Von Henri Kramer: Missbrauch: Verdächtiger Pfarrer referiert an Schulen Fall Uwe D.: Evangelische Kirche sieht „keine Fehler“ / Telefonhotline eingerichtet
Ein unter dem Verdacht des Missbrauchs von Schutzbefohlenen stehender Potsdamer Ex-Pfarrer arbeitet weiter mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Wie Potsdams Superintendent Joachim Zehner gestern den PNN bestätigte, referiert der pensionierte Geistliche Uwe D.
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Ein unter dem Verdacht des Missbrauchs von Schutzbefohlenen stehender Potsdamer Ex-Pfarrer arbeitet weiter mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Wie Potsdams Superintendent Joachim Zehner gestern den PNN bestätigte, referiert der pensionierte Geistliche Uwe D. immer noch auf Einladung von Lehrern im Fach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“. Seine Sicht vermittelt er dabei in der Dortu- und der Voltaire-Schule. Dort war gestern Abend niemand mehr für eine Stellungnahme zu erreichen.
Gegen den 76 Jahre alten Uwe D. bestehen schwere Missbrauchsvorwürfe. Gegen ihn liegen nach Angaben der Potsdamer Staatsanwaltschaft zwei Strafanzeigen vor. Dem 33 Jahre lang tätigen Pfarrer wird vorgeworfen, auf einer Bildungsreise im Jahr 1999 einen Jungen vergewaltigt zu haben. Zudem soll er in den vergangenen Jahren in der Kita der Heilig-Kreuz- Gemeinde in der Kiezstraße mehrfach Kinder misshandelt haben. Die Strafanzeigen waren durch Medienberichte öffentlich bekannt geworden. „Wir prüfen weiter die Vorwürfe“, sagte gestern Behördensprecher Ralf Roggenbuck. Die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz bereitet derzeit ein Disziplinarverfahren gegen den Pastor vor. Uwe D. bestreite die Vorwürfe, hieß es. Pfarramtliche Dienste sind dem Beschuldigten nach Kirchenangaben bereits untersagt worden.
Zumindest momentan darf Uwe D. aber noch andere verantwortliche Aufgaben für die Kirche übernehmen. Zehner bestätigte, dass der unter Verdacht geratene Geistliche auch weiterhin ehrenamtlich die Finanzen der Heilig-Kreuz-Gemeinde ordne. „Das wird so wohl nicht weitergehen“, sagte Zehner. Dazu wohnt Uwe D. in einer Wohnung der Gemeinde – nur wenige Meter entfernt von der Kita der Heilig- Kreuz-Gemeinde, für die er wegen der neueren Verdachtsfälle inzwischen ein Betretungsverbot besitzt.
Zehner sowie die Landeskirche präsentierten sich gestern als Aufklärer. „Wir wollen nichts vertuschen“, sagte Volker Jastrzembski, Sprecher der Landeskirche. Unter Tel.: (030) 24 344 121 sei ab jetzt eine Telefon-Hotline eingerichtet, bei der sich mögliche weitere Opfer von sexueller Gewalt melden können. Zugleich benannte die Kirche die 61-jährige Berliner Anwältin Frauke Reeckmann-Fiedler als unabhängige Ansprechpartnerin für Betroffene. Zehner nannte die Einrichtung der Hotline einen „wichtigen Schritt“ um Opfer zu einer Aussage zu ermutigen.
Ebenso verwies die Landeskirche auf einen neuen, seit Mai geltenden Handlungsplan zum Umgang bei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch. Das Papier sehe eine Anhörung der mutmaßlichen Opfer und des Tatverdächtigen vor. Es lege ferner fest, „dass für den Fall, dass sich der Verdacht erhärtet, die Staatsanwaltschaft zu informieren und ein innerkirchliches Disziplinarverfahren einzuleiten ist“. An der betroffenen Kita der Heilig-Kreuz-Gemeinde solle es ein Präventionsprogramm in Zusammenarbeit mit der Organisation „Pro Familia“ geben, um bei Verdachtsfällen „hellhörig“ zu werden, so Zehner. Er kündigte eine Versammlung der Mitarbeiter der evangelischen Kirche in Potsdam an, um über den Fall Uwe D. zu informieren.
Zugleich begann gestern das Nachdenken darüber, ob die Kirche nicht hätte eher Strafanzeige stellen sollen. Aus heutiger Sicht seien „keine Fehler“ gemacht worden, so Jastrzembski von der Landeskirche. Wie berichtet, hatte es aber bereits 2001 aktenkundige Hinweise auf den möglicherweise 1999 missbrauchten Teenager gegeben. Das Opfer habe damals – anders als jetzt – aber nicht bei der Staatsanwaltschaft aussagen wollen. Zudem habe Uwe D. die Vorwürfe bestritten. „Das war eine schwierige Lage“, sagte Jastrzembski. So habe man sich gegen eine Strafanzeige entschieden.
In der evangelischen Gemeinde sorgten die Berichte über Uwe D. gestern nur zum Teil für Überraschung. Gerüchte über die Neigungen des Pfarrers habe es schon seit Jahren gegeben, sagten mehrere Kirchenvertreter den PNN. Hinter vorgehaltener Hand gab es Kritik am Gemeindekirchenrat sowie an Verantwortlichen, die 2001 keine Anzeige erstattet hätten. Der seit 1966 als Pfarrer arbeitende Uwe D. habe es geschafft, durch sein Engagement für die Opposition in der DDR „viele Freunde“ zu gewinnen. Auf eine schriftliche Bitte, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, antwortete D. gestern nicht.
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