
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Meinungsmacher unter sich
Teilnehmer loben, die Konferenz „M100“ in der Orangerie am Park Sanssouci habe sich zu einer einzigartigen Konferenz für Medienprofis entwickelt / Stadt fördert mit 80 000 Euro
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Leonard Novy gibt sich beeindruckt. „Ich kenne keine andere Medienkonferenz, die so angelegt ist wie die M100“, meint der 35-Jährige. Novy gilt als viel gefragter Medienexperte: Er war Forschungsdirektor am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien und steht nun an der Spitze des Berliner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik. Am Donnerstag hat er die Aufgabe, beim M100 Sanssouci Colloquium im Westflügel der Orangerie die Diskussionsrunden zu moderieren.
Experten wie Novy sind beim M100 dutzendfach vertreten. Es sind Männer wie der Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner oder ZDF-Chefredakteur Peter Frey anwesend, aber auch ausländische Top-Journalisten wie die Leiterin der slowakischen Tageszeitung „Pravda“, Nora Sliskova, oder Matthew Kaminski vom Wall Street Journal. Das Treffen habe sich seit seiner Gründung im Jahr 2005 zu einer „wichtigsten Konferenzen für Medien und Politik in Europa entwickelt“, erklären die Veranstalter, der Verein Potsdam Media International und die Stadtverwaltung. M100 heißt das Treffen, weil jährlich rund hundert Medien- und Meinungsmacher nach Potsdam eingeladen werden. Novy sagt, der Mehrwert der dreitägigen Veranstaltung liege darin, dass sich die Gäste jenseits kurzfristiger Tagespolitik über grundsätzliche Fragen zu Politik, Gesellschaft und Medien austauschen könnten. Dabei würden Akteure aus unterschiedlichen Ländern und auch Denkrichtungen zusammengebracht, so Novy – von Pragmatikern bis hin zu Visionären.
Diesmal sind vor allem Nothelfer gefragt. Es geht darum, was sich aus der Euro-Krise lernen lässt. Einen Vortrag dazu hält etwa Gordon Bajnai, der frühere Ministerpräsident von Ungarn. Er warnt, im Zuge der Krise drohe einem Teil der Mittelschicht des Kontinents der Rückfall in die Armut – mit bedrohlichen Folgen für die Gesellschaften. Solchen Fragen begegne die Politik nur halbherzig. Ohnehin sei Europa lange Zeit nur ein Eliten-Projekt gewesen. An der jetzigen Krise seien alle schuld – auch Deutschland und Frankreich, die mehrfach die Defizitgrenzen der Maastricht-Verträge missachtet hätten. Europa müsse im Tsunami der Globalisierung schwimmen lernen, fordert Bajnai. Der österreichische Essayist Robert Menasse kritisiert die mangelnde Fantasie der Politiker bei der Bewältigung der Krise: Europa solle sich nicht zu sehr am Beispiel der USA orientieren und müsse sich zu einer postnationalen Demokratie entwickeln. Er selbst halte dabei sogar Nationalsprachen für verzichtbar. Wichtig seien aber die regionalen Identitäten, sagt Menasse, der von seiner Verbundenheit zu seiner Heimat Wien berichtet. Von 9.30 bis 17 Uhr werden solche Themen debattiert. Die Öffentlichkeit hat keinen Zugang. In den Pausen gibt es Häppchen vom Silbertablett und literweise Wasser, Saft und Kaffee. Hans-Ulrich Jörges vom Stern schwärmt vor Kollegen, die Konferenz sei schon wegen des schönen Tagungsortes nahe Sanssouci einzigartig.
Rund 200 000 Euro kostet die Tagung insgesamt. Das Geld kommt unter anderem von der Stadt, die nach eigenen Angaben 80 000 Euro zahlt. Dazu kommen 40 000 Euro vom Medienboard Berlin-Brandenburg. Die Konferenz entstand vor acht Jahren im Zuge der gescheiterten Bewerbung Potsdams zur Europäischen Kulturhauptstadt. Aus dieser Zeit ist noch der heutige M100-Chef Moritz van Dülmen bekannt, der frühere Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Potsdam GmbH.
Das Konzept von damals, in Potsdam einen Dialog in und für Europa und darüber hinaus zu fördern, sei aufgegangen, sagt Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Am Donnerstagabend hat Jakobs die offizielle Willkommensrede vor dem Höhepunkt der Konferenz gehalten: Die Verleihung des M100-Medienpreises an Mario Draghi, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Preis wird jährlich an „Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr Schaffen in Europa und der Welt Spuren hinterlassen“ haben. Draghi werde für sein Engagement bei der Lösung der Wirtschafts- und Finanzkrise geehrt, hieß es. Die Entscheidung für die Auszeichnung traf der journalistische M100-Beirat. Den Preis erhielten bisher unter anderem Ex-Außenminister Hans- Dietrich Genscher und der dänische Karikaturist Kurt Westergaard. Jakobs sagt: „Es macht mich stolz, dass wir durch die Konferenz jedes Jahr mit einem wichtigen Thema im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen, sei es wegen der Mohammed-Karikaturen oder wie beim letzten Mal mit einer Debatte zu den Internet-Einflüssen auf den arabischen Frühling.“
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