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Landeshauptstadt: Missbrauch im Kinderzimmer?

Ein 54-jähriger Ex-Lokalpolitiker soll seine Nichte sexuell missbraucht haben. In der Berufung beteuert er seine Unschuld

Stand:

Die Vorwürfe gegen den Angeklagten Klaus-Dieter B.* klingen schrecklich: Über Jahre hinweg soll der heute 54-jährige Mann seine Nichte Sandra E.* sexuell missbraucht haben. Als die Übergriffe begonnen haben sollen, war das Mädchen noch im Vorschulalter. Von unerwünschten Berührungen, Küssen sowie vaginalem und analem Verkehr war in der Gerichtsverhandlung am Potsdamer Landgericht die Rede. Auch später, als Sandra im Teenageralter war, soll er sich noch einmal an ihr vergangen haben. Passiert sein soll das alles in den Jahren 1993 bis 2002 bei Besuchen des Angeklagten im Haus der Familie seiner Schwester im schweizerischen Aeugst bei Zürich. Klaus-Dieter B. lebt nach eigenen Angaben seit 2008 in Potsdam und hatte sich vor dem Prozess gegen ihn für die CDU in der Lokalpolitik engagiert. Die schweizerischen Behörden hatten den Fall an die Potsdamer Staatsanwaltschaft abgegeben.

Schon im Juni 2013 musste sich B. deswegen vor dem Amtsgericht verantworten. Er wurde wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Doch sowohl die Staatsanwaltschaft als auch er legten Berufung ein. Erstere, weil ihr das Strafmaß zu niedrig erschien, Letzterer, weil er die Vorwürfe nach wie vor bestreitet.

Am Donnerstag beschäftigte sich das Landgericht unter Vorsitz von Richterin Angelika Eibisch am zweiten Verhandlungstag zunächst mit Maria E.*, der Mutter der mutmaßlich geschädigten Sandra E. Sie schilderte umfangreich, wie sie die Besuche des Bruders wahrgenommen hatte und wie sie von den Vorwürfen der Tochter erfahren hatte. „Heute könnte ich mich dafür schlagen, dass ich nichts gemerkt habe“, sagte sie im Zeugenstand. Im Nachhinein füge sich für sie ein Puzzle zusammen. So habe der ältere Bruder in der Familie viele Privilegien besessen, die er ausgenutzt habe. An sein Verhalten habe sich die Familie gewöhnt gehabt. „Er hat häufig Grenzen verletzt“, sagte Maria E. So habe er sexuelle Bemerkungen gemacht, die Töchter der Familie ins Gesäß gekniffen oder sei ungefragt ins Badezimmer geplatzt. Zu einem Eklat sei es lediglich gekommen als B. der jüngeren Tochter auf einer Famlienfeier einen Zungenkuss gegeben habe und diese ihn daraufhin vor den Gästen als pädophil bezeichnet habe. Eine längere Beziehung zu einer Frau habe B. ihres Wissens nach nie geführt. In der Familie habe es vorher weitere Missbrauchsfälle gegeben: So habe der Onkel von Maria E. und Klaus-Dieter B. seine Tochter vergewaltigt. Das sei jedoch in der Familie unter den Teppich gekehrt worden. Möglicherweise habe dieser Mann auch Klaus-Dieter B. missbraucht, vermutete Maria E.

In den Anfangsjahren habe ihre Tochter Sandra gerne mit ihrem Onkel gespielt. Ihr Verhalten habe sich dann jedoch schleichend geändert. Sie habe die Gegenwart B’s. gemieden, wollte von ihm nicht mehr von der Schule abgeholt werden. Mit etwa 16 Jahren habe Sandra dann eine Essstörung gehabt und später zwei Suizidversuche begangen. Mit 18 Jahren sei sie dann plötzlich aus dem elterlichen Haus ausgezogen und in eine Betreuungseinrichtung gegangen. Erst dann habe sie erstmals über den Missbrauch gesprochen. In sehr emotionalen Ausbrüchen habe sie Bruchstücke ihrer Erinnerung wiedergegeben und sei dabei in eine kindliche Rolle gefallen.

Inwiefern die Vorwürfe von Sandra E. glaubhaft sind, war am Donnerstag im Gericht umstritten. Die Verteidigung – B. wird vom prominenten Münchner Strafverteidiger Claus Pinkerneil vertreten – zweifelte die Sachkunde des vom Gericht bestellten Gutachters an und verlangte, dass ein selbst gewählter Gutachter Sandra E. erneut befragen kann. Das lehnte das Gericht ab, weil dazu die Zustimmung der heute 26-Jährigen fehle. Während der Aussage des mutmaßlichen Opfers mussten der Sachverständige, der Angeklagte sowie die Öffentlichkeit den Saal verlassen. Zu einem Urteil war das Gericht am Donnerstag bis Redaktionsschluss noch nicht gekommen. (* Name geändert)

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