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Der Garnisonkirchenturm wird derzeit Stein um Stein gemauert.

© Andreas Klaer

Debatte um Garnisonkirche: Mehrheit für möglichen Erhalt des Rechenzentrums

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat eine Mehrheit der Stadtpolitik für seine Kompromissideen zum Thema Garnisonkirche sicher. Das zeigte der Hauptausschuss am Mittwochabend. 

Potsdam – Hoffnung für das abrissbedrohte Künstlerhaus Rechenzentrum: Nach vielen Debatten hat sich eine Mehrheit der Stadtpolitik auf eine Position verständigt, die Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) nun im Dauerstreit zur Garnisonkirche im Kuratorium der Stiftung vertreten soll. Den Beschluss dazu fassten die Stadtverordneten am Mittwochabend im Hauptausschuss – gegen die Stimmen von CDU, FDP und AfD. Das Votum gilt als vorentscheidend vor der nächsten Sitzung des Stadtparlaments.

Ein mehrstufiges Verfahren

Mit dem Beschluss wird nun ein weitestgehender Erhalt des Rechenzentrums ausdrücklich nicht mehr ausgeschlossen, ein historischer Wiederaufbau des Kirchenschiffs hingegen nicht mehr erwähnt. Kern des Vorschlags ist zugleich, dass bis 2023 in einem mehrstufigen Verfahren und „unter Wahrung der Eigentumsrechte und Nutzendeninteressen“ ein inhaltliches und gestalterisches Konzept für den Standort Garnisonkirche und Rechenzentrum erarbeitet werden soll. Dem stimmte im Ausschuss neben der rot-grün-roten Rathauskooperation auch die alternative Fraktion Die Andere vor, die zu den entschiedenen Gegnern des Wiederaufbaus gehört – mit dem Ja aber auch den entstehenden Turm anerkennt. So will es die Fraktion allerdings nicht interpretiert sehen, teilte sie am Donnerstag mit: "Unsere Stadtverordneten haben lediglich im Hauptausschuss für den Verfahrensvorschlag des OBM gestimmt, eine inhaltliche und gestalterische Neuplanung des Areals an der Garnisonkirche anzuschieben. Ob sich am Ende des Verfahrens für uns eine Nutzungsidee durchsetzt, die wir mittragen können, werden wir sehen. Die Andere hält selbstverständlich weiter an der Forderung fest, dass auch am Turm ein klar sichtbarer Bruch mit dem Symbol Garnisonkirche vollzogen werden muss."

Bis Juni läuft der erste Teil des Verfahrens

In einem ersten Verfahren soll OB Schubert nun bis Juni mit der Stiftung und auch Vertretern des Künstlerhauses Rechenzentrum das weitere Verfahren regeln. In einem zweiten Schritt geht es bis Anfang 2021 um ein inhaltliches Konzept für den Standort, in dessen Findung auch Potsdamer Gedenkstätten, Jugendbildungs- und Museumsstandorte einbezogen werden. Dann erst geht es um die Gestalt dessen, was auf dem Grundstück des ehemaligen Kirchenschiffs errichtet werden soll – dazu wird bis Sommer 2022 eine Art Architekturwettbewerb ausgelobt, der diverse Varianten finden soll. Und dabei soll laut dem Beschluss eben auch der „teilweise oder vollständige Erhalt des Rechenzentrums“ berücksichtigt werden – unter dem Vorbehalt, dass die Stiftung und ihr Kuratorium dem zustimmt.

Auf das Kuratorium kommt es an

Gerade Stiftungsvorstand Wieland Eschenburg hatte nach PNN-Informationen im Vorfeld der Ausschusssitzung darauf gedrungen, dass der Erhalt des Rechenzentrums möglichst aus der Vorlage verschwindet – bisher ist der Abriss ab Ende 2023 beschlossene Sache. Doch diesem Wunsch entsprach Schubert nicht, sondern wählte den Passus, dass der Erhalt vom Votum der Stiftung abhängig ist. Im Kuratorium der Stiftung sitzt auch Potsdams Superintendentin Angelika Zädow, die bereits erklärt hatte, dass der Kirchenkreise kein Kirchenschiff an dieser Stelle benötige. Schuberts Kalkül ist demnach, im Kuratorium eine Mehrheit für seine Position zu erhalten. Er will vor Ort „unumkehrbare inhaltliche Brüche mit der Geschichte“ der einstigen Militärkirche haben, die sich auch in der Architektur niederschlagen sollen. Diese könnten aus Schuberts Sicht eben auch das Rechenzentrum mit einschließen. Im Kuratorium sei man in der Debatte an manchen Stellen schon weiter als in der Politik, so Schubert im Ausschuss.

CDU stimmt dagegen

Doch gerade den Rechenzentrum-Passus im Beschlusstext wolle CDU-Oppositionschef Götz Friederich im Ausschuss nur unter der Bedingung akzeptieren, dass auch der originalgetreue Wiederaufbau des Kirchenschiffs noch eine Variante sei. Alternativ könne man die Stelle mit dem Rechenzentrum für einen offenen Prozess streichen, schlug FDP-Mann Björn Teuteberg vor. Doch das wollte die rot-grün-rote Rathauskooperation nicht. Denn die Wahrscheinlichkeit einer historischen Rekonstruktion gehe „gegen null“, sagte zum Beispiel Linke-Urgestein Hans-Jürgen Scharfenberg – der auch eine Bürgerbefragung zu dem Thema vorschlug. Friederich wiederum warnte vor einseitigen Vorfestlegungen zum Rechenzentrum. So ging es hin und her. Schließlich warf Potsdams SPD-Chef David Kolesnyk den CDU-Vertretern vor: „Sie suchen nur händeringend einen Grund, damit sie dieser Vorlage nicht zustimmen müssen.“ Das wies Friedrich als „billige Unterstellung“ zurück. Es folgte aus Sicht der CDU die Abstimmungsniederlage.

Die Kosten sind unklar

Unklar blieb, was das Verfahren kosten könnte. Das soll auch bis Juni feststehen. Ein vollständiger Erhalt des Rechenzentrums würde laut Schätzungen mehr als zehn Millionen Euro kosten – hier wäre die Frage zu klären, ob sich ein Investor dafür finden könnte.

Seit Jahren wird über den Wiederaufbau debattiert, aktuell wird bereits – vor allem auch durch eine Millionenförderung des Bundes – der Turm der 1968 gesprengten Kirche errichtet. Der Bund hat ferner bereits Mittel für eine Machbarkeitsstudie zu einem Kirchenschiff in Aussicht gestellt. Daher hatte Schubert auch auf eine Positionierung der Stadtpolitik gedrungen, um eine Mitsprache zu sichern.

Inhaltlich schwebt ihm eine Art Lernort der Geschichte vor. So hatte Schubert mehrfach die aus seiner Sicht „noch nicht ausreichend“ aufgearbeitete NS-Stadtgeschichte Potsdams betont. Hier trage die Stadt eine „Verantwortung zur Öffnung und Beförderung einer breit angelegten Auseinandersetzung“ mit der Historie – was genau an diesem Standort des ehemaligen Kirchenschiffs möglich sei. Damit soll auch vermieden werden, was Kritiker des Projekts fürchten: Dass die Kirche – auch mit Blick auf den für den Nationalsozialismus bedeutsamen „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 – ein Wallfahrtsort für Rechtsradikale wird.

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