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Flott unterwegs. Der 87-jährige Rudi Seifert ist beim „FahrFitnessCheck“ des ADAC mit seinem Pkw in Potsdam unterwegs. Automobilclubs wie der ADAC bieten spezielle Fahrtests für Autofahrer ab 65 Jahren an, um Ängste auszuräumen und praktische Tipps zu geben.

© Theo Heimann/dapd

Landeshauptstadt: Mit 87 Jahren noch mal Fahrschüler

Automobilclubs bieten Fahrchecks für Senioren an – und die Nachfrage nach den Extra-Fahrstunden steigt

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Die Ampel schaltet von Grün auf Gelb. Rudi Seifert tritt harsch auf das Bremspedal seines Autos. Auf den Fahrspuren daneben rauschen noch mehrere Autos über die Kreuzung bis es Rot wird. Der 87 Jahre alte Rentner blickt in den Rückspiegel: „Alles unter Kontrolle.“

Das findet auch Fahrlehrer Harald Sittner auf der Rückbank. Er nickt zufrieden. Auf der Tour von Potsdam an den Wannsee testet er die Fahrleistung des Senioren. Zu diesem „FahrFitnessCheck“ des Automobilclubs ADAC Berlin-Brandenburg für ältere Autofahrer hatte sich Seifert angemeldet, um abzuschätzen, wo er steht.

Der ehemalige Busfahrer, dessen weißes Haar unter einer adretten Kappe hervorschaut, lenkt seinen Neuwagen routiniert durch die Alleen. Seine jahrzehntelange Fahrpraxis ist Seifert sofort anzumerken. Er hält stets ausreichend Abstand zu anderen Fahrzeugen, den Verkehr hinter sich hat er im Blick. Häufig nutze er das Auto, um zu seinem Sohn nach Berlin zu fahren oder um Ausflüge in Brandenburg zu machen, sagt der Potsdamer. Aber auch nach Österreich fahre er noch mit dem Auto in Urlaub. Mit seiner wenige Jahre jüngeren Frau wechsle er sich dann beim Fahren ab.

Die Nachfrage nach den Testfahrten steigt, sagt der Fahrlehrer. Bei vielen lasse das Sehvermögen im Alter nach. „Viele müssen Medikamente nehmen und sind sich unsicher, ob die Fahrleistung dadurch beeinträchtigt wird“, sagt Sittner. Das Training könne Ängste ausräumen, Fahrer könnten sich danach besser selbst einschätzen. Neben Rentnern wie Seifert, die sich selbst anmelden, gebe es häufig auch Familienangehörige, die ihre Eltern oder Großeltern zu der Testfahrt bewegen wollten.

180 Senioren aus Berlin und Brandenburg meldeten sich im vergangenen Jahr laut ADAC für den Fahrtest an – im Jahr zuvor seien es noch 70 gewesen. Bei der 45-minütigen Autotour schlüpft der Rentner in die Rolle eines Fahrschülers und fährt eine ihm bekannte Strecke ab. Der Fahrlehrer beobachtet seinen Fahrstil und gibt anschließend in einer Auswertung Tipps und Hinweise. Eine Meldung an eine Behörde erfolge aber nicht, sagt Sittner.

Auch der Auto Club Europa (ACE) geht bei seinen Angeboten für Senioren in der Hauptstadtregion in diesem Jahr von steigenden Zahlen aus. Der Club bietet das Programm „Ü60 – Bleib mobil“ an, das Theorie- und Praxisteile kombiniert. „Mit Blick auf den demografischen Wandel wird die Nachfrage steigen“, sagt ein ACE-Pressesprecher.

Die Zahl der Unfälle, in die Menschen ab 65 Jahren involviert sind, ist in Brandenburg rückläufig. Sie sank 2011 nach Angaben des Innenministeriums im Vergleich zum Vorjahr leicht um 1,8 Prozent auf 13 853. Dabei seien 35 Senioren ums Leben gekommen – immerhin 14 weniger als 2010. Auch die Zahl der Verletzten sei zurückgegangen, von 1 296 auf 1 211 Rentner. Allerdings: „Was auffällt ist, dass knapp 70 Prozent der Unfälle von den Senioren selbst verursacht wurden“, sagt ein Sprecher des Ministeriums.

Für Seifert, der sein Auto vom Wannsee wieder in Richtung Potsdam lenkt, ist trotz seiner ruhigen Fahrweise der Straßenverkehr schon lange nicht mehr das, was er mal war. „Die Rücksichtslosigkeit ist stärker geworden – da wird man einfach ständig geschnitten“, sagt er kopfschüttelnd und biegt in eine Seitenstraße. Dennoch mache ihm das Autofahren noch Spaß.

Fahrlehrer Sittner stellt dem Rentner ein gutes Zeugnis aus. „Viele junge Autofahrer könnten sich von seinem Fahrstil etwas abschauen.“ Seit 1945 besitzt Seifert einen Führerschein. Aber sein Herz hänge nicht daran, sagt er: „Wenn es nicht mehr geht, gebe ich den Lappen eben ab.“

Anna Ringle-Brändli

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