch noch Konzerte, in der Schiffbauergasse etwa, wo es auf dem Theaterschiff „Fetz’ zu der Musik“ heißt und einige Bands spielen werden. Im soziokulturellen Zentrum Freiland werden sogar zwei Bühnen aufgebaut – dort heißt es „Mett de la Physique“.

„Es ist schön, dass es dennoch Aktionen gibt“, sagt André Tomczak von der „Kulturlobby“. Es gehe um eine Vernetzung der kulturellen Arbeit vieler Künstler und Initiativen. Außerdem benötige die Stadt auch einen Ansprechpartner, den sie mit der neuen Initiative nun finden soll.

Außerdem seien Aktionen geplant, um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Eine Idee sei, halbjährlich ein Happening stattfinden zu lassen, vielleicht sogar im Nikolaisaal oder im Hans Otto Theater, um auch die Potsdamer zu erreichen, die sich der sogenannten Hochkultur verschrieben haben. Diese könne nämlich nur entstehen, wenn auch den kleinen, freischaffenden Künstlern genug Raum geboten wird, finden die Kulturlobbyisten.

Nach dem Aus für die Alte Brauerei, wo nun hochwertige Wohnungen entstehen, sind auch andere Orte für freischaffende Künstler in Potsdam bedroht: So ist etwa die Zukunft des Kunst- und Kulturzentrum „Scholle 51“ in Potsdam-West ungewiss. Momentan werden die Künstler in dem Gebäude nach dem Verkauf vor mehr als einem Jahr noch geduldet und organisieren etwa WM-Übertragungen im Innenhof. Für den Umzug in die verwaiste Großgaststätte „Charlottenhof“ in der Geschwister-Scholl-Straße 34 gibt es noch keinen Termin.

Seit diesem Jahr wird auch der Nutzungsvertrag für das Kunsthaus „Sans Titre“ in der Französischen Straße mit der Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956 nur noch jährlich verlängert. Der Trägerverein rechnet mit einem Ende im Jahr 2016. Etwa 250 000 Euro aus Spenden und privaten Mitteln hat der Verein nach eigenen Angaben seit 2009 in das Gebäude investiert. Maler, Bildhauer, Musiker und andere Kreative nutzen das 800 Quadratmeter große Haus demnach. 25 Ausstellungen fanden bisher statt, zwei davon von der Stadt gefördert. Die befristeten Verträge erschweren nun die Planung, sagt Vereinsvorstand Mikos Meininger. Mit der Genossenschaft, die auf dem Areal Wohnungen bauen möchte, sei man im Gespräch.

Anderswo gibt es Platz, aber es fehlt das Geld: Im Keller des alternativen Kulturzentrums „Archiv“ in der Leipziger Straße zum Beispiel könnten sieben bis acht Räume eingerichtet werden, in denen jeweils bis zu vier Bands proben könnten. „Das Potenzial ist da“, sagt Archiv-Sprecher Kay-Uwe Kärsten. Nicht vorhanden sind jedoch die dafür nötigen 100 000 Euro. Die Stadt hat zwar für die Sanierung des Gebäudes insgesamt 625 000 Euro bereitgestellt. Das Geld für die Probenräume ist darin jedoch nicht enthalten.

Auch das „Brausehaus“, wie die alte Limonadenfabrik in der Geschwister-Scholl-Straße in Potsdam-West heißt, scheint bedroht. Das Haus stehe schon eine Weile zum Verkauf, es gebe auch Interessenten, bisher habe man aber noch keine Post erhalten, sagte Sebastian Reinhold vom „Brausehaus“-Kollektiv den PNN. Aber die Angst davor schwinge mit: „Das ist ja auch ein Filetstück in Potsdam.“

Dass es durchaus Möglichkeiten gibt, Räume für Künstler zu schaffen, zeigt sich im „Freiland“. Auf dem Gelände in der Friedrich-Engels-Straße sollen bis Jahresende sechs Probenräume hergerichtet werden. Neben der Stadt und den Stadtwerken kommt ein Teil der dafür nötigen 50 000 Euro vom neuen Besitzer der Alten Brauerei. Dazu kommen freiwillige Eigenleistungen von Jugendlichen und Firmen, die sich am Umbau beteiligen.

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